4.Advent 2010 – Höchst anständig!

4.Advent 2010 – Höchst anständig!

Höchst anständig! In aller Stille will er sich von ihr trennen. Er hätte es auch anders anstellen können. Wäre sein gutes Recht gewesen! Schließlich war er der Betrogene, dieser Josef, dessen Verlobte nun plötzlich schwanger geworden war. Vor zwei Zeugen hätte er die Verbindung lösen können und ihre Schande wäre öffentlich gewesen.

Hoch anständig, dass er beschlossen hat, sich in aller Stille von ihr zu trennen.

Mehr aber auch nicht. Mehr als anständig, war es nicht. Denn haben wollte er sie ja offenbar auch nicht mehr. Trennen wollte er sich ja. Er hätte sie ja auch trotzdem noch zu sich nehmen können. Aber offenbar hat er sie jetzt auch nicht mehr gewollt.

Oder fürchtete er sich etwa nur? Fürchtete er sich einfach, sie jetzt trotzdem noch zu seiner Frau zu nehmen? Und wenn ja – vor was? Oder vor wem?

Liebe Schwestern und Brüder,

mir ist dieses Mal ganz besonders dieses „Fürchte Dich nicht…“ hängengeblieben. Der Engel im Traum sagt ausdrücklich: „Fürchte Dich nicht, Maria als Deine Frau zu Dir zu nehmen.“ Aber wovor sollte sich Josef denn fürchten?

Zu befürchten hatte einzig und allein Maria etwas. Sie war schließlich entehrt. Sie würde, wenn Josef sie öffentlich bloßstellen würde, keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. Wenn sie dann noch jemand nehmen würde, dann allerhöchstens aus Mitleid.

Josef selbst hatte kaum etwas zu befürchten – außer das Gerede der Leute. Denn wie stand er jetzt da! Seine Braut bekommt ein Kind und offenbar nicht von ihm. Würde er sie öffentlich verstoßen, so würde er vielleicht sein Gesicht wahren. Mit Fingern würde man trotzdem auf ihn zeigen: auf den gehörnten Bräutigam. Wer den Schaden hat, brauchte auch damals für den Spott nicht zu sorgen.

Würde er sie darüber hinaus jetzt auch noch zu sich nehmen, man würde nicht mehr aufhören, sich die Mäuler über ihn zu zerreißen. Was wäre das auch für ein Mann, der sich ein Kind unterjubeln lässt und dann einfach stillschweigend gute Miene zum bösen Spiel macht! Das wäre heute noch Aufsehen erregend. Damals war das ein gefundenes Fressen für den Klatsch und Tratsch weit über die Ortsgrenzen hinaus.

„Fürchte dich nicht davor!“ Tu es trotzdem! Tu ganz einfach, was Dir wichtig und richtig erscheint, und lass Dich nicht durch das Geschwätz der anderen davon abbringen.

Eigentlich macht sie mir nur so wirklich Sinn, die Aufforderung des Engels im Traum an den Josef. Es liest sich fast so, als hätte es nur noch dieses letzten Anstoßes bedurft, als hätte er eigentlich diese Maria am allerliebsten trotz allem, trotz der augenscheinlichen Enttäuschung, trotz des Kindes – als hätte er sie trotz allem am liebsten zu sich genommen, wäre da nicht das Gerede gewesen.

„Fürchte dich nicht!“ heißt die Antwort.

Und das ist eine Antwort, die nicht nur auf ihn hin gesprochen ist. Es ist eines der vielen zeitlos gültigen in alle Generationen hineingesprochenen Worte, das hier mitten in diesem Evangelienabschnitt steht.

Lass dich nicht vom Geschwätz der anderen abhalten. Steh zu dem was Dir richtig und wichtig erscheint. Und vor allem: steh zu den Menschen.

Der Engel sagt genau das auch zu uns.

Er sagt es zu den Eltern, die zu ihren Kindern stehen, auch wenn sie den größten Bockmist verbrochen haben und alle schon hinter vorgehaltener Hand tuscheln, wenn man an ihnen vorüber geht.

Er sagt es denen, die zu einem anderen Menschen stehen, weil er ihnen wichtig ist, weil sie ihn lieben, auch gegen die öffentliche Meinung, trotz all dem Geschwätz und gegen all den Druck, der Vielen, die es ja wieder einmal so viel besser wissen.

Wenn es um Menschen geht, dann fürchtet euch nicht vor dem Geschwätz. Steht zu eurer Überzeugung, folgt eurem Gewissen und tretet für den Menschen, der euch wichtig ist, ein, denn genau solche Menschen, Menschen wie diesen Josef, solche Menschen braucht dieser Gott.

Amen.

Taufe des Herrn 2010

Predigt Taufe des Herrn 2010

 

Was hätten wir da wohl gemacht? Hätten wir das zugelassen? Stellen sie sich die Situation am Jordan doch mal vor, so richtig bildlich meine ich. Da kommt Jesus zum Jordan. Johannes kennt ihn, gut sogar. Er weiß, dass dieser Jesus was ganz besonderes ist. Und so wie Matthäus das im Evangelium schreibt, ist Johannes auch davon überzeugt: Dieser Jesus, das ist er, das ist der Messias.

Und dieser Messias, dieser Retter, dieser König, auf den das Volk Israel seit Jahrhunderten gewartet hat, kommt, kommt zum Jordan und stellt sich in einer lange Reihe hinten an. Und die Reihe die da steht, das sind alles Sünder, darum wollen sie sich taufen lassen.

Es geht gar nicht darum, dass Johannes sich nicht würdig fühlt diesen Jesus zu taufen, nein, einen Messias, der sich bei den Sündern einreiht, das widerspricht allem was Johannes gelernt hat.

 

Stellen sie sich doch einfach mal vor: Jesus kommt heutzutage nach Verl. Da wäre der Schnee geräumt, der Müll abgeholt, das Rathaus geputzt, Paule hätte nen neuen Anzug und alle sonst vielleicht noch wichtigen Menschen von Verl wären da zum Empfang. Natürlich hätte der Klerus auch seine Soutanen an, hängt ja bei manchen nicht so weit, selbst die Evangelischen ständen in Eintracht neben den Katholischen und eine Liste von Grussworten wäre mehrere Seiten lang.

 

Und dann ist er da, der Messias, ohne Chauffeur und Polizeibegleitung, aber nicht im Rathaus, nein er sitzt am fast dunkelgrünen Kriegerdenkmal auf der Bank, neben den vollen Mülleimern und neben ihm zwei durchreisende Obdachlose mit einem Sortiment von Flaschen neben den Füßen.

Er könnte natürlich auch vorher einen Besuch in der Verler Strasse 408 machen und dort mit den Prostituierten und Dirnen sprechen, die wir normalerweise außerhalb des Gottesdienstes mit ganz anderen Namen bezeichnen.

Wetten das die ganze Nation, ich meine die ganze Stadt Verl, sich furchtbar aufregen würde!

 

Spätestens danach würde Klerus in Paderborn ihm schon im Vorfeld verbieten, wenn er die Gemeinschaft mit wiederverheiratet Geschiedenen suchen würde oder wenn er zu intensiv mit evangelischen Christen ins Gebet käme oder sogar unerlaubten Gottesdienst feiern würde.

 

Man könnte dem ganzen noch die Krone aufsetzen und annehmen, Jesus würde sich mit Menschen treffen, die aus der Kirche ausgetreten sind. Wir würden diesem Messias, genau wie Johannes damals, schon beibringen wie man sich als Gott zu benehmen und zu verhalten hat. Viele scheinbar tiefgläubige Christen hätten schon gerne eine enge Beziehung zu unserem Gott, ja ganz bestimmt, aber nur als sein Berater.

Abertausend Bücher gibt es über unseren Gott, mit exakten und genauen Vorstellungen über ihn, damit wir genau sagen können, wie Gott die Dinge anzugehen hat, und wie nicht.

 

Johannes hatte das auch geglaubt. Er hatte alles gelernt was die Schriftgelehrten über den Messias zu sagen wußten. Er glaubte auch zu wissen, was der Messias tun würde, auf keinen Fall dürfte der sich zu den Sündern stellen. Das konnte er nicht zulassen.

 

Und dann kam die große Lehrstunde für Johannes durch Jesus – und – Johannes hat es wohl begriffen!

 

Aber haben wir das auch begriffen? Wenn ich mir so manche Verlautbarung der Kirche, manches theologische Buch so anschaue, dann fürchte ich, dass wir immer noch nicht verstanden haben, dass Gott größer ist als unser Herz. Das unser Gott kein Gott von starren Vorschriften und Regeln und ritueller Vorgaben ist und vor allem, dass er ein Gott ist, der die Angst nimmt, der nicht kleinkariert denkt, sondern das Heil aller – aller – Menschen und nicht nur die Rettung von irgendwelchen elitären Gemeinschaften will.

Immer wieder, und immer wieder neu, wird Gott auch heute noch genauso falsch verstanden, obwohl Jesus an zig Stellen versucht hat, allen klar zu machen, dass er damit absolut nichts am Hut hat.

 

Wer das Evangelium ernst nimmt, wer es als Frohe Botschaft erkennt und leben will, der muss

– da bin ich jedenfalls ganz sicher – auch bereit sein, die eigenen Vorstellungen, die Bräuche und Rituale, die Vorschriften, Überlieferungen und Traditionen immer wieder auf das hin überprüfen und abklopfen, was im Laufe der Zeit, der Jahrhunderte hinzu gewachsen, ja gewuchert ist und den Kern, nämlich die Wahrheit des göttlichen Willens verdunkelt oder ins Gegenteil verkehrt.

Vieles mag menschlichen Vorstellungen oder sogar vernünftiger menschlicher Ordnung entsprechen, steht aber gegen Gottes Gebot und den Aussagen unseres Heilandes Jesus Christus.

 

Quer durch das ganze neue Testament hören wir über Jesus, der sich an die Seite der Schwachen, der Sünder, der Fehlerhaften stellt.

Seine Botschaft, ist die Frohe Botschaft vom liebenden, vom versöhnenden und vom barmherzigen Vater.

Seine Verkündigung richtet sich gegen Unterdrückung, gegen Angst und Verzweiflung und gegen starre Regeln, die schmerzen und einengen.

 

Zu jedem Menschen dieser Erde, zu jedem Menschen der seit hunderten von Generationen war und in allen kommenden Generationen noch sein wird, sagt Gott ohne Vorbedingung und ohne Einschränkung:

Du, gerade DU bist meine geliebte Tochter,

Du, gerade DU bist mein geliebter Sohn.

 

Nehmen Sie alle diesen kurzen Satz mit nach Hause, mehr brauchen sie nicht!

 

 

6. Sonntag A – Beginn Bergpredigt

 

Predigt 6. Sonntag A – Beginn Bergpredigt

 

Es ist wie ein kleiner Beichtspiegel: Ich höre das Evangelium – und betrachte mich in einem Spiegel. Mich – das heißt auch, einmal nicht auf die anderen zu schauen, über sie zu reden, besser zu sein als sie.

Was sehen wir denn in diesem Spiegel? Zunächst: Drei Gebote, drei Gebote von zehn:
„Du sollst nicht töten“, „Du sollst nicht ehebrechen“ und „Du sollst keinen Meineid schwören“.

 

Aber wir sehen jetzt mehr als Mord, Ehebruch und Meineid – wir sehen den Hass, der sich in Worten ausdrückt – wir sehen die Begierde, die aus den Augen kommt – wir sehen, dass selbst der Eid, das feste Versprechen, wertlos wird. Jesus öffnet uns neu die Augen. Er lässt uns in die Gebote sehen.

In die Gebote sehen, heißt, in Gottes Absichten eingeweiht zu werden. Ihm, Gott ins Herz zu schauen.

Was ich wie einen Beichtspiegel empfinde, wird zu einem Spiegel meines Lebens.
Ich sehe mich. Ich sehe ihn. Er sieht mich.

Obwohl das Evangelium ziemlich eindeutig und bestimmend klingt – „Zu den Alten wurde gesagt, ich aber sage euch“ – liegt das Geheimnis in dem, was dahinter steckt.. Es ist die Ansage von Jesus für eine neuen Zeit.
Jesus hält seine Bergpredigt. Sie gilt als seine Antrittsrede. Jesus umreißt sein Programm, stellt Schwerpunkte vor, lädt zu Veränderungen ein. Er holt die Menschen in ihrer Lebenswelt ab und er er nimmt sie mit. Die sind neugierig, offen, erwartungsvoll.

Wir sehen uns auch um Jesus versammelt. Er will, dass eine neue Herrschaft beginnt.

Und darum geht es denn auch:
dass Worte nicht mehr töten, nicht mehr verletzen, nicht mehr demütigen –
dass Blicke nicht mehr ausziehen, nicht mehr wehrlos machen, nicht die Würde rauben –
dass Worte trösten, aufrichten und Gemeinschaft stiften,
dass Blicke Herzen öffnen und Vertrauen schenken.
Eine neue Herrschaft beginnt.

 

Es ist zwar ein heißes Eisen, gehört aber heute zu unserem Thema – das Beispiel Ehebruch. Wie kaum ein anderes Thema hat es mit Worten und Blicken zu tun – mit verlorenen Worten, mit verletzenden Blicken – und mit der Sehnsucht, ein gutes Wort zu hören und liebevoll angesehen zu werden.

Viele Menschen schauen nicht nur auf gute Erfahrungen zurück, die sie in einer Ehe gemacht haben. Aus einer großen Liebe wurde ein – großes Leid. Was in dem Wort „Bruch“ fast untergeht, ist eine Wunde, ein Schmerz, eine Enttäuschung.
Andere erzählen noch nach 40, 50, 60 Jahren, wie reich sie beschenkt wurden und wie schön es war – mit diesem einen Menschen. Von solchen Verhältnissen – und Träumen – gehen wohl auch die meisten Menschen aus, wenn sie den Schritt in die Ehe wagen. Sie versprechen einander Liebe – „bis das der Tod uns scheidet“.

Wir kennen alle auch Menschen, die sich – nach einer Scheidung – trauten, noch einmal zu heiraten und verbindlich „ja“ zu einander zu sagen. Oft hat der Partner, die Partnerin auch schon eine gescheiterte Ehe hinter sich. Manche bringen Kinder mit. Neue Familien finden sich zusammen. Das moderne Wort Patchwork-Familie trifft eigentlich nicht, was geschieht: dass ganz neue Banden entstehen, neues Vertrauen, neue Zukunft.

Ich habe Jesu Wort noch im Ohr: Unter euch soll es überhaupt keine Scheidung geben! Dieses Wort steht – es steht auch in seiner Verlässlichkeit und Treue. Sein Wort ist auch nicht klein zu reden. Wir können es nicht einmal verbiegen.
Aber wir sind – nur Menschen. Wir sehen uns schuldig werden. Wir sehen auch, dass wir ein „Ja“ manchmal nicht durchhalten können. Wir leiden darunter, aufgegeben zu werden – und einen anderen Menschen aufzugeben. Was oft so leicht und leichtfertig aussieht, entpuppt sich in vielen Fällen als Trauma, als tiefe andauernde psychische Belastung. Oder auch als ein Geschenk – für einen neuen Anfang.

 

Jesu Wort in der Bergpredigt hat eine große Bedeutung und Kraft für alle Christen. Eine hohe Messlatte legt Jesus uns auf, die wir nicht niedriger legen oder verbiegen dürfen. Seine Erwartung an uns fordert uns jeden Tag neu.

Nein, ich bin nicht „größer“ und „besser“ als …
Ich will auch nicht „größer“ oder „besser“ sein als …
Damit ich das sagen kann, suche ich bei Jesus Barmherzigkeit und Kraft.

Dass Worte nicht mehr töten, nicht mehr verletzen, nicht mehr demütigen –
dass Blicke nicht mehr ausziehen, nicht mehr wehrlos machen, nicht die Würde rauben –
dass Worte trösten, aufrichten und Gemeinschaft stiften,
dass Blicke Herzen öffnen und Vertrauen schenken.
Eine neue Herrschaft, Gottes Herrschaft nimmt dann seinen Anfang in uns und mit uns.

1. Fastensonntag 2011-03-12

Predigt 1. Fastensonntag 2011-03-12

 

Ich mach das noch wie meine Mutter früher, viele, besonders die Kinder, kennen das heute gar nicht mehr. Als erstes mache ich in den Wintertagen morgens die Asche aus der Brennkammer meines Kachelofens. Oft ist die Asche morgens schon kalt und nichts lässt erkennen, welche Art Holz ich verbrannt habe. Bestenfalls finde ich den einen oder anderen Nagel aus den Paletten.

 

Asche ist ein sehr eindrucksvolles Symbol der Vergänglichkeit, auch der menschlichen Vergänglichkeit, wenn der ganze äußere Mensch auf die Größe einer Urne zusammengefallen ist. Was bleibt ist Nichts, einfach Staub.

Am Mittwoch, Aschermittwoch, wurden wir eindrucksvoll mit dieser Thematik konfrontiert.

Sekunde für Sekunde verrinnt unser Leben, absolut unwiederbringlich, keine Sekunde, kein Tag, kein Jahr unseres Lebens können wir zurückholen und neu beginnen. Kein böses Wort, keine fehlende Umarmung, keine versagte Hilfe können wir zurückdrehen.

 

Die Fastenzeit gibt uns eine gute, vielleicht letzte Chance, vielleicht letzte Chance in unserem Leben zu schauen, was für unser, was für mein Leben wirklich entscheidend ist:

  • Auf welches Ziel hin und wofür lebe ich eigentlich?
  • Was ist das wirklich Wichtige in meinem Leben?
  • Worauf kommt es tatsächlich an?
  • Wie setze ich richtig meine Schwerpunkte?

 

Das sind auch Fragen, mit denen uns die Kirche – Quatsch – Gottselbst ist es, der uns täglich immer wieder neu diese Fragen stellt. Die Amtskirche stellt sie nur jedes Jahr besonders an den Beginn der Fastenzeit.

 

Mein Gott ist es, und zwar der Gott, der mich geschaffen, der mich kennt, der Arthur zu mir sagt und mich unendlich liebt. Er ist es der tief traurig ist, wenn ich, wenn wir unsere Jahre, unser Leben mit Nebensächlichkeiten, mit Belanglosigkeiten, mit Peanuts verschleudern.

Wenn uns Besitz, Ansehen, Äußerlichkeiten und die Showanteile unserer menschlichen Wohlstandgesellschaft so über alle Maßen wichtig sind.

  • Wie modern ist mein Anzug oder mein Kleid?
  • Welche Kreuzfahrt buche ich dieses Jahr?
  • Welches Auto muß es denn sein?
  • In welchen Kreisen verkehre ich?

 

Um solche „Äußerlichkeiten“ geht es heute auch im Evangelium. Jesus stellt dem immer wieder die „Innenseite“ unseres Glaubens, ja die „Innenseite“ das Wesentliche unseres Lebens gegenüber:

  • Am Beispiel wahrer Gerechtigkeit
  • Am Beispiel uneigennützigem Einsatz
  • Am Beispiel des Betens um des Betens, des Danken willens
  • Am Beispiel eines Fastens, das frei macht für das Wesentliche, das Eigentliche

 

Bei Fasten denken wir oft so schnell an Verzicht:

  • Weniger Essen – bin sowie so zu fett und alle gucken schon
  • Weniger rauchen – sowieso zu teuer und nicht gesund
  • Weniger Computer und Fernsehen – ist oft sowieso Müll

 

Fasten nach Jesu Geist meint:

  • Zum Wesentlichen kommen – zu sich selbst, zu dem wie Gott uns gemeint hat
  • Unsere innere Wahrheit erkennen – und Selbsttäuschungen durchschauen, sich nicht immer was vormachen
  • Sich besinnen – und den tiefen Wert eines von Gott geliebten Kindes zu erkennen

 

 

Natürlich kann das auch bedeuten, auf das Eine oder Andere zu verzichten, aber deshalb ist Fasten kein Negativgeschäft, kein Verpassen und Verzichten, kein Verlust, sondern ein Gewinn, eine persönliche Bereicherung, ein echtes dickes Plus.

 

Die Zeit die ich gewinne für Familie und Freundschaft – ein echter Gewinn

Die innere Ruhe, Gelassenheit und Zufriedenheit – ein echter Gewinn

Das Buch, das ich endlich lese – ein echter Gewinn

Das gute Gespräch mit dem Partner, dem Nachbarn oder Freund – ein echter Gewinn

Meine Hilfe und Solidarität mit den Armen – ein echter Gewinn

Mein Mitempfinden und Mitfühlen für die Menschen in Libyen oder Japan – ein echter Gewinn

Ein dankbarer, vor allem liebevoller Blick auf mein eigenes Leben – ein echter Gewinn

 

Natürlich täte uns das alles das ganze Jahr über gut.

Aber so sind wir nun mal, ich jedenfalls, wir müssen immer wieder, oft jeden Tag einen neuen Anfang machen.

Jeden Morgen muss ich die alte Asche ausfegen, damit das Feuer neu entzündet werden kann.

 

„Gedenke Mensch – Du bist Staub“ „Mensch – werde endlich wesentlich!“

Damit du über alles, was vergänglich ist – zu einem erfüllten, einem guten Leben kommst, das dir nützt und Gott gefällt.

 

Sehen wir wiedermal, wie schon so oft auch vergeblich, auch dieses Jahr die Fastenzeit als eine gute Chance, vielleicht ist es die Letzte.

 

Amen

4. So. Osterzeit A – „Der gute Hirte“

Predigt 4. Sonntag Osterzeit A – „Der gute Hirte“

 

„Und wenn dich ein Fremder anspricht, und wenn er sagt, ‚Komm, ich hab‘ was Schönes für dich!‘, dann geh‘ ja nicht mit! Unter keinen Umständen! Unter keinen Umständen darfst du mit jemandem mitgehen, den du nicht wirklich ganz gut kennst!“ Jedem Kind schärfen wir das immer wieder ein. Und das aus gutem Grund.

Liebe Schwestern und Brüder,

im heutigen Evangelium schärft Jesus Christus selbst uns genau das gleiche ein! Oder besser gesagt: Er geht davon aus, dass wir es wie selbstverständlich beherzigen!

Einem Fremden, dessen Stimme man nicht kennt und von dem man nicht weiß, was er mit einem vorhat, dem kann man nicht folgen! Und selbst dann, wenn man jemanden wirklich gut zu kennen glaubt, selbst dann muss man sich fragen, und sogar immer wieder fragen, was man denn wirklich von ihm weiß, ob er tatsächlich nur mein Bestes will, und ob er es wirklich für mich, oder ob er mein Bestes nicht am Ende für sich haben möchten. Blind zu vertrauen, und blind zu gehorchen, das kann fatale Folgen haben.

Vor sechzig Jahren hat man bei uns, nur allzu deutlich und sehr schmerzlich erleben müssen, was blinder Gehorsam am Ende bewirkt. Und heute frage ich mich wie Menschen nach all den Erfahrungen, die wir in diesem Jahrhundert machen mussten, wie Menschen noch heute so verblendet sein können, dass sie nicht sehen, wie sie von falschen Hirten, denen sie blind vertrauen, nicht auf fruchtbare Weiden sondern auf Schlachtfelder geführt werden. Wer den Kadavergehorsam pflegt, der darf sich nicht wundern, wenn es nach Tod und Verwesung zu riechen beginnt.

Gehorsam zu sein, auf die Stimme eines anderen zu hören, das darf den eigenen Verstand nie ausschalten, das enthebt mich nicht der Pflicht, dass ich mir selbst darüber klar werden muss, was ich tun darf und was nicht, was richtig ist und was trotz aller Anordnungen falsch genannt werden muss. Es enthebt mich nicht der Verantwortung, die ich trotz aller Führer und Hirten dieser Welt für mein eigenes Tun am Ende immer noch selber habe.

Das gilt im Alltag, das gilt in der Politik und das gilt nicht minder in meinem Glaubensleben.

Sicher, wer unbekannte Wege geht, der vertraut sich am besten einem Führer, einem Hirten an. Wer am Ende aber ankommen möchte, der schaue zweimal hin, welchem Hirten er sich anvertraut.

Und Jesus selbst, der eigentliche, der gute Hirte, er liefert uns die Kriterien, an denen wir unsere Hirten messen können. Jesus nämlich ging es immer um den Menschen. Für ihn stand der einzelne und sein Leben immer im Mittelpunkt. Deshalb ist er Mensch geworden, damit wir das Leben haben, und es in Fülle haben.

Hirten im Sinne Jesu haben deshalb auch den Menschen im Blick. Und überall dort, wo Buchstaben und Gebote plötzlich wichtiger werden, als die Menschen für die sie gemacht sind, wo Ideen und Ideologien plötzlich mehr Gewicht bekommen als der einzelne Mensch, dort sind die falschen Hirten am Werk, Hirten, von denen ich mir nur wünschen kann, dass immer weniger Menschen auf solche Führer hören.

Und noch ein zweites Kriterium gibt Jesus selbst uns an die Hand. Falsche Hirten weisen nämlich nur den Weg. Sie sind wie Wegweiser, die starr und unbeweglich in der Landschaft stehen, die allen zeigen, wo sie lang zu gehen haben, die selbst aber den Weg, den sie anderen weisen, keinen Zentimeter gehen. Diejenigen, die vom hohen Ross und großen Sockel aus regieren, die sich selbst zu fein ist mit anzupacken oder sich die Hände schmutzig zu machen, die die Konsequenzen nur andere ausbaden lassen, selbst aber immer fein raus sind, das sind die falschen Hirten.

Der gute Hirt, muss sich an Jesus messen lassen. Er nämlich hat nicht nur einen Weg gezeigt, er ist ihn vom Anfang bis zum Ende mitgegangen. Und dort, wo der Weg am beschwerlichsten wurde, dort ist er sogar vorausgegangen.

Solch einem Hirten kann man folgen, so jemandem kann man vertrauen, ihm kann man sich anschließen. Und all denen, die es hier wirklich wie Jesus halten, allein denen ganz getrost auch.

Amen.

20. So.Jk. A – Mathäus 15 20-28 „Kanaanäische Frau“

Predigt 20. Sonntag i.Jk. A – Mathäus 15 20-28 „Kanaanäische Frau“

Man kann sich den Text für die Predigt oft nicht aussuchen. Ich hätte gerne einen Bogen um diese Geschichte gemacht. Der Jesus, von dem wir hier hören, gefällt mir nicht. Früher habe ich meiner Frau oft lange Briefe geschrieben, weil man manches so leichter sagen kann. Darum habe ich der Frau aus der Bibel auch einen Brief geschrieben.

Liebe kanaanäische Frau!
Ich soll über Ihre Begegnung mit Jesus von Nazareth predigen. Man sollte alte Geschichten nicht immer wieder aufzurühren. Aber auch nach fast 2000 Jahren ist diese Erzählung für mich peinlich, treffender gesagt, ich bin entsetzt. Wahrscheinlich hatten Sie aus Galiläa erfahren, dass ein gewisser Jesus aus Nazareth Menschen in allen Nöten annimmt und ihnen hilft.

Von Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen hatten Sie gehört, von seinen tröstenden, liebenden und barmherzigen Worten an die Menschen. Darum wandten Sie sich als Mutter einer schwerkranken Tochter an ihn. Sie hatten größte Sorge um Ihr Kind, das Sie so gern hatten. Es hat sie richtig fertig gemacht.

Darum riefen Sie auch: „Herr, erbarm dich über mich!“

Sogar mit dem Königstitel „Sohn Davids“ sprachen Sie Jesu an und zeigten, dass Sie die Geschichte des Volkes Israel kannten und ihr nahestanden.

Alles, was dann folgte, ist mir absolut unverständlich. Ich weiß ja, wie sich Jesus für Schwache und Benachteiligte eingesetzt hat. Auch ich suche die Nähe Jesu und seine Kraft als Hilfe für mein Leben und meine Sorgen. Dabei weiß ich, dass Gott kein Automat ist, der sofort alle Wünsche erfüllen muss.

Aber was er Ihnen angetan hat, geht über mein Verständnis. Nein, das hätte ich von Jesus nicht erwartet.

Erst sagt er gar nichts – schweigt einfach. Ihr Ruf, Ihre Bitte kommt überhaupt nicht an.

Ich weiß selbst auch, wie weh das tut, wenn Worte ungehört bleiben, wenn jede Antwort auf Anregungen und Bitten ausbleibt.

Es ist wie eine leise, aber umso schmerzhaftere Verachtung. – Aber es wird bei Ihnen ja noch schlimmer.

Jesus spielt sich als Lehrer auf, er spricht zu seinen Jüngern, wohlgemerkt zu den Jüngern, nicht zu Ihnen, vom Ratschluss Gottes.

Er spricht wie ein Richter in letzter Instanz, er redet über seine Aufgaben – unpersönlich, unbarmherzig, lieblos.

Da geht Jesus in das Land der Nichtjuden, um Ihnen zu erklären, dass er nicht für sie da ist. Schlussstrich, Punkt – Gott will es so.

An Ihrer Stelle hätte ich mir das nicht bieten lassen. Nichts regt mich mehr auf als kluges Reden, wenn ein Mensch Liebe nötig hat. Mir, liebe Frau, wäre spätestens hier klar geworden, dass ich an Jesus nicht herankomme, dass er kein Fünkchen Liebe für mich übrig hat.

Aber eigentlich weiß ich nicht, was ich darauf hin getan hätte; so tiefe Verzweiflung ist mir bisher erspart geblieben.

Darum bleibt mir für das was jetzt kommt nur Sprachlosigkeit: Sie fallen Jesus erst recht zu Füßen; Jesus aber vergleicht sie mit einem Hund, dem man nichts Gutes vorwirft. Als leidende und tief traurige Mutter werden Sie offen verspottet. Dazu kann ich nichts mehr sagen. Mir fällt nichts ein.

Aber Sie, Sie gehen auf dieses Spiel ein, lassen sich förmlich von Jesus in den Boden treten. Sie nehmen den Vergleich mit einem Hund an, damit Jesus Sie schließlich doch erhört. Dieses alles geht mir zu weit. Mir tut es aufrichtig leid, gerade auch deswegen, weil ich eigentlich diesen Jesus toll finde und zu ihm gehören will. –

Liebe Frau, ich kann mich zwar nicht für einen anderen entschuldigen, aber Ihnen trotzdem mein Mitfühlen zusichern. Freundlicher Gruß Arthur Springfeld, Verl


Sie werden es nicht glauben liebe Gemeinde, nach 14 Tagen bekam ich Antwort aus Kanaa!

 

 

Sehr geehrter Herr Springfeld!
Ihren lieben Brief habe ich erhalten. Ich verstehe Ihren guten Willen, und danke Ihnen dafür. Sie wollten mir Ihr Mitgefühl zeigen, aber Ihr Brief zeigt gerade das nicht.

Wenn sie mit mir fühlen würden, könnten sie nicht von Peinlichkeit und Entsetzen schreiben. Wissen Sie, was ich fühle? Ich bin glücklich, unbeschreiblich glücklich über das, was mir geschehen ist.

Sie haben sich ein Bild von Jesus gemacht; so muß er sein und nicht anders.

Bei mir war er aber ganz anders; trotzdem ist die Begegnung mit ihm ein Wendepunkt in meinem Leben geworden. Die Krankheit meiner Tochter machte mir Angst und lag wie eine dunkle, schwere Wolke über meinem Leben. Ich litt mit ihr und konnte ihr nicht helfen. Alle medizinische Hilfe versagte. Ich wusste, auch hier ist Gott im Spiel, aber ich habe ihn nicht verstanden. Ich wusste nicht, warum mir dieses schwere Leid gegeben war. Aber nur Weniges im Leben ist so klar, dass man es eben schnell einfach erklären kann.

Als ich dann von diesem Jesus aus Galiläa hörte, kam Hoffnung auf ein gutes Ende auf.

Ich fühlte, dass er mich nicht enttäuschen würde. Dann wurde erzählt, dass er sogar ins nichtjüdische Land gekommen war. Da hatte ich auf einmal den Gedanken: Er kommt nur meinetwegen.

Ich brach auf, ihn zu suchen. Das war nicht schwer. Ich brauchte mich nur zu erkundigen. Die Menschen erzählten gern von ihm.

Als ich Ihn dann sah, sprudelte alle Not und meine ganze Hoffnung aus mir heraus. Ich war sicher, dass nach den dunklen Wolken jetzt Licht kommt.

Hinter allem Unfassbaren, Unbegreiflichen verbirgt sich der Gott, der uns liebt. Und der stand vor mir.

Das Bitten und Rufen fiel mir überhaupt nicht schwer. Jesu Schweigen sagte mir: Er weist mich nicht ab. Es war keine Verachtung, sondern ein Eintauchen in meine Dunkelheiten. Wir beide gingen im Dunkeln aufeinander zu, und auch Jesus musste erst den Weg zu mir suchen.

Die Jünger haben das nicht verstanden. Sie wollten mich wegschicken. Sie stellten sich zwischen mich und Jesus. Klar, Jesu Antwort war dann wirklich sehr mißverständlich. Aber sie beschrieb eigentlich genau meine Gottesferne. Auch hier schien Jesus seinen Weg zu suchen. Ich hörte keinen Richterspruch, sondern sein lautes Nachdenken.

Warum sollte Jesus über die Grenze zu den Nichtjuden gehen, wenn er sie dann wieder aufrichten will?

Ich war nicht verzweifelt, sondern mir auf einmal noch sicherer: Hier und heute beginnt etwas ganz Neues.

So wollte ich Jesus ganz nah sein. Mit meinem Niederfallen breitete ich mein ganzes Leben, mein Unglück und meine Sorgen vor ihm aus. Dass er mich dann Hündchen nannte, war für mich nichts Schlimmes. Gott liebt doch auch die Tiere. Und mein Leben war eben keins am feinen Tisch, sondern eher ein Hundeleben.

Ich war mir absolut sicher, dass Jesus niemand Liebe wegnehmen muss, wenn er mir davon nur ein wenig abgibt. Und das sagte ich ihm auch.

Damit war das Unfassbare, Unbegreifliche geschehen. Ab diesem Augenblick war alle Last, war alle Dunkelheit und Angst von mir genommen. Meine Tochter wurde gesund.

Jesus sagte nichts mehr, nur, dass er meinen Glauben bewunderte. Aber ich habe diesen Glauben nicht selbst hervorgebracht, das hat Gott getan.

Ich konnte erleben, dass Vertrauen alles ändern kann. Nicht die Leiden und Widerstände sind entscheidend, sondern das, was Gott für uns bereit hält.

Oft sehen wir es nicht.

Aber der Glaube gibt die Gewissheit: Hinter aller Dunkelheit wartet ein Gott voller Liebe um und für uns. Kein Leiden ist schön. Aber es ruft uns auf, es schreit uns an, uns ganz und allein auf diesen Gott zu verlassen.

Diese Begegnung hat mich, sie werden das nun verstehen, ganz tief glücklich gemacht.

Es musste alles so sein. Ich bin dankbar dafür.
Shalom – Friede sei mit Ihnen! – und dann eine unleserliche Unterschrift.

31. So. A, Mt 23, 1 – 12 Der Größte ist der Diener

31. Sonntag A, Mt 23, 1 – 12 Der Größte ist der Diener

 

Wenn ich wirklich mutig wäre, dann würde ich meine Predigt heute so anfangen: Lasst uns doch mal schauen wie das Evangelium aus der Zeit Jesu in der heutigen Zeit und Sprache uns was Hilfreiches zum Leben sagen kann.

In neuzeitlichem Text könnte es bei Matthäus dann ungefähr folgendermaßen heißen:

„Die Bischöfe, die Pastöre, die Diakone, die Religionslehrer verkünden das Wort Gottes und das ist gut so!

Danach sollt ihr Euch richten und danach handeln.

Aber nach ihrem Verhalten richtet Euch nicht!

Sie wollen Diener sein, aber am liebsten in den höchsten Positionen.

Was sie aus Gottes Wort machen, das sind schwere, zu schwere Lasten für Euch.

Sie selbst kümmern sich auch kaum darum und sie spielen sich in der Kirche, in der Gesellschaft und Öffentlichkeit auf, leben blendend und lassen sich zu gerne beweihräuchern.“

 

Natürlich bin ich nicht so mutig, meine Predigt so anzufangen.

Wahrscheinlich käme an vielen Stellen dann auch helle Empörung auf.

 

Oder meinen Sie, es würde sich keiner aufregen?

Vielleicht würden einige sagen, na ja, so pauschal kann man das auch nicht sagen.

 

Aber einige würden doch sagen: Jawohl, Genau, so ist das, das ist auch unser Eindruck.

Da werden aus Gottes Froher Botschaft schwere Lasten gemacht.

Da werden seit Jahrhunderten Fassaden aufrecht gehalten, die längst morsch sind und stinken. Da herrscht doppelte Moral und alles wird dann fein säuberlich unter dem Mantel scheinbarer Heiligkeit verborgen.

 

Wahrscheinlich gäbe es ja doch keine Empörung wenn ich meine Predigt so anfinge.

Vielen würde ich vielleicht genau aus der Seele sprechen.

 

Ehrlich, manchmal denke ich, Jesus würde wahrscheinlich heute genauso sprechen.

Jesus hat zu seiner Zeit kein gutes Haar an den religiösen Führern seines Volkes gelassen.

Bilden wir uns doch bloß nicht ein, dass er heute nicht mit uns ins Gericht gehen würde.

In dieser Kirche die ich liebe und unterstütze, die sich zu Recht auf ihn zurückführt, hätte er mindestens genau so viel zu beanstanden, anzuprangern und zu beklagen wie damals.

 

Wahrscheinlich würde er sagen:

Schaut nicht auf den Eiertanz, der da wegen Frauen in der Kirche oder wegen des Zölibats aufgeführt wird.

Schaut nicht auf die Richter, die gescheiterte Beziehungen verurteilen und keinen Neuanfang mit Liebe und meinem Segen zulassen.

Schaut nicht auf das Bild, das die Kirche gerade in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit abgibt. Schaut nicht auf dieses so traurige Bild.

Aber sicher würde er auch sagen: Diakon, mach mal halblang und übertreibe nicht. Viele haben Ihr Leben und ihren Dienst ganz in meinem Sinne gelebt. Meine Botschaft haben sie ehrlich gelebt und verkündet. Und DU Diakon, lässt es in vielem auch am guten Beispiel fehlen.

 

Wahrscheinlich würde er weiter sagen:

Leute, Freunde, Brüder und Schwestern, lasst Euch die Freude nicht nehmen, die Freude am Evangelium.

Lebt diese meine Frohe Botschaft vor Ort, in Euren Familien und Gemeinden.

Da wo der Nächste erfahren kann und spürt, wie gut es tut, wenn einer des Anderen Last trägt. Da wo man sich in der Not gegenseitig im Glauben tröstet und einander Halt gibt.

    

Spürt täglich wie gut das tut, wenn man Leben mit anderen gemeinsam, und aus der Verantwortung im Glauben heraus, sinnvoll und sinnbringend und hilfreich gestalten kann.

Darauf schaut Freunde, und dann lebt so.

Ihr dürft jede Stunde, jeden Tag und jedes Jahr neu anfangen, so wie Eure Kinder auch.

Dann seid ihr auf der richtigen Seite.

Umformulierten Seligpreisungen aus der Bergpredigt können uns vor Augen führen, wie unser Dienst im Geiste Jesu aussehen könnte:

 

 

„Selig der Mensch, der Stück für Stück
sein Leben in die Dienste der Mitmenschen stellt.
Selig die Füße, die stundenlang
über staubige Wege marschieren, um Kranken zu helfen.
Selig der Mund, der immer wieder
Worte des Mutes und des Trostes findet.
Selig die Hände, die frei sind,
um Ausgestoßene zu umarmen.
Selig die Ohren, die Tag und Nacht
offen sind, die Klage der Leidenden zu hören.
Selig die Augen, die sehen
die nicht-vergossenen Tränen der Armen.
Selig das Herz, das nicht müde wird
zu schlagen, um Wärme auszustrahlen.
Selig der Mensch, der sein ganzes Leben lang
ein Mensch bleibt.“

Amen.

33. So. Jk. A (Mt 25,14-30) – Talente

33. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A (Mt 25,14-30) – Talente

Das ist eine Sprache, die wir verstehen!

Da redet gerade in diesen Tagen jeder mit.

Wenn’s nämlich um Geld geht, dann sind diese Dinge sonnenklar.

Gar keine Frage: Wenn ich jemandem Geld anvertraue, dann möchte ich es auch wieder zurückbekommen. Und je mehr ich irgendwo anlege, desto größer muss der Betrag sein, der am Ende dabei herausspringt.

Das ist eine Sprache, die wir verstehen.

Ein besseres Bild hätte Jesus gar nicht wählen können.

Der Vergleich mit dem Geld macht am allerbesten deutlich, dass auch Gott ziemlich sauer reagiert, wenn mit seiner Kapitaleinlage leichtsinnig gezockt und nachlässig umgegangen wird. Wenn sein Vermögen missachtet oder in den Sand gesetzt wird – ist er genau so sauer, wie jeder andere Banker oder Investor auch.

Liebe Schwestern und Brüder,

wir müssen uns jetzt nur noch fragen, was ist das denn für ein Kapital, das Gott hier anlegen möchte.

Denn dass es ihm nicht um Geld geht, das ist eigentlich hinreichend bei jedem bekannt.

Aber was vertraut er uns hier dann an?

Was soll sich bei uns vermehren?

Und was fordert er von uns mit Zins und Zinses-Zins zurück?

 

Ich bin sicher, eine Deutung, die kennen Sie alle, und die ist ja so geläufig, dass sie selbst unsere Sprache geprägt hat. Nicht umsonst sprechen wir ja ausgehend von diesem Gleichnis des Evangeliums von Talenten.

Talente haben wir empfangen, innere Anlagen, unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten, die wir entfalten und ausbauen sollen.

Aber ich glaube, dass sich hinter diesem Evangelium eigentlich noch viel mehr versteckt. Ich glaube, dass Jesus mehr meint, als nur unsere Talente, Stärken und Anlagen.

Gott vertraut uns ganz andere Güter an.

Güter, die für ihn das wertvollste auf der Welt sind, weit wertvoller als alle Schätze, die wir uns ausmalen können.

Das, was er uns eigentlich anvertraut, das nämlich sind Menschen!

Jedem von uns vertraut er, so wie er den Dienern im heutigen Evangelium ganz gewaltige Schätze übergibt, jedem von uns vertraut er Menschen an.

Eltern werden ihre Kinder anvertraut, junge Menschen, die eine Zeitlang bei ihnen wohnen, die von ihren Eltern behütet werden, und die für sie sorgen, und deren Leben und Stärken sie mehren sollen.

Irgendwann später sind den Kindern dann ihre Eltern anvertraut, Menschen, denen sie gerade im Alter und bei Krankheit helfen können, dass die Qualität ihres Lebens nicht stärker leidet, als es unbedingt sein muss.

Ihm oder ihr ist der Partner oder die Partnerin anvertraut.

Uns allen aber auch all diejenigen, die allein nicht mehr zurechtkommen, die ganz einfache unsere Hilfe brauchen, und deren Los nicht zuletzt in unsere Hände gelegt ist.

Gott vertraut uns andere Menschen an, das Geschick seiner Geschöpfe, legt er in unsere Hände.

Und damit vertraut er uns im Grunde einander gegenseitig an – und selbst über Grenzen und Ozeane hinweg, wie sich im Engagement vieler Verler Bürger auch zeigt. Hospizarbeit, Krankenbesuche, Warenkorb, Hütti‘ Hilfe und andere caritative Dienste sind nur einige von vielen möglichen Beispielen.

Wir können uns jeden Tag und immer wieder gegenseitig beschenken, wir können einander das Leben mehren, und diesem Leben eine ganz neue Qualität geben.

Wir können es! Yes, we can! Und wir wollen es!

Und Gott baut darauf. Er baut darauf, dass das Vertrauen, das er in uns investiert, dass dieses Vertrauen Zinsen trägt.

Gut, er weiß auch, dass wir kaum Wunder vollbringen werden, dass wir Begrenzungen haben.

Er weiß wahrscheinlich weit besser als wir, dass wir Menschen nicht die Anlageform mit der höchsten Rendite sind.

Aber unser Gott sucht eben nicht die schnelle Mark.

Ihm scheint es zu reichen, wenn wir gemeinsam Schritt für Schritt der Fülle des Lebens – langsam – immer näher kommen – und auch wenn wir dabei nicht immer messbaren Ertrag bringen, und der Gewinn von manchen nicht gesehen wird.

Wenn wir Gottes Vertrauen nicht enttäuschen weil wir uns anstrengen, dann dürfen wir sicher sein, dass er am Ende dann, wenn er das Leben von uns zurückfordert, dass er dann ganz sicher auch zu uns sagen wird:

„Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, komm, nimm teil an der Freude deines Herrn.“


 

4. So. Fastenzeit B (Joh 3,14-21) Laetare – Gerechtigkeit

Predigt 4. Sonntag der Fastenzeit B (Joh 3,14-21) Laetare – Gerechtigkeit

Sie kennen wahrscheinlich alle die Geschichte aus dem kurzen Buch Jona, wo es um den Propheten geht, denn Gott nach Ninive schickt.

Ninive ist eine große alte Stadt im heutigen Irak, dort soll, damals jedenfalls, das Böse seine Auswüchse haben und nahezu jeden betreffen.

Und Jona will, dass Ninive endlich bestraft werden soll und dass Gott diese Stadt zerstört. Alles soll dem Erdboden gleich gemacht werden.

Aber – der Herr tut es nicht, und Jona ist böse, ja zornig auf Gott heißt es, weil er offenbar so ungerecht ist. Jona ist böse, weil Gott wieder mal die Sünder verschont und am Leben läßt.

Und was sagt Gott zu Jona? „Mir sollte es nicht leid tun um Ninive? diese große Stadt mit mehr als 120.000 Menschen die da leben und dazu noch das ganze Vieh?“.

 

Liebe Kinder, liebe Schwestern und Brüder,

ich bin begeistert. So ist unser Gott!

So schnell greift unser Gott nicht ein und lässt Feuer vom Himmel fallen, nicht auf die Bösen und Ungerechten und schon gar nicht auf die Unschuldigen.

Das mögen Menschen nicht verstehen, der eine oder andere von Ihnen vielleicht auch nicht. Menschen verlangen immer nach Gerechtigkeit, vor allem bei Gott.

Gott muß die Menschen doch nach ihren Taten beurteilen.

Er muß doch all die, die Schlechtes und Böses tun bestrafen!

Und wenn er das nicht in diesem Leben, bei den Lebendigen macht, dann doch wenigstens sollen sie nach dem Tod schmoren und büßen.

Wahrscheinlich hat diese Auffassung was mit dem Hunger nach Gerechtigkeit der Menschen zu tun.

 

Liebe Kinder, liebe Erwachsene, da kann ich nur warnen, sich in der Beurteilung Gottes von solch einem Gerechtigkeitshunger leiten zu lassen.

Wer nach dieser Gerechtigkeit verlangt und Gott dazu zwingen möchte andere Menschen und dadurch natürlich auch sich selbst, nach diesen Gerechtigkeitskriterien zu beurteilen – also der tut mir wirklich leid – denn das ist dann einer der wenigen, der sich in der Hölle wiederfinden wird.

Wie kommen Menschen eigentlich dahin, sich auf ihre eigene Gerechtigkeit so viel einzubilden?

In der Bibel heißt es ohne dass man daran etwas interpretieren könnte ganz eindeutig und klar: Keiner – nicht mal einer, wird nur durch das Erfüllen der Gebote, durch das Bauen auf seine eigene Gerechtigkeit das Heil erlangen.

Allein dieser Weg führt keinen Menschen zum eigentlichen himmlischen Ziel. Paulus sagt uns ganz klar und eindeutig: Das Gesetz spricht am Ende jedem den Tod zu.

Das mögen sich doch mal alle, die von Gott verlangen, dass er nach Recht und Gesetz zu urteilen habe, ganz deutlich vor Augen halten.

 

Wir alle, jeder von uns, selbst der Politiker muß damit aufhören, die eigene Leistung in den Vordergrund zu rücken.

Wir alle müssen aufhören wollen, danach beurteilt zu werden was wir tun und was in uns steckt.

Im Stillen und Geheimen wird jedem von uns klar, wie blamabel das ausgehen würde!

 

Gott sei Dank, ist Gottes Gerechtigkeit eine andere als unsere.

Die Geschichte von Ninive und Jona macht das ganz klar und deutlich und das Gleiche hören wir im heutigen Evangelium, der wirklich Frohen Botschaft.

 

Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit er den Mist, den wir gemacht haben wieder richtig macht und so die Menschen und die Welt rettet.

Gott leidet mit jedem Menschen, jedem Einzelnen. Gott fühlt mit jedem Einzelnen und will keinen, gar keinen verlieren.

Weder Sie, weder Euch, nicht mal mich, kein Kind, keinen Erwachsenen, keinen Soldaten in Afghanistan, kein Kind im Schulbus in der Schweiz – nein er will nicht mal die Tiere verlieren.

 

 

 

 

 

 

 

Und was müssen wir dafür tun. Das Einzige ist: Wir müssen Gott diesen Wunsch, diesen Willen auch abnehmen.

Wir müssen Gott glauben, dass er unser Heil möchte, dass er uns das Leben schenkt, dass er unseren Namen kennt und es unendlich gut mit uns meint.

Wer das glaubt, wird nicht gerichtet, sagt das heutige Evangelium. So geht Frohe Botschaft!!

 

Unser Gott beurteilt uns als erstes nicht nach dem was wir tun oder was wir nicht tun.

 

Gott beurteilt uns ausschließlich nach seinen Kriterien, nach seinen Maßstäben.

Und dieser Maßstab ist nur und ausschließlich seine Liebe zu und Menschen.

 

Sie kennen wahrscheinlich alle dieses dümmliche Karnevalslied: „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel!“ Liebe Mitchristen – weil wir so brav sind – sicher nicht!

Aber weil Gott uns liebt, und weil und wenn wir ihm das glauben und abnehmen.

 

Wenn wir uns von ihm an die Hand nehmen lassen und zu ihm führen lassen, deshalb könnte es aber tatsächlich so sein.

Und wenn es nach Gott geht – dann wird es auch so sein, „denn dies hat Gott uns zugesagt: Wer an mich glaubt, sei unverzagt!“

5. So. Osterzeit B „Weinstock“ (Mai 2012)

5. Sonntag Osterzeit B „Weinstock“ (Mai 2012)

Rehagel, Daum, Klinsmann, die anderen vielen Namen fallen mir nicht ein. Aber das sind oder auch waren alles Trainer von angesehenen Fußballvereinen. Und bumms – weg waren sie – oft über Nacht. Viele wären gerne geblieben, trotz allem was gegen das Dableiben sprach: Die Serie von Niederlagen, der drohende Abstieg, die Pfiffe der Fans, vielleicht auch der Aufstand der Mannschaft. Und dann natürlich, die Besserwisser in Presse und Fernsehen.

Mancher der Trainer hätte sicher gerne noch bewiesen, dass sein Konzept doch funktioniert, dass sie damit doch aufsteigen oder Meister werden können. – aber wer weiß?

Der Verein, der Vorstand, die Mannschaft stand nicht mehr hinter ihnen. Um mit der Bibel zu sprechen: Die Reben verließen den Weinstock. Beim Fußball ist es genau anders als in der Bibel. Da wird der Weinstock gerodet – der Trainer – und man behält die Reben. Ob die Spieler mit einem neuen Trainer Frucht bringen oder ob sie verdorren, wird sich zeigen, spätestens zum Ende der Saison.

Wenn es nicht mehr weitergeht, wenn es nicht mehr auszuhalten ist, muss einer gehen.

Klinsmann, Daum, Rehagel sind da nur einige von vielen.

Viele Menschen halten es in Deutschland nicht mehr aus. Rund 150.000 gehen jedes Jahr ins Ausland; es gibt Fernsehserien, die über die Auswanderer berichten.

Und auch in unserem Land verlassen Menschen ihre Heimat, ziehen vom Osten in den Westen, vom Norden in den Süden, der Arbeit hinterher.

Wenn Beziehungen nicht mehr stimmen, wenn Ehen kriseln, dann geht einer, zieht aus. Manchmal gehen sogar beide, und nur noch die Kinder bleiben in der gemeinsamen Wohnung zurück.

Irgendwann gehen auch die Kinder aus dem Elternhaus, um zu studieren oder um eine eigene Familie zu gründen, ihr eigenes Haus zu bauen.

Aber wer geht, lässt jemanden zurück.

Bei den Auswanderern sind es die Nachbarn und Freunde, die zurückbleiben. Die Gemeinden, die – gerade im Osten Deutschlands, ich habe es diese Woche gesehen – geradezu entvölkert werden und sich nicht mehr entwickeln können.

In den gescheiterten Beziehungen und Ehen bleibt eine oder einer zurück mit der Verantwortung für die Kinder, mit dem Gefühl, in den Scherben sitzen zu bleiben.

Und wenn die Kinder ausgezogen sind, sitzen die Eltern in dem nun stillen Haus und spüren mit einem Mal, wie alt sie geworden sind.

Auch Jesus befürchtet, dass seine Jünger gehen könnten. Das ganze Evangelium hört sich an wie ein Werben ums Dableiben. So, als seien die Jünger schon auf dem Sprung und müssten auf alle nur erdenkliche Weise vom Bleiben überzeugt werden.

Darum spricht Jesus vom Weinstock und seinen Reben: Ein Stamm und seine Zweige – enger kann man nicht verbunden sein. Ohne Verbindung zum Stamm muss der Zweig vertrocknen. Ohne den Weinstock kann die Rebe nicht existieren.

Jesus wirbt für’s Bleiben – dabei ist er es, der geht.

Was Jesus seinen Jüngern von sich als dem Weinstock und ihnen als den Reben sagt, steht in den „Abschiedsreden“ des Johannesevangeliums: Vier lange Kapitel, die Johannes vor den Beginn der Leidensgeschichte gestellt hat, vor den langen Abschied, der durch die Tiefe des Todes in himmlische Höhen führt. Ein Abschied, der Jesus endgültig von seinen Jüngern trennt – um ihn so für immer mit ihnen zu verbinden.
Und zu dem Wissen um die nahende Trennung von den Jüngern kommt die Ahnung, dass die Jünger sich von ihm trennen könnten, wenn er erst nicht mehr da ist.

Denn es ist nicht leicht, mit jemandem verbunden zu bleiben, den man nicht mehr sieht.

Davon können alle ein Lied singen, die versuchen, eine Wochenendbeziehung zu führen. Die eine Freundschaft zu jemandem aufrecht erhalten wollen, der oder die in eine andere Stadt, ein anderes Land gezogen ist. Die die Verbindung zu den Eltern, den Großeltern oder den Verwandten halten wollen, nachdem man eine eigene Familie gegründet hat.

Jesus will, dass seine Jünger bleiben. Dass sie „in ihm“ bleiben, wie die Rebzweige am Weinstock. Und dass sie seine Jünger bleiben.
„Bleib doch noch “ – so bitten Eltern ihre Kinder, bittet die Oma den Enkel. Aber es drängt sie hinaus, die Kinder, die Enkel, den Partner, sie wollen nicht bleiben.

Jetzt könnte man auch klagen über die, die nicht in der Gemeinde bleiben wollten, nicht in der Kirche; die irgendetwas – oder irgendwer – hinausgedrängt hat.

Wer zurückbleibt, bittet, klagt. Und droht vielleicht auch manchmal unverhohlen, wie Jesus den Zweigen droht, die sich partout vom Weinstock trennen wollen: „Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen.“
Ob seine Drohung Erfolg hatte? Oder provoziert sie nicht dazu, jetzt erst recht den Schnitt zu machen?
Wer zurückbleibt, hat nicht viel mehr als Worte, um den aufzuhalten, der davonziehen will.

Wer zurückbleibt, hat nicht viel mehr als Worte.
Was vermögen Worte gegen den Reiz des Neuen, gegen die Verlockungen des Aufbruchs, gegen ein neues Leben?
Worte haben keine Kraft; sie können einen Menschen, der gehen will, nicht aufhalten.
Und zugleich haben Worte alle Macht der Welt.

Worte können, wie Jesus sagt, „rein“ machen: Sie können reinen Tisch machen und Fehler und Schuld vergeben; sie können einen Menschen anders da stehen lassen, als andere ihn sehen; sie können ein neues Leben schenken mitten im Alten.
Worte können den abwesenden Menschen ganz nah sein lassen – auch ohne SMS und eMail.
Worte können Sehnsüchte und Träume wecken, Worte können Dinge, Menschen, die Welt verändern. Worte können am altbekannten Ort alles neu erscheinen lassen.

Jesus kommt zu uns durch das Wort, und wir bleiben durch das Wort mit ihm verbunden, ob wir gehen oder bleiben. Auch wenn wir gehen, wird die Verbindung nicht zerreißen. Aber wir müssen nicht gehen, um neue Dinge, neue Welten zu entdecken.
Jesus, das eine Wort Gottes, macht uns frei zu entscheiden, ob wir gehen wollen oder bleiben. Wir müssen nicht. Wir können uns entscheiden.

Auch dafür, zu bleiben.