Dreifaltigkeitssonntag 2012 – Kolpingschützenfest

Dreifaltigkeitssonntag 2012 – Kolpingschützenfest

„Der liebe Gott sieht alles!“ -Das ist ein Satz, der vielen Menschen Angst macht und auch Angst gemacht hat.

Kann ich verstehen, denn lange Zeit wurde – gerade in der Erziehung oder im Religionsunterricht – mit diesem Satz Druck gemacht.

Eltern, Lehrer und auch Vertreter der Kirche haben bei diesem Satz häufig den Zeigefinger erhoben und gesagt: „Denk daran, mach nichts Böses, Falsches oder gar Unanständiges; Gott sieht alles! Und er wird dich zur Rechenschaft ziehen.“

Und besonders deutlich wurde diese Aussage dann noch mit der Darstellung eines Dreiecks gemacht, in dem sich ein Auge befand. Die Älteren unter uns haben das oft gesehen. Das Dreieck stand für dieDreifaltigkeit Gottes – Vater, Sohn und Heiliger Geist – und das Auge dafür, dass er uns überwacht. Viele alte Künstler haben versucht die Dreifaltigkeit so darzustellen.

„Ein Auge ist, was alles sieht, selbst was in dunkler Nacht geschieht.“

Das hat Angst gemacht. Angst vor einem Gott, der alles kontrolliert, jedes Fehlverhalten des Menschen merkt und aufschreibt und jedem und jeder am Ende des Lebens die Rechnung präsentiert.


Die Bibel kennt Gott als einen Richter. An vielen Stellen steht das so und ich glaube, das ist auch so. Wir dürfen und können nicht tun was wir wollen. Gott hat eine Erwartungshaltung an uns.

Gott verlangt Rechenschaft von uns! Er wird fragen: Warum warst Du oft so lieblos? Was hast Du den Kindern, die ich Dir geschenkt habe, vorgelebt? Warum hast Du nicht die Hand zur Versöhnung gereicht?

Und nicht nur mit mir wird er ein ernstes Wort reden, und jeder von uns wird spätestens dann erkennen wie traurig wir Gott unseren Schöpfer gemacht haben.

Aber Gott wird sicher am Ende der Tage wieder für Gerechtigkeit sorgen, indem er als Richter

das wieder richtig macht, was wir falsch gemacht haben,

indem er da heilt, wo wir unheil waren, indem er da liebt wo wir lieblos waren und versagt haben.

Und Gott wird die wieder aufrichten und froh machen, die ganz unten waren, kaputt, gedemütigt, zerstört. Auch alle die, die unter die Räder gekommen sind, wird er zu einer neuen Größe führen und ein neues Gesicht geben.

 

Und zur biblischen Botschaft gehört genauso das Bild von Gott als dem barmherzigen Vater, der sich freut, dass der verlorene, der missratene, der vom Wege abgekommene Sohn wiederkommt.

Der dem Sohn – und der Tochter auch nicht, keine Vorhaltungen macht, sondern ihn oder sie bedingungslos wieder aufnimmt, ohne Bedingungen.

 

Der Satz: „Gott sieht alles“ muss mir keine Angst machen, ganz bestimmt nicht!

Im Gegenteil, dieser Satz, er kann befreien, er kann mir Luft geben.

Denn hier ist einer der mich einfach nur lieb hat und dem kann ich nichts vormachen – und dem muss ich auch nichts vormachen.

Bei ihm muss ich nicht so tun, als sei ich immer gut, als sei mein Verhalten und mein Leben und mein Denken immer einwandfrei.

Mein Gott kennt meine Schattenseiten, meine Ecken und Kanten. Mit ihm und zu ihm kann ich immer und in jeder Situation ganz ehrlich sein. Und das schöne ist: alles bleibt unter uns. Und wenn Jesus sagt: Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage, dann meint er auch: Ich geh mit Euch, und ich bin in Euch – immer!

Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern erkennst du meine Gedanken.

Ob ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt; du bist vertraut mit all meinen Wegen.

Noch liegt mir das Wort nicht auf der Zunge – du, Herr, kennst es bereits.

Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich.

Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen.

Adolf Kolping hat das begriffen. Darum konnte er diese mittlerweile weltumfassenden Kolpingfamilien initiieren und Leben geben.

 

Darum feiern wir eigentlich jeden Tag und jeden Sonntag „Schützenfest“. Denn Schützenfest kommt nicht von schießen, sondern von beschützen und beschützt sein.

22. So. Jk. B (Mk 7,1-8. 14-15. 21-23)

22. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B (Mk 7,1-8. 14-15. 21-23)

Da ist schon was dran an diesem alten Gebot, dass man sich kein Bildnis machen dürfe. Im Judentum und auch bei den Gläubigen des Islam hält man sich ja bis heute an diese Anordnung.

Jeder von uns weiß, dass Bilder zwar helfen, sich Dinge besser vorstellen zu können: Aber Bilder haben auf der anderen Seite auch eine ungeheure Macht. Sie setzen sich in unserem Kopf so fest, dass wir uns eine Sache oder eine Person am Ende fast gar nicht mehr anders vorstellen können, dass das Bild geradezu zum Ersatz für die Wirklichkeit wird.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich habe mir gerade in Vorbereitung zu dieser Predigt viele Bilder, Gemälde und Figuren aus der Entstehung der Christenheit angesehen. Und dabei habe ich mir immer wieder gesagt, dass kein einziges dieser Bilder wirklich zeigt, was sich damals ereignet hat.

Kein einziges Gemälde zeigt die Gottesmutter oder Johannes den Täufer so, wie sie wohl ausgesehen haben.

Kein Bild zeigt Jesus so, wie sein Äußeres damals war.

Keine Krippe zeigt, wie die Geburt Jesu wirklich war.

Vom Heiligen Geist brauchen wir gar nicht zu reden.

Aber all diese Darstellungen haben unsere Vorstellung so geprägt, dass sie uns unwillkürlich einfallen, wenn wir an diese Personen oder die entsprechenden Ereignisse denken.

Und was sich einmal in unserer Vorstellung, in unserem Kopf festgesetzt hat, das ist nur ganz schwer wieder da ‚raus zu bekommen.

Natürlich wusste man immer auch im Christentum um diese Gefahr.

Aber man wusste auch darum, dass man ihr mit einem bloßen Verbot von Bildern nicht wirklich bei zu kommen ist.

Auch Israel damals hatte – trotz allem Bilderverbot – mit Vorstellungen zu kämpfen, die offenbar nicht dem entsprachen, was Gott eigentlich wollte.

Man hatte zwar kein echtes Bild von Gott, aber man hatte trotzdem seine ganz festen Vorstellungen. Man glaubte ganz genau zu wissen, wie Gott war, was er wollte – und vor allem, was er nicht wollte.

Und dafür wurden bis heute Regeln aufgestellt.

Jesus hatte offenbar seine liebe Not mit diesen „Satzungen und Geboten von Menschen“, wie er sagt. Und er versucht den Menschen seiner Zeit klar zu machen, dass sie zwar glauben, Gottes Gebote zu befolgen, dass sie dabei aber darauf reinfallen auf die Vorstellungen, die sich Menschen gemacht haben, Vorstellungen, die mit der Wirklichkeit Gottes aus der Sicht Jesu offenbar nur wenig zu tun hatten.

Davor sind wir Menschen nie geschützt. Die Geschichte ist voll von zum Teil grausigen und schrecklichen Beispielen dafür.

Am deutlichsten wird das am Beispiel der Kreuzritter, die mit dem Ruf „Gott will es!“ in ihre Schlachten geritten sind und zig- tausende im Namen Gottes erschlagen haben. Folter und Hexenverbrennungen im Auftrag der Kirche können das kaum noch toppen.

Dabei will Gott – nach all dem, was wir von Jesus von Nazareth wissen – nichts weniger, als das.

Aber wie oft hat man Gott und seinen vermeintlichen Willen für Kriege missbraucht oder damit gerechtfertigt, anderen Menschen das Leben schwer zu machen und unendliches Leid zuzufügen.

Wie oft schon wurde mit „Vorgaben und Satzungen von Menschen“ die Wirklichkeit Gottes ganz einfach verstellt, schlicht weg verfälscht – oft aus lauter Eigennutz.

Darum ist es wichtig, die eigenen Vorstellungen immer wieder zu überprüfen.

Sind es Bilder, sind es Vorstellungen die ich von den Generationen vor mir einfach übernommen habe, sind es meine eigenen Gedanken, mein selbstgestrickter Glaube, alles Bilder, die sich in meinem Kopf zur Wahrheit, zur Wirklichkeit verfestigt haben, aber dennoch nichts anderes sind als eben meine Phantasien und „Satzungen von Menschen“ – hier auch von unserer Kirche?

Wo ist wirklich das zu spüren, was Gott eigentlich möchte? Auch von mir? Und wo gehe ich, gehen viele von uns – im besten Glauben – aber nichtsdestoweniger meilenweit an ihm, unserem Gott vorbei?

Ich muss mir in meinem Glauben und dem was ich tue, dieser Frage immer wieder stellen und wir als Kirche – unten und ganz oben – müssen es genauso tun.

Und immer dort, wo mit Behauptungen, mit Lautstärke, Dominanz und wenig Toleranz immer wieder ganz fest behauptet wird, dass es so, aber auch nur so ginge und dass Gott dies und auch nur dieses wolle und dass er unter keinen Umständen jemals etwas anderes gewollt hätte, dort sind meist ganz besonders große Fragezeichen mehr als nur angebracht.

Eins hat Jesus uns immer wieder, in allen möglichen Variationen gesagt: Liebt einander, wie ich Euch geliebt habe.

Das ist mein Gebot! Und danach kommt lange nichts!

(Liebe Messdiener und Kinder, wenn Ihr das behaltet: Liebt einander, wie ich Euch geliebt habe, dann habt Ihr von der Predigt, von dieser Messe und überhaupt von Eurem Glauben das Wichtigste verstanden!)

Und was Gott angeht, sein Reich und die Zukunft, die er für mich und für Sie und für alle bereitet, was Gott angeht ist – denke ich – nur eines ist wirklich ganz, ganz sicher:

Die Begegnung mit ihm, jene andere Größenordnung von Wirklichkeit, die wir Reich Gottes nennen, all das wird ganz anders sein, ganz anders, als wir uns das vorstellen.

Ich freue mich trotzdem, – nein ich freue mich genau deswegen darauf.

28.10 2012 Kolpinggebetstag- Weltmissionssonntag

Predigt 27./28.10 2012 Kolpinggebetstag- Weltmissionssonntag – St. Judas Thaddäus

Was predigt man denn am Kolpinggebetstag- Weltmissionssonntag und Patronatsfest

St. Judas Thaddäus um allem und allen gerecht zu werden?

Beim Kolpinggebetstag beten wir um die Heiligsprechung von Adolf Kolping.

Beim Weltmissionssonntag beten wir um die Ausbreitung im Glauben und zum Judas Thaddäus beten wir in schwierigen und aussichtslosen Situationen.

 

Wie Sie beten und wann Sie beten, ob überhaupt – weiß es nicht.

Ist aber doch überhaupt die Frage: Wie betet man richtig?

Vieleicht so wie das Abendgebet von Joachim Ringelnatz:

Lieber Gott, recht gute Nacht,
ich hab noch schnell Pipi gemacht,
damit ich von dir träume.
Ich stelle mir den Himmel vor
wie hinterm Brandenburger Tor
die Lindenbäume.
Nimm meine Worte freundlich hin,
weil ich schon so erwachsen bin.

Oder vielleicht wie der kleine Junge aus dem Kindergarten:

„Lieber Gott, heut‘ war es gar nicht schön. Der Moritz hat mich gehaut. Dann habe ich ihn auch gehaut. Schlaf‘ gut, lieber Gott.“

 

Vielleicht kann man auch so beten wie dieser einfache Bauer:

Wenn der Tag zu Ende war und der Bauer sein Abendgebet verrichten wollte, dann fehlten ihm oft die Worte. Er konnte sich anstrengen, so viel er wollte, aber vor lauter Müdigkeit und Sorgen hatte er alle Gebete vergessen, die er konnte. An einem dieser Abende nun trat der Bauer hinaus unter den Sternenhimmel und überlegte, wie er denn nun die rechten Worte finden sollte. Und schließlich sammelte er sich und sagte andächtig das ganze Alphabet vom ersten bis zum letzten Buchstaben. „Guter Gott“, sagte er dann, „du bist allmächtig und weißt, wie die richtigen Worte heißen. Nimm mein Gebet an, besser kann ich es nicht.“ Und die Engel im Himmel freuten sich über seine ehrliche Andacht und verstanden sein Gebet.

 

Am besten gefällt mir folgende Begebenheit:

Ein Mann besucht jeden Mittag um 12 Uhr eine Kirche. Er geht hinein und nach kurzer Zeit wieder raus. Eines Tages fragt ihn der Pfarrer neugierig: „Was machen Sie denn da jeden Mittag?“
„Ich bete“, sagt der Mann. „Sie beten, so kurz?“, fragt der Pfarrer. „Ja, ich sage: Hallo Jesus. Hier ist Johannes! Mehr kann ich nicht beten“, erklärt der Mann.
Eines Tages kommt Johannes ins Krankenhaus. Und obwohl er schwer krank ist, ist er sehr gelassen und immer guter Laune. „Wie machen Sie das, dass Sie immer gut drauf sind?“ fragen ihn die Leute.

Da sagt Johannes: „Das liegt an meinem Besuch.“ Alle wundern sich, denn bisher hat noch keiner gesehen, dass Johannes Besuch bekommen hat. „Doch“, sagt der, „jeden Mittag um 12 steht er an meinem Bett und sagt: „Hallo Johannes. Hier ist Jesus!“

Ich mag diese Geschichte, weil sie zeigt, dass auch schon eine ganz kleine Verabredung mit Gott das Leben verändern kann.

Viele Menschen sprechen mit Gott, so wie Jahrhunderte gelehrt wurde: vorsichtig und unterwürfig. Sie suchen brave Worte für ihr Gebet. Sie trauen sich nicht, Gott zu widersprechen. Protestieren nicht gegen Zumutungen. Zu groß ist die Angst, etwas falsch zu machen.

„Ich kann doch nicht einfach so beten, wie mir der Schnabel gewachsen ist? Kann doch nicht alles sagen, wie es gerade kommt? Gott widersprechen?“ Wo bleibt da die Ehrfurcht?


Genau hier widerspreche ich.

Denn das sehe ich anders!

Beim Beten gibt es keine Vorschriften und keine Zensuren.


Wenn Gott ein liebender Gott ist, zu dem ich Vater sagen darf, dann darf ich ihm beim Beten auch alles ins Gesicht sagen.

Beim Beten darf ich wirklich sagen: „Heute ist nichts in Ordnung, und ich klage dich an, Gott. Ich klage dich an, und ich bin nicht einverstanden“.

Not lehrt beten, sagen manche Menschen – das Zitat wurde von Adolf Kolping ausgeliehen.

Aber Not lehrt auch klagen, schimpfen und jammern, ja selbst fluchen! Klage ist ungefiltert, direkt, heftig und sie darf es sein.

Da ist alles erlaubt, jedes Wort. Wie gesagt: Gott hält das aus! Was wäre er auch für ein Gott, wenn er uns unterwürfig haben wollte, und ängstlich? Vor ihm dürfen wir gerade und aufrecht stehen heißt es in einem Hochgebet.
In den Psalmen der Bibel finde ich genau diese ungeschminkten Worte. Was haben manche Beter mit ihrem Gott geschimpft. (Psalm 69)

„Ich habe mich müde geschrien.

Mein Hals ist heiser.

Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange warten muss auf meinen Gott“, betete da einer und rückt mit seiner Klage Gott ziemlich nah.

Und ich bin sicher: genau deshalb ist umgekehrt Gott auch diesem Beter sehr nah!

 

Über dem Beten vergeht die Bitterkeit, sagt Kolping und ich erfahre das immer wieder, wenn ich für Menschen bete, die mich geärgert haben oder die ich nicht so gut leiden kann.

 

Der dänische Theologe Sören Kirkegaard schreibt: Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger und weniger zu sagen. Zuletzt wurde ich ganz still.

Ich wurde, was womöglich ein größerer Gegensatz zum Reden ist, ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden.

Ich lernte aber, dass Beten nicht nur Schweigen ist, sondern auch Hören.

 

So ist es auch: Beten heißt nicht immer, sich selbst reden zu hören, Beten heißt oft, still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört.

Ich hoffe, ich habe sie jetzt nicht zu sehr verwirrt.

Es gibt nichts, was man Gott nicht sagen kann.

Es gibt nichts was im Gespräch mit Gott falsch ist.

Nur ehrlich und aufrichtig müssen unsere Gedanken, unsere Worte oder unser Lied sein.

 

Ich kann am besten abends beten. Wenn alle bei uns im Haus schon schlafen. Meinen Krimi habe ich dann weggelegt.

Ein kleines Holzkreuz, das immer auf meinem Nachttisch liegt nehme ich in die Hand und werde eine kurze Zeit ganz still, versuche ganz auszusteigen aus meinem Alltag, für ein paar Atemzüge.

Und dann sammle ich alles was mich an dem Tag bewegt hat, was ich getan und gearbeitet habe, aber auch meinen Ärger, meine Verletzungen, meine Schuld, meine Unsicherheit und meine Überheblichkeit, meine Hoffnungen und meine Sehnsüchte. Nichts ist falsch, nichts ist zu groß, nichts ist unverschämt oder zu albern und alltäglich.

Jeden Abend – es gelingt mir tatsächlich- buchstabiere ich Gott mein Leben.

Und meine Worte sind bestimmt nicht klug, ich will für Gott nichts in schönen Farben malen, nichts korrigieren.

Alles was geschehen ist halte ich vor Gott und vertraue darauf, dass er es versteht.

Ich warte auf ihn. Gott wartet auf mich – und manchmal treffen wir einander. Das ist schön.

 

Entschuldigung, war ein bisschen länger heute – aber beim Beten kann man auch ganz schön ins Plaudern kommen.

Amen.

 

Ach, eins noch. AMEN ist das wichtigste Wort beim Beten.

Amen – Jawoll, so ist es. So meine ich das. Ganz ehrlich.

Amen – So soll es sein.

AMEN.

EPIPHANIE – Heilige Drei Könige 2012

Predigt EPIPHANIE – Heilige Drei Könige 2012 (Sürenheide)

 

Die Geschichte im Evangelium kennt doch wohl jeder!

Die Sterndeuter aus dem Osten, die Weisen oder eben auch die Heiligen Drei Könige, sind aus der Weihnachtskrippe nicht wegzudenken. Sie gehören zum Inventar der Weihnachtszeit, Figuren, die uns vertraut sind.

Unsere Sternsingerinnen und Sternsinger machen es uns vor: Sie schlüpfen in die Rolle der

Könige. Und kommen damit der Wahrheit ganz nahe, denn die Könige – so glaube ich – haben

mehr mit uns zu tun, als wir denken.

Ich sehe drei Menschen auf der Suche. Drei Menschen mit einer Sehnsucht, die so groß ist, dass sie ins Unbekannte aufbrechen.

Wir wissen nichts über ihr persönliches Leben, aber eines steht doch fest: Mag es noch so

prächtig gewesen sein, es fehlte etwas, es war nicht komplett. Und diese Lücke, diese

Sehnsucht hat sie so gequält, dass sie dafür alles zurückgelassen haben und

aufgebrochen sind.

Das, was sie suchten, war ihnen wichtiger als alles, was sie in ihrem Leben schon gefunden hatten.

Gibt es solche Momente in unserem Leben auch?? Dass uns im Ablauf unserer Tage und

bei allen gelungenen Erfahrungen doch gelegentlich ein Gefühl überkommt: Das kann noch

nicht alles gewesen sein. Da sind noch zu viele Lücken in unserem Leben und in unseren

Erfahrungen, und uns packt eine Sehnsucht, aufzubrechen, Neues zu wagen.

Aufbrechen allein ist zu wenig

Wir haben ein Ziel: die Begegnung mit Gott auf unserem täglichen Weg und am Ende unseres Lebens. Und alles was darauf zuläuft, das ist der richtige Weg dorthin.

„Erscheinung des Herrn“ feiern wir heute.

Gott kommt in diese Welt, damit wir ihn suchen und auch finden.

 

Wir suchen Gott, auch in diesen Tagen, in unserer oft so unverständlich furchtbaren

Welt zu finden, trotz aller grausamen Kämpfe im Gaza-Streifen und Syrien und an so vielen Stellen der Welt, trotz der Amokläufe an Schulen mit unvorstellbar tödlichen Ergebnissen, trotz der schlimmen Sachen mit den Frauen in Indien und überall auf der Welt.

Und dennoch ist unsere Suche nach Gott nicht hoffnungslos.

Es gibt auch in unseren Tagen Zeichen , die uns den Weg weisen.

Vielleicht sehen wir sie vor lauter Sternen nicht mehr.

Doch, dass in diesen Tagen –zig Tausende von Kindern und Jugendlichen mit ihren erwachsenen Begleitern oft bei Schnee – bei uns Regen – und Kälte ausgehalten haben, um von Gottes Menschwerdung Zeugnis abzulegen um allen Menschen Gottes Segen zu bringen und für bedürftige Kinder in Tansania und vielen Orten der Welt zu sammeln – ist das kein Zeichen?

Was brauchen wir mehr?

Es gibt so viel Einsatz und Liebe wahrzunehmen auch in unseren Gemeinden.

Dies ist alles nicht selbstverständlich, sondern Hoffnungszeichen genug, um immer wieder aufzubrechen und nach dem Quell aller Liebe, nach Gott zu suchen.

Und Ankommen ist wichtig!

Am Ziel anzukommen, das Gesuchte zu finden, das kann manchmal eine große

Überraschung sein. So ist es sicherlich den drei Königen auch ergangen. Ein hilfloses Kind im Stall hatten sie nicht erwartet. Und dennoch wussten sie sofort, dass sie am Ziel waren – obwohl alles ganz anders war, als gesucht und erträumt.

Ich glaube, so wird uns das auch gehen.

Wenn wir am Ziel angekommen sind, werden wir es wissen.

 

Und was kann ich anderes machen als wie die Weisen, wenn ich dann Gott begegne, als –

niederzuknien und anzubeten?

Das ist ja das Wunderbare an unserem Glauben, das manchen Mitmenschen nicht nachvollziehen können:

 

 

Ganz unten, wenn ich mich klein mache, wenn ich allen Größenwahn aus meinem Hirn streiche, dann begegne ich Gott auf Augenhöhe.

Und – lernen wir von den Königen – Heimkehren ist entscheidend.

„… zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.“

Dieser letzte Halbsatz ist für mich sehr wichtig.

Im Evangelium soll er nur ausdrücken, dass die Sterndeuter auf ihrem Heimweg Herodes aus dem Weg gingen, um ihn nicht auf die Spur Jesu zu führen.

Doch für mich hat er eine übertragene Bedeutung. Zunächst sagt er erst einmal aus, dass die

Sterndeuter an den Ort ihres Aufbruchs zurückkehren. Sie steigen nicht einfach aus ihrem

Alltag aus, sondern wieder ein, total verändert wieder ein.

Das Ziel der Könige war die Begegnung an der Krippe, doch zum „Auf den Weg machen“ gehört auch das Heimkehren: anders heimzukehren, als man aufgebrochen ist.

 

Die drei Könige haben die Daheimgebliebenen nicht vergessen, sondern werden ihnen – so glaube ich – bei ihrer Heimkehr von dem erzählt haben, was sie erlebt haben, wer ihnen wie begegnet ist: Nämlich der große Gott in einem kleinen Kind.

Aufgebrochen sind sie mit dem Stern vor Augen, einem großen, kosmischen Zeichen; sie kehren heim mit dem Blick für das Kleine – das scheinbar Unbedeutende; sie kehren heim mit einem Kind in ihrem Herzen.

Nach diesem Wochenende kehren viele in ihren Alltag, morgen an ihre Arbeitsplätze, oder in

die Schule zurück. Andere fahren heim vom Besuch ihrer Eltern oder aus dem

Schneeurlaub.

Kehren wir verändert zurück? Hat das Weihnachtsfest bei uns beeindruckende Spuren hinterlassen?

Oder ist alles so wie vorher – nur vierzehn Tage später?

 

Wir können so viel von den Königen lernen:

innerlich aufbrechen und uns öffnen und uns auf das Unerwartete einlassen;

Gott anrufen und zu ihm beten, ihm alles sagen – unsere Klage und unsere Bitten -,

ihm unsere Geschenke anvertrauen: unsere Talente, die wir in die Gemeinschaft mit einbringen können;

ihm erzählen vom Überfluss, den wir entbehren können und anderen zur Verfügung stellen;

und vor allem zu Danken, dass wir nie tiefer fallen können, als in die kleinen Hände unseres Christkindes.

 

Amen.

3. Fastensonntag 2013 – Dornbusch –

Predigt 3. Fastensonntag 2013 – Dornbusch –

Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.

Viele denken das – der eine oder andere von Ihnen sicher auch! Dabei stammt dieses Zitat von Sokrates und der hat vor 2.500 Jahren gelebt.

Viele glauben auch, früher war das mit dem Glauben leichter, da gingen noch alle zur Kirche, jeden Sonntag – oder noch früher als Jesus in Israel durch die Gegend zog, oder noch früher als die Propheten sprachen und Moses sein Volk durch die Wüste führte.

Für den, der die Verklärung auf dem Berg Tabor miterleben konnte, oder wie Paulus vom Pferd gehauen wurde, für den, dem Gott selbst im brennenden Dornbusch begegnete, für den muss es schließlich leicht gewesen sein, zum Glauben zu kommen – viel leichter als für uns, die wir von all dem nur lesen und hören und es unbesehen glauben müssen.

Liebe Schwestern und Brüder,

viele denken das. Und ich bin mir ganz sicher, dass sie sich ganz gewaltig täuschen.

Zum Glauben zu kommen, das war und das ist zu allen Zeiten gleich schwer:

Hunderte haben die Propheten gehört und sind kopfschüttelnd dagestanden, ohne auch nur ein Wort zu glauben.

Tausende haben Jesus erlebt und ihn lediglich für einen Spinner gehalten.

Damals dabei gewesen zu sein, das heißt noch lange nicht, dass man auch automatisch – praktisch wie von selbst – zum Glauben gekommen wäre.

Das Bild vom Dornbusch, der brennt und nicht verbrennt, das ist für mich mit das beste Beispiel dafür.

Sie dürfen glauben, da stand kein Dornbusch in Flammen!

Wenn es um Dinge geht, die uns die Schrift berichtet, dann vergessen Sie bitte ganz schnell solche Bilder, wie Sie sie aus Hollywood-Filmen kennen.

Ganz sicher ist Mose Gott begegnet.

Aber Gottesbegegnungen lassen sich nicht fotografieren, sie sind nicht wirklich erklärbar. Deshalb musste die Bibel, um den Menschen klar zu machen, was der Moses erlebt hat, auf ein Bild zurückgreifen, auf das Bild vom Feuer.

 

Das, was ihm begegnete, das war wie Feuer: erschreckend, furchterregend und gewaltig, aber gleichzeitig auch begeisternd, anziehend und strahlend hell.

Feuer – das steht für Wärme, für Leben, für Geborgenheit und Schutz.

Und etwas, das wie so eine Feuer brannte, das ist Mose begegnet: Diese umhauende, liebende Gegenwart Gottes, die Mose allein im Bild des Feuers ausdrücken konnte – und zwar eines Feuers, das nie verlöscht, das immer brennt, wann, wo und wie es auch sei.

 

Denn genau das, bedeutet auch der Name, den Moses den Menschen weitergegeben hat. Gottes Name, sein Wesen, das ist einfach „Dasein“! Mit uns sein. Bei uns sein – immer!

Er ist der, der da ist, für uns, und zwar wann, wo und wie es auch sei.

 

Dieser Gott ist Mose auf für uns unerklärliche Art und Weise begegnet.

Wir hätten da danebenstehen können, und möglicherweise nichts, aber auch gar nichts bemerkt.

Wir hätten auf Tabor dabei sein können und uns anschließend möglicherweise gefragt, was die Jünger denn an diesem Menschen finden.

Wir hätten die Propheten hören können und hätten möglicherweise genauso wie tausend andere den Kopf geschüttelt und wären weitergegangen.

 

 

 

 

 

 

 

Wenn es damals einfacher gewesen wäre, die Zeichen der Gegenwart Gottes zu deuten, dann hätten ihm mehr geglaubt, dann hätten nicht so viele gezweifelt, und dann wären unter dem Kreuz nicht nur zwei übrig geblieben.

Gott ist nicht einfach überall sichtbar.

Gott führt uns nicht zwangsläufig nicht mit Gewalt zum Glauben.

Aber er lässt sich finden: von denen, die sich für ihn öffnen, die ihn aufmerksam suchen, die ihn im Hören auf ganz stille Zeichen in dieser Welt entdecken, von denen lässt er sich finden.

Und das ist zu keiner Zeit leicht gewesen.

Aber genau deshalb ist es heute auch kein bisschen schwerer als damals.

Die Liebe Gottes, die uns als Bild des nie erlöschenden Feuers immer wieder begegnet, lässt sich heute genauso entdecken, wie zur Zeit des Moses.

 

Wenn Sie diese Liebe suchen, die die Bibel im Bild des brennenden Dornbusches beschrieben hat, dürfen Sie nur nicht auf brennende Bäume warten.

Schauen Sie in die Augen eines Kindes, Ihres Enkelkindes, eines lieben Tieres.

Schauen sie in das Gesicht Ihres Partners oder Ihrer Partnerin.

 

Spüren Sie den Menschen, der sie in den Arm nimmt und ihnen hilft, und sie werden etwas von dem Feuer das Mose gesehen hat entdecken, von diesem Dornbusch, der brennt und niemals zu brennen aufhört.

Schauen Sie auf Menschen, in denen dieses Feuer, das Mose gefunden hat glüht, und Sie werden Gott auch finden und Sie werden ihm glauben können – mit den gleichen Schwierigkeiten, die ein Paulus hatte, mit den gleichen Zweifeln, die die Jünger Jesu quälten, und mit dem gleichen Unverständnis das dem Mose begegnete, aber mit kein bisschen weniger Sicherheit, als es den Menschen damals möglich war.

 

Nein, es war nie schwerer, an Gott zu glauben, als es heute der Fall ist – aber es war auch noch nie einfacher.

Gott lässt sich finden, wo man ihn sucht. Mutter Teresa hat ihn gefunden in den Kranken und Sterbenden. Gott lässt sich finden auch in Verl.

Unser Gott ist kein Gott der Vergangenheit, kein Gott der Geschichte, den man nur damals hätte wirklich erfassen können, und er ist auch keiner, der erst noch kommen wird.

 

Er ist der Gott, der da ist, immer, für alle und zwar jetzt, auch hier, auch unter uns, bei den Kommunionkindern und den Alten.

Er ist natürlich bei denen die alt und krank zu Hause sind und selbst auch bei denen die heute keine Lust hatten zu kommen.

Lasst uns besonders in dieser Fastenzeit alle unsere Sinne öffnen und wir werden ihn finden, wenn wir ihn suchen.

Er schaut uns schon lange liebevoll an – Dich und mich und er wartet auf uns!

Amen.

 


 

5. Fastensonntag C – Joh 8,1-11 – „Ehebrecherin“

Predigt 5. Fastensonntag C – Joh 8,1-11 – „Ehebrecherin“

„Geh“ – „Geh“ sagt Jesus zu dieser Frau. „Geh“ das ist vermutlich das schönste Wort das Jesus dieser Frau überhaupt sagen konnte in dieser Situation.

„Du wirst nicht gesteinigt!“ „Steh auf! Du kannst gehen!“

 

Das muss für die Frau eine richtige Erlösung gewesen sein, als Jesus sagte „Geh!“

Jesus sagte nicht „verschwinde“, er sagte ganz schlicht „Geh!“

Und als Jesus das sagte, da konnte sie sein ganzes Mitgefühl, seine Barmherzigkeit, seine Liebe und auch sein Verständnis mitklingen hören.

Jesus sagte das, wie Jemand der mir wohlgesonnen ist.

 

Wahrscheinlich hatte diese Frau vorher ein „Geh!“ in einem ganz anderen Tonfall gehört, mehr wie „Hau ab!“ „Verschwinde endlich!“

Auch die Menge, die sie jetzt steinigen wollte hatten ihr „Geh!“ zu gerufen, Geh vor die Tore der Stadt. Geh! Du wirst gleich spüren, wie wir mit Ehebrecherinnen umgehen.

„Geh!“, diesmal voller Verachtung, Vorwürfen und Verurteilung.

 

Sie hatten sie erwischt, inflagranti – auf frischer Tat, bei Unmoral und Unzucht. Das darf man nicht, nicht in einer feinen Gesellschaft – das muss bestraft werden.

Nein, das darf und kann man nicht dulden. Hier wird die ehrenwerte Gemeinde beschmutzt, hier wird das Ansehen der Gemeinschaft geschädigt.

„Geh!“ für dich ist kein Platz mehr hier. Wir zeigen Dir, was man mit Deinesgleichen macht!

 

So sagen diese Leute „Geh!“, nicht weil sie so ehrenwert sind, nicht, weil sie so einen Gerechtigkeitssinn haben, nein – es ist ihnen nur peinlich, dass so etwas bei einem aus ihrer Mitte bekannt wird!

 

Werfen sie doch mal einen Blick nach innen – ja in sie selbst.

Härte und Unbarmherzigkeit anderen gegenüber, sagt ja nicht wirklich was über die eigene Fehlerlosigkeit aus.

Jesus hat sie alle durchschaut, die, die mit den Steinen da rum standen.

Auch den Nachbarn der sie auf frischer Tat überrascht hat, diesen netten frommen älteren Herrn, der insgeheim ein Spanner war und die junge Nachbarin durchs Fenster immer beobachtete.

Jesus hat auch den Priester durchschaut, der dazu gerufen wurde, natürlich entsetzt war, denn auch über ihn flüsterte man, dass er eine Beziehung hatte, von der niemand wissen durfte.

 

Jesus hat auch den Geschäftsmann durchschaut, der schon mit dem Stein dastand.

Er hatte es zu Reichtum und ansehen gebracht, weil sein Einkommen stieg mit jeder Bilanz die er fälschte, mit jedem Arbeiter, den er unter Tarif bezahlte und für den er die Sozialleistungen zurück behielt.

Er hat auch den geachteten netten Familienvater durchschaut, der mit seiner intakten Familie Sonntags spazieren ging und abends seine Frau schlug und der eigenen Tochter viel näher kam, als für das Kind gut war.

 

Jesus kannte sie alle, die politischen und kirchlichen Würdenträger, die auch die Steine in der Hand hielten und hinterher Klinken putzten um in der Hierarchie weiter aufzusteigen.

 

All jene trieben die Frau nicht aus der Stadt heraus weil die Schlechtigkeit der Tat sie anwiderte, nein, sie demonstrierten Härte, weil sie größte Mühe hatten ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu verbergen.

Wer seinen Heiligenschein durch schein-heilig sein erlangt hat, der kann es sich nicht leisten barmherzig zu sein.

 

Wie würden wir dieses „Geh“ denn heute formulieren?

Ok, wir würden keine Steine werfen.

Aber sind Worte nicht manchmal schwerer als Steine?

Sind Blicke nicht manchmal tödlicher als Steine?

Verletzten unsere Zeigefinger nicht oft vielmehr als die Steine zu der Zeit Jesu?

Nein, in unseren Landen, auch in Verl wird niemand gesteinigt.

Aber auch wir machen oft anderen deutlich: Hau ab! Geh weg. Verschwinde lieber!

Und selbst, wenn wir es nicht aussprechen, der oder die Betroffene merken deutlich, dass sie sich bei uns lieber nicht mehr sehen lassen sollten.

Wie damals bei Jesus – als ob wir besser wären, nur weil unser Versagen und unsere Schuld nicht öffentlich sind, weil wir uns für so pfiffig halten unsere Unzulänglichkeiten im Verborgenen zu belassen.

Als ob wir besser wären, nur weil wir besser scheinen?!

 

Solange dieses Denken herrscht und angesagt ist,

solange ich in Kirche und Gesellschaft nur bestehen, nur überleben kann, wenn ich meine Fehler verbergen kann,

solange jeder von uns in Kirche, Politik und Gesellschaft nicht zu Schuld und Fehlern steht, sondern sie klassisch unter den Teppich fegt,

solange dies so ist dürfen wir uns nicht wundern, dass all die Menschen die Jesus damals gerufen hat – nämlich hauptsächlich die,

die schon mal im Leben gescheiter sind,

die die in unserer Kirche und Gemeinschaft keine Aufnahme und Heimat finden,

sich so wenig von uns angenommen fühlen.

 

Ich würde mir wünschen, dass wir dieses „Geh!“ von Jesus aussprechen wie „Komm!“ „Komm zu uns und mit uns!“ „Bleibe bei uns!“

Das würde ich auch gerne den Wiederverheirateten zurufen,

den Alleinerziehenden, die ihre Arbeit verloren haben,

den Leiharbeitern,

den Ausländern und Asylbewerbern

und all den Frauen und Männern, die schon mal im Leben gestrauchelt und gescheitert sind.

„Kommt her zu uns!“ „Sei bei uns geborgen!“ „Fühl dich bei uns wohl!“ „Friede mit Dir!“

Wir, auch in Verl nicht – sind nicht die Gerechten der letzten Tage.

Auch wir sind eine Gemeinde und Gemeinschaft von Menschen mit all ihren Fehlern.

 

Laßt uns immer wieder dem Nächsten sagen: „Komm“ bleib bei uns.

Fühle Dich von uns angenommen und getragen, denn keiner von uns, und darauf kannst Du Gift nehmen, nicht ein Einziger ist im Letzten besser als du!

 

Amen

Ostersonntag 2013

Predigt Ostersonntag 2013 – Marienkapelle

Heute Ostern feiern? Ostern war vor über 2000 Jahren, jedenfalls aus geschichtlicher Sicht.

Dass die Jünger sagten: „Der Herr ist wahrhaft auferstanden!“, das hat sich vor vielen, vielen Generationen ereignet. Eigentlich ist Ostern längst vorbei.

Aber was feiern wir dann hier und heute und jeden Sonntag? Nur reine Erinnerung, „in memoriam“, in Gedenken an früher?

Wenn das so wäre könnten wir getrost zu Hause bleiben, mit dem Hintern im Bett.

Das was wir heute feiern, muss einen anderen Grund haben.

Es geht nicht nur um Erinnerung.

Ostern ist viel zu groß, viel zu gewaltig, viel zu bedeutend um bloß ein Ereignis aus der Geschichte zu sein.

Ostern war nicht nur damals, Ostern passiert zum Glück fast jeden Tag.

Das Leben wäre sonst auch nicht auszuhalten.

Auch der Karfreitag wäre nicht auszuhalten.

Nein nicht der vor 2000 Jahren, den meine ich nicht.

Ich meine den Karfreitag, der immer wieder stattfindet, täglich oder stündlich.

Ich meine den Karfreitag, wo auch heute immer wieder Menschen an irgendwelche Kreuze geschlagen werden.

Da wo ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird, wo Leben unmöglich wird, weil die Erde bebt und alles unter sich begräbt.

Da wo der Tsunami kommt und durch seine Folgen Leben auf Jahrtausende zerstört.

Da wo mir jeden Tag die Decke auf den Kopf fällt, weil meine Lebensumstände tödlich eng geworden sind, dass mir die Luft zum Atmen fehlt.

Da wo mir die Krankheit die Beweglichkeit und die Worte raubt, und ich die Zukunft nicht erkennen kann.

Da wo die Liebe zerstört oder gestohlen wird und mein Leben zusammenbricht.

 

Überall da ist Karfreitag, jeden Tag neu, überall auf der Welt.

Solche Karfreitage zwingen die Menschen in die Knie, lassen sie unter dem Kreuz zusammenbrechen, in der Trauer um Angehörige, in der Hoffnungslosigkeit bei einer neuen Krankheit, in Schmerz und in Leid.

Karfreitage machen fassungslos, sie lähmen und machen Leben unmöglich.

 

„Jetzt ist alles aus!“ sagten die Jünger, die niedergeschlagen völlig am Boden waren.

Und sie, auch hier in der Marienkapelle, besonders vielleicht auch in den Zimmern auf der Station, Sie kennen alle solche Situationen.

Aber wann fängt Ostern dann an?

 

Da laufen zwei einfach los!

Da sind zwei aufgestanden und machen sich auf den Weg.

Was glaubten sie denn zu finden? Das Grab war leer. Ok – der Leichnam war weg.

Aber tot ist tot. Es ist alles aus und vorbei.

Aber sie laufen trotzdem, wahrscheinlich wissen sie gar nicht warum.

Sie tun was, sie gehen einfach.

Der eine langsam, weil er denkt, hingehen ist besser als nichts tun, der andere schneller, vielleicht weil er etwas ahnt, weil er etwas spürt.

Da überwinden zwei Menschen ihre Starre, ihre Lähmung und beginnen zu gehen!

So – Und jetzt fängt Ostern an!

Das ist Ostern!

Da wo Menschen nicht liegen bleiben.

Da wo Menschen wieder aufstehen – immer wieder, einmal mehr als man gefallen ist.

Da wo sie sich aufrütteln lassen, hier durch das Gerede der Frauen und ein paar Schritte gehen,

zunächst ohne zu wissen wohin,

ohne zu wissen was sie erwartet – aber offen für das was möglicherweise passiert –

eigentlich offen für Ostern!

Nicht immer ist Ostern wie ein Erdbeben, nicht immer ist Ostern das ganz große Ereignis.

 

Manchmal ist Ostern auch ganz klein und bescheiden, ganz privat,

wenn ich die Blumen wieder sehen kann, zwischen all den Trümmern meines Lebens.

 

Wenn ich ein Lächeln erahnen kann in meiner tiefen Depression.

 

Wenn ich die Sonne wärmend spüre zwischen all der Kälte, die das Miteinander manchmal prägt.

Wenn ich als erster die Hand zur Versöhnung reiche.

Wenn eine einzige Kerzenflamme beginnt, Dunkelheit und Finsternis in mir zu vertreiben.

 

Ostern beginnt dort, wo Menschen sich wieder aufrappeln.

Wo sie sich aufmachen, einfach zu gehen beginnen, auf ein Ziel zu, das sie nicht kennen.

Einfach getrieben von einer Ahnung und einer unzerstörbaren Hoffnung.

Dort fängt Ostern an.

Gott sei Dank, auch heute und hier und immer wieder neu.

 

Und darum ist Ostern doch kein Ereignis von früher – nicht nur Geschichte.

Ostern war nicht irgendwann – Ostern ist!

Halleluja!

 

 

 

 

2.Sonntag der Osterzeit 2013 (Joh 20,19-31)

2. Sonntag der Osterzeit 2013 (Joh 20,19-31)

Sieht doch toll aus, treibt einem fast die Tränen in die Augen, wenn man an diesem Wochenende die Kommunionkinder sieht, wie sie hübsch gekleidet und würdevoll die erste heilige Kommunion empfangen.

Es gibt noch mehr gute Nachrichten heute,

gute Nachrichten für alle, die Kinder haben – Kinder, die nicht glauben können.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

nicht wenige Eltern – und noch mehr Großeltern – leiden heute ja darunter:

leiden darunter, dass das, was ihnen so viel bedeutet, was ihnen so wichtig ist, ihren Kindern in zunehmendem Alter aber so ziemlich egal zu sein scheint.

 

Da hat man sich ein Leben lang darum bemüht, ein Vorbild zu sein – nicht zuletzt im Kirchbesuch und einem religiösen Leben – und kaum etwas ist bei den Kindern angekommen oder oft auch nicht geblieben.

In der Kirche sind sie mehr als selten zu sehen und von all den Glaubensüberzeugungen, die man ihnen versuchte mit auf den Lebensweg zu geben, ist nicht viel mehr hängengeblieben, als dass sie eben versuchen, ein halbwegs anständiger Mensch zu sein.

 

Gute Nachrichten gibt es heute für alle Eltern und Großeltern, die darunter leiden.

Und gute Nachrichten für alle, die gerne glauben würden, die auf der Suche sind: die nachbohren, lesen, suchen, so gerne glauben wollten, aber es einfach nicht können.

 

Das heute Evangelium sagt ganz eindeutig, dass nichts verloren ist.

Und wer schon gar nicht mehr weiß, was er denn noch alles versuchen und noch alles unternehmen soll, der bekommt die recht deutliche Hilfe und Antwort, dass er gar nichts weiter zu tun braucht.

 

Keine Angst!

Gott kümmert sich schon selbst darum, auch um unsere Kinder und Enkel.

Wir brauchen nicht in Sorgen verkümmern.

Wir brauchen den Glauben nicht zu machen.

Wir brauchen die Beziehung zu Gott nicht erzwingen.

Wir können es nicht einmal.

Wir können Hilfestellung geben – dort, wo man uns danach fragt.

Wir können von uns, von unseren Schwierigkeiten auf der einen und unseren Zugängen auf der anderen Seite berichten.

Wir können Beispiel geben.

Wir können darum beten.

Glauben machen können wir nicht.

Wir müssen es auch gar nicht.

 

Gott kümmert sich schon selbst darum.

Alle Menschen sind nämlich seine Kinder.

Und er liebt seine Kinder – ganz gleich wo und ganz gleich wie alt sie sind.

Und er geht ihnen nach – ein Leben lang, auch unseren Kindern.

Manchmal dauert es.

 

Der Thomas aus dem heutigen Evangelium musste auch warten.

Zwar nur acht Tage, aber immerhin: acht Tage.

All die anderen um ihn herum, scheinen keine Schwierigkeiten gehabt zu haben.

Sie konnten glauben.

Aber all ihr Reden, all ihr Argumentieren und all ihr Drängen auf Thomas bewirkte absolut nichts.

Glauben – wirklich glauben – konnte Thomas erst, als Jesus selbst die Initiative ergriff.

Dann aber, war alles kein Problem mehr.

 

 

 

 

 

 

 

Frohe Botschaft für alle, die auf der Suche sind:

Sie brauchen nichts zu tun, sie können Glauben nicht mit Gewalt herbeiführen.

Die Offenheit zu behalten, Herz und Sinne zu sensibilisieren, Gott nicht aus dem Blick zu verlieren, ihn überall, auch im Nächsten suchen, das ist alles, was von unserer Seite zu tun notwendig ist.

 

Gott selbst wird auf den Menschen zukommen, denn er lässt keines seiner Kinder im Stich.

Er sucht den Weg zu ihren Herzen, und er findet ihn, sonst wäre er nicht unser Gott.

Er weiß schon wie und er weiß auch wann.

Manchmal dauert es – eine Woche, wie bei Thomas, ein Jahr, ein Jahrzehnt, manchmal fast ein Leben

lang.

Aber er findet ihn den Weg, auch zu unseren Kindern und Enkeln.

Gott findet den Weg zu den Herzen seiner von ihm geschaffenen Menschen.

Aber ganz bestimmt oft anders, als wir es uns vorstellen.

„Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast,

dort bei mir sind, wo ich bin.

Sie sollen meine Herrlichkeit sehen,

die du mir gegeben hast,

weil du mich schon geliebt hast vor der Erschaffung der Welt“.

Ich bin so froh. Das ist unser Gott.

 

Gott sucht

und er findet jeden eben auf seine Weise

und vor allem zu seiner Zeit.

 

Amen.

2. So Osterz. 2013 Joh 20,19-31 -Barmherzigkeit-

2. Sonntag der Osterzeit 2013 (Joh 20,19-31)

Papst Johannes Paul II hat den weißen Sonntag auch zum Sonntag der Barmherzigkeit ernannt. Vielleicht kann ich Ihnen das erklären.

Am besten machen sie mal einen Moment die Augen zu.

Da träumte jemand, er fände sich vor dem Grab wieder, dem leeren Grab, und Jesus, der Herr, stand davor.

Der Auferstandene legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach: „Siehe, der Himmel steht auch Dir offen. Er steht nun allen Menschen offen. Das hab‘ ich für Dich und für alle getan.“

 

Und gleich darauf fand der Mensch sich wieder, mitten im Paradiesgarten, auf einer großen Wiese, auf einer Decke, die wie zu einem großen Picknick.

Und all die Menschen die ihm wichtig waren, saßen um ihn herum und hießen ihn willkommen.

Sie feierten eine große Party.

Doch plötzlich kamen welche und errichteten ein Haus, in diesem schönen Garten.

Sie bauten ein Heim für Asylbewerber.

Und dann kamen andere und bauten eine Herberge, direkt auf der anderen Seite – eine Herberge für Obdachlose.

Und Türken kamen und bauten eine Moschee und Juden eine Synagoge und Hindus einen Tempel.

Und dann kamen Spätaussiedler aus Russland dazu und Flüchtlinge, die nach dem Krieg aus Schlesien und Rumänien und woher auch immer vertrieben worden waren, und die ganzen Polen waren auch da.

Und da wachte der Mensch auf, hatte Schweiß auf der Stirn und wusste nicht mehr, ob es ein Traum gewesen war oder nicht doch viel eher ein Alptraum, den er gerade hatte.

 

Liebe Kinder, liebe Gemeinde,

wie ist der Himmel? Und wer ist alles da?

Kennen Sie das auch, dass Menschen sagen, wenn der oder die dort sind, dann will ich unter keinen Umständen im Himmel sein?

Manchmal denke ich, es müsste schon besten mehrere Himmel geben, so dass alle am Ende

schön fein unter sich sind: einen Himmel für die Türken, einen für die Politiker, einen für die Arbeitslosen, einen für die evangelischen –

und viele auch maßgebliche Katholiken meinen ja sowieso, dass sie im Himmel allein sind.

 

Dass einmal alle Menschen, egal woher sie stammen, egal was sie können und ganz egal, was

sie gemacht haben, selbst was sie verbrochen haben, dass einmal alle beieinander sein sollen,

eigentlich ist das doch unvorstellbar.

Können wir denn in echt damit leben, dass Gott alle Menschen liebt?

Können wir damit, dass er im Ernstfall sogar jedem vergibt,

er jeden und jede einzelne so annimmt wie sie ist, wie er ist?

 

Klar, dass er das bei mir tut, da bin ich ganz sicher und darauf baue ich ganz stark.

Aber die, die mich geärgert haben, die mir Unrecht getan haben, die wird er doch hoffentlich zur Rechenschaft ziehen.

Gerechtigkeit fordern wir von Gott!

Können wir auch mit seiner Barmherzigkeit leben?

 

Gott will, dass wir das Leben haben, dass alle Menschen das Leben in Fülle haben.

Er will und sorgt sich darum, dass keines seiner Kinder verloren geht – auch unsere Kinder und Enkelkinder nicht. Auch eine Hölle will Gott nicht.

 

Hoffentlich sind am Ende nicht wir es, die sie fordern – aber natürlich nur für die anderen.

Manchmal könnte man meinen, dass es eine Hölle eigentlich gar nicht geben muss.

Manchmal könnte man versucht sein zu glauben, die schaffen wir uns schon selber.

 

Oder stellen Sie sich einmal vor, wie das wäre: Da könnte Gott den schönsten Himmel

zaubern, zur Hölle würde er werden für den, der sich eine Ewigkeit darüber ärgern würde,

dass der und die es auch dorthin geschafft haben.

Häufig geht es ja lediglich darum, dass uns Menschen unsympathisch sind oder einfach nur

Fremd und wir ihnen gar nicht näher kommen wollen, weil wir sie vor lauter Vorurteilen und Missverständnissen gar nicht erst verstehen können.

 

Vielleicht ist genau das ja das eigentlich Entscheidende, was wir Menschen in diesem Leben

zu lernen haben, vielleicht ist das ja die eigentliche Herausforderung unseres Lebens:

die engherzigen Grenzen nämlich, die Menschen untereinander aufbauen, endlich zu überwinden.

 

In dem

Menschen, der nicht in unsere Nachbarschaft passt,

der nicht so aussieht wie wir,

der anders lebt und andere Schwerpunkte setzt,

dem anderes wichtig ist, als mir und meiner Familie -,

in diesem Anderen keine Bedrohung zu sehen,

sondern den Menschen,

der von diesem unserem gemeinsamen Gott als meine Schwester und mein Bruder,

genauso geliebt wird wie ich selbst.

 

Vielleicht müssen wir ja genau dies in unserem Leben lernen, uns nicht vor anderen

abzuschotten, sondern neugierig auf sie zu werden,

und nicht schon Urteile über sie gefällt zu haben,

bevor wir einmal mit ihnen gesprochen oder sie vielleicht sogar zum Kaffee eingeladen haben.

 

Barmherzigkeit ist nicht einfach mit Mitleid gleichzusetzen. Barmherzigkeit muss nicht von oben herab geschehen ist auch keine Geste von Großzügigkeit, sondern grundlegende Menschlichkeit, der alle Menschen bedürfen – immer wieder und immer wieder neu.

 

Vielleicht ist ja dieses Ostergeschenk unseres Gottes, dieses Geschenk der Liebe und Barmherzigkeit unser wirkliche Auftrag im Leben, damit der uns zugesagte Himmel zum Paradies wird und nicht zu einem Alptraum, den wir uns in unserer Lieblosigkeit selbst bereitet haben.

Amen.

25.8.13 -Asyl/Yonathan-

Predigt 24./25.8.13 Yonatan

 

Oft sitze ich mit meiner Frau auf der Terrasse oder im Wintergarten, wir schauen uns an und wir wissen, uns geht es gut. Alles ist immer wieder gut geworden.

Die Kinder sind gesund, haben eine gute eigene Zukunft.

Die Enkelkinder sind topfit. Keiner von uns ist schwer krank.

Und das Geld reicht gut für alles was wirklich nötig ist.

Aber manchmal bin ich selbst überrascht, dann schäme ich mich und ärgere mich über mich selbst, wenn mir meine eigene Phantasie bewusst wird, wenn ich mir vorstelle, was ich mir trotzdem alles noch wünsche.

Gerne hätte ich ein schickes flottes neues Auto, gerne würde ich mal ohne aufs Geld zu schauen in Urlaub fahren, gerne wäre ich meine leichten Rückenschmerzen los.

Und dabei habe ich deutlich mehr als ich brauche, mehr als viele -sicher mehr als die meisten dieser Welt, ich bin gesünder als manche nur halb so alte.

 

Und dann ist da mein Freund Yonatan, 23 Jahre aus Eritrea, seit 5 Jahren auf der Flucht, seit fast drei Jahren in Deutschland.

Daddy sagt er zu mir und Mama zu meiner Frau.

Und jetzt, morgen wird er abgeschoben – zurückgeführt heißt das – nach Italien und alles beginnt von vorne.

Yonatan spricht gut Deutsch, Yonatan hat einen festen Arbeitsplatz, Yonatan bezahlt seine Miete im Asylheim Wideiweg selbst und Yonatan bekommt von niemandem Unterhalt.

In seiner Heimat Eritrea hätte er mit 18 zur Armee müssen, wobei die Armeezeit im Regelfall zwangsweise lebenslänglich Armee bedeutet.

Er hätte sein Leben lang auf andere schießen müssen.

  • Keine Chance auf Ausbildung.
  • Keine Chance auf Beruf.
  • Keine Chance auf geordnete Familie.
  • Keine Chance auf Einkommen – außer knapp 30 Euro im Monat von der Armee.

Und dann ist er abgehauen in den Sudan – mit 18 Jahren.

1 Jahr musste er warten bis er 200 Dollar zusammen hatte um mit Hilfe von Schleusern durch die Sahara und lybische Wüste an die lybische Küste zu kommen.

40 Personen auf der Ladefläche eines LKW’s auf dem nur 10 sitzen konnten.

20 Tage durch Staub und Hitze.

Nach 10 Tagen waren die Essenrationen weg.

Nach 15 Tagen waren die Wasserreserven aufgebraucht, die Fahrer hatten noch genug.

In der Not wurde der eigene Urin getrunken.

Viele kamen fast bewusstlos am Ziel an.

An Libyens Küste wurde er zwei Mal verhaftet und kam ins Gefängnis, jeden Tag gab es brutale Schläge durch die Wächter, durch Stromschläge wurden Aufmüpfige bewusstlos gemacht.

Eine Tante aus Amerika schickte dann 900 Dollar, damit konnte man sich einen Platz auf einem Schiff kaufen. 250 Leute auf einem Kahn mit 25 Sitzplätzen.

3 Tage durch Sturm und hohe Wellen dauerte es bis Sizilien.

Bei der Anlandung ersoffen einige Frauen und Kinder, die nicht schwimmen konnten.

 

In Italien – das ist auch Europa -wurden alle sofort verhaftet und in ein Stacheldraht umzäuntes Lager gesteckt.

Nach 3 Monaten wurden alle ohne Geld, ohne Hilfe, ohne medizinische Versorgung aus dem Camp geschickt.

Es wurde in Parks und Bahnhöfen übernachtet.

Lebensmittel wurden erbettelt.

Jede Nacht gab es schlimmste sexuelle Belästigungen.

Alles war gesetzlos – alle waren hilflos.

Mit dem letzten Geld machte er sich verbotenerweise im Dezember 2010 auf den Weg nach Deutschland.

Hier sollte es gut sein.

Da gibt es Arbeit.

Man kann was lernen. Man kann zur Schule gehen.

Er beantragte Asyl und wurde schnell nach Verl überstellt.

 

Ein Jahr muss man warten, bis man in Deutschland einen Arbeitsplatz suchen kann, den kein Deutscher ausfüllen oder haben will.

Yonatan lernte Deutsch an der Volkshochschule, auch mit Unterstützung der Caritas und Pfarrer Hölscher.

Und Yonatan hat Arbeit seit nun mehr 16 Monaten.

Und nun – am Montag wird er abgeschoben nach Italien, in das Land seiner größten Ängste, alles war umsonst – 5 Jahre Not, 5 Jahre Angst, aber auch 5 Jahre Hoffnung.

 

Wer wird gerettet? fragten die jünger Jesus.

Eng ist die Tür, die einen retten kann.

Eng ist die Tür in die Zivilisation.

Eng ist die Tür in eine humane Welt.

Eng ist die Tür zur Gerechtigkeit.

Eng ist die Tür nicht nur zum Himmel – eng ist sie auch einfach nur in eine menschlichere Welt.

 

Natürlich ist die ganze Asylthematik viel komplexer, viel differenzierter und unterliegt gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen.

Natürlich können wir nicht ganz Afrika in Deutschland aufnehmen.

Es gab schon immer Menschen, die ihre Heimat verlassen haben oder mussten und sich auf den Weg in ein anderes Land gemacht haben.

Gründe dafür gibt es viele: Krieg und Vertreibung, politische Verfolgung oder schlichtweg Armut.

Wir nennen solche Menschen heute Ausländer, Asylbewerber oder Immigranten.

Wer sein Heimatland verlässt, wird zum Fremden.

Zu allen Zeiten bedeutet dies erst einmal, weniger Rechte im neuen Land zu besitzen.

Die Einheimischen sind nur selten begeistert, wenn Fremde auftauchen.

Sie fürchten um ihren Besitz und ihren Status.

Die Fremden werden deshalb oft als Bedrohung wahrgenommen.

Jesus mit Maria und Josef waren damals auch auf der Flucht, Gott sei Dank sind sie angekommen, Gott sei Dank haben sie eine Bleibe gefunden.

 

Wer wird gerettet ist die Frage an Jesus?

Dem Yonatan und allen anderen wünsche ich das auch!

Das ganze lehrt mich, dass ich mich noch mehr schäme über meine Wünsche.

Ich schäme mich, weil ich manchmal nicht zufrieden bin.

Ich schäme mich, weil ich immer mehr will.

Ich schäme mich für all die Situationen, wo ich einem Fremden nicht geholfen habe.

Das habe ich gelernt, das sagt mir jetzt mein Glaube:

Gerettet wird man wahrscheinlich nur, wenn man versucht wenigstens einen mitzunehmen durch die enge Tür.

 

Dank an alle, die mit versucht haben zu helfen, nicht nur hier in Verl.