22. So. – Lj. B (Mk 7,1-8. 14-15. 21-23) rein – unrein

22. So. – Lj. B (Mk 7,1-8. 14-15. 21-23) rein – unrein

Ein Bekannter erzählte, wie er kurz nach dem Studium mit ein paar Freunden – so mit Rucksack und Isomatte – eine Asientour unternommen hatte.

Kurz bevor sie aufgebrochen sind, ist er ins Pfarramt gegangen, hat ein leeres Blatt Papier genommen und darauf geschrieben: „Der Inhaber dieses Schreibens darf alles.“ Und dann hat er alle Stempel, die er gefunden hat, auf dieses Blatt gedrückt: Datumsstempel, Pfarrsiegel, Rechnungsstempel, Kopiebeglaubigung, Eingangsstempel und was es sonst noch alles gab. Je größer und je bunter desto besser.

Mit diesem Blatt – so hat er erzählt – sind sie in jeden Park, jeden Tempel und fast jeden Palast hineingekommen. Kein Mensch konnte zwar lesen, was auf dem Blatt draufstand, aber bei den vielen Stempeln seien die Wachmannschaften jedes Mal gleich strammgestanden.

Liebe Schwestern und Brüder,

beim Lesen des Evangeliums habe ich schon ein paar Mal an diesen Bekannten denken müssen: Man muss offensichtlich kein Hauptmann von Köpenick sein, um entsprechenden Eindruck zu machen. Nicht nur eine Uniform -, manchmal reichen auch ein paar Stempel, um sich mit dem Schein amtlicher Vollmacht zu umgeben. Denn sobald irgendetwas amtlich aussieht, fragt kaum noch jemand, was denn eigentlich dahintersteckt.

Aber ein Stempel ist halt nur ein Stempel. Und das ist noch lange nicht gleichbedeutend mit der Vollmacht, die er symbolisiert. Und eine Uniform ist nur ein Kleid und noch lange nicht das Amt, für das sie eigentlich steht. Uniformen, Stempel und Zeichen, das ist das eine. Das Amt, die Vollmacht und die Wirklichkeit, das ist das andere. Und nicht immer ist beides deckungsgleich.

Wenn man die Uniform, den Talar oder den schwarzen Anzug mit Gipskragen mit dem Amt verwechselt, und den Stempel schon für die Vollmacht hält, dann kann es einem schon einmal passieren, dass man ganz kräftig übers Ohr gehauen wird. Denn wer nur auf die Verpackung schaut und bei den Äußerlichkeiten stehen bleibt, der steht ganz arg in der Gefahr, dass er dem eigentlich Wichtigen gar nicht erst begegnet.

Ich denke, dass Jesus im heutigen Evangelium genau vor dieser Gefahr ganz eindringlich warnt. In diesem Abschnitt aus dem Markusevangelium geht es zwar nicht um Stempel oder Uniformen – im Grunde aber geht es um gar nicht so viel anderes:

Da waren Menschen, denen die Äußerlichkeiten plötzlich wichtiger geworden waren, als das, was eigentlich dahinter stand. Vor lauter Reinigungsvorschriften drohten sie zu vergessen, dass diese äußerlichen Waschungen nichts anderes waren, als ein Zeichen dafür, dass wir uns innerlich in unserem Herzen wieder neu auf Gott ausrichten sollen. Als aber die Menschen dies vergaßen, da waren jene Riten, die sie doch für so wichtig hielten, plötzlich ihres Sinnes entleert. Und das Wesentliche das eigentlich Wichtige das war auf der Strecke geblieben.

Das Zeichen war plötzlich wie die Uniform geworden, die der Hauptmann von Köpenick trug, oder wie einer der Stempel auf dem Blatt meines Bekannten: im Grunde genommen leer und nichtssagend nämlich. Und jeder, der in ihm noch eine Bedeutung sah, wurde lediglich geblendet vom schönen Schein, wurde getäuscht von nichts als Äußerlichkeiten.

Bleibt nicht bei solchen Äußerlichkeiten stehen, lasst Euch nicht vom Schein blenden, verliert das Wesentliche nicht aus dem Blick – das sagt Jesus daraufhin im heutigen Evangelium! Und er sagt es im Grunde immer wieder. Immer wieder entlarvte Jesus Situationen, in denen Riten und Formen, plötzlich wichtiger geworden waren, als die Inhalte, für die sie standen, in denen Äußerlichkeiten für die Menschen bedeutsamer geworden sind, als das Anliegen Gottes, das eigentlich dahinter stand. Dass man das eigentlich Wichtige, das Anliegen, den Inhalt nicht mit der äußeren Form verwechseln darf, das war ihm stets ein ganz großes Anliegen. Und das ist es ihm auch heute noch!

Denn es geschieht heute ja noch genauso wie vor 2000 Jahren, dass Menschen an den Formen kleben, an den äußeren Zeichen, an liebgewordenen Bräuchen und lange einstudierten Riten. Denken Sie an Knien und stehen oder sitzen im Gottesdienst, oder die langen Diskussionen über Handkommunion. Einer unserer Kinder sagte mal nach einem wohl besonders schönen Gottesdienst: wir haben es gemacht wie im Ballett, immer alle zusammen. Ich weiß nicht ob Gott sich über Ballett freut, oder ob ihm das Herz der Menschen nicht wichtiger ist.

Wie viel Streit und welche Auseinandersetzungen entstehen zwischen Eltern und Kindern, weil man darauf beharrt, dass man die Dinge genau so und kein bisschen anders machen müsse, dass es schon immer so gewesen sei und gar anders nicht ginge. Wie viele Auseinandersetzungen zwischen Eltern und ihren Kindern handeln genau davon, dass Kinder die Formen ihrer Eltern nicht mehr mittragen wollen, sie als alte Zöpfe bezeichnen und eigene Wege gehen möchten.

Und wie oft vergisst man dabei dass sowohl die Eltern als auch die Kinder sich im Grunde völlig einig sind, dass es beiden im Grunde um genau das Gleiche geht. Man streitet lediglich um Formen, um Riten und Äußerlichkeiten – so sehr, dass man sich am Ende dann sogar entzweit. Obwohl man lediglich bei Bräuchen und bei Äußerlichkeiten hängen geblieben ist, haben sich auf diese Art und Weise viele Eltern mit ihren Kindern schon auf lange Zeit verkracht. Schade – wirklich schade.

In unserer Kirche ist das auch so. Die einen halten fest an der Tradition mit Rosenkranz und Wallfahrt, die anderen wollen Eventgottesdienst und neue Lieder und andere Wege Gott nahe zu sein. Beides kann der Weg sein, alles kann zu Gott führen, überall ist er uns nahe. Lassen wir doch jedem seine Beziehung zu Gott leben, und zwingen wir sie nicht in unser Kostüm unserer religiösen Vorstellungen.

Nicht das Einhalten der Reinigungsvorschriften war für Jesus wichtig, nicht das äußerliche Waschen, die wirkliche Reinigung, das, was hinter dem Zeichen steckt, der eigentliche Sinn, der war ihm wichtig. Verlieren wir ihn, diesen Sinn nie aus dem Blick. Sonst entpuppt sich am Ende so manche – auch religiöse – Auseinandersetzung lediglich als Streit um Nichtigkeiten.

Mein Bekannter hat solche sinnentleerte Zeichen mit Bauernschläue eingesetzt – und das macht das Ganze amüsant und witzig.

Wenn man aber solchen Äußerlichkeiten aufsitzt ohne es zu merken, unnötig und unbedacht nicht ‚mal darum weiß, und sich dann auch noch darüber streitet, dann ist das Ganze nur noch tragisch.

Amen.

6. So. Ostern B Joh 15,9-17 ¬ -Ich bin der Weinstock-

6. So. Ostern B Joh 15,9-17 -Ich bin der Weinstock-

 
 

Liebe Schwestern und Brüder!

 
 

„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige. Wer in mir bleibt, und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“ Das war das Evangelium des letzten Sonntags. Das heutige Evangelium schließt unmittelbar daran an. Noch einmal geht es um das Stichwort „bleiben“. Heute werden uns im Evangelium die Früchte vorgestellt, die bei uns wachsen, wenn wir mit Jesus verbunden sind.

 
 

Drei dieser Früchte schauen wir uns heute einmal an:

Die erste und wichtigste Frucht, die in uns wächst, wenn wir mit Jesus verbunden sind, ist die Liebe. Aber Liebe nicht in erster Linie als Gebot: „Liebt einander!“ Nein, Liebe bedeutet zunächst einmal etwas ganz anderes, nämlich die Tatsache: Du bist von Gott geliebt!

„Bleibt in meiner Liebe“, sagt Jesus. Es geht nicht darum, dass wir uns Liebe irgendwie aus den Fingern saugen, sondern dass Gott uns liebt. Die Lesung aus den ersten Johannesbrief, die wir eben gehört haben, hat gesagt: „Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Gott uns geliebt hat.“ Und erste derjenige, der sich so richtig angenommen und getragen weiß von der Liebe Gottes, der kann überhaupt erst den Anderen lieben.

Es ist wie bei einem Überlaufbrunnen: Der Brunnen läuft erst dann nach allen Seiten über, wenn er selbst ganz voll von Wasser ist. Darum dürfen wir uns zunächst einmal erst selbst mit der Liebe Gottes gleichsam volllaufen lassen, bevor dann diese Liebe überstrahlt auf die anderen Menschen.

Diese Liebe ist auch nicht etwas, das wir selber tun müssten. Diese Liebe ist eine Frucht, die einfach wächst. Ein Zweig am Baum produziert ja auch nicht Früchte, sondern er ‚trägt‘ gleichsam diese Früchte.

Für uns als Frucht gilt: Du bist von Gott geliebt, ohne Wenn und Aber. Und selbst wenn nichts Liebenswertes mehr in dir ist, wenn du dich selber schon nicht mehr ausstehen kannst, wenn alle mit dem Finger auf dich zeigen, dann gilt das immer noch, dass Gott dich liebt.

Der Apostel Paulus schreibt einmal im Römerbrief … Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes.“ Es kann mit uns passieren, was will. Gott wird nicht aufhören, uns zu lieben. Denn so sagt der erste Johannesbrief: „Gott ist die Liebe“ einfach so! Er ist seinem Wesen nach Liebe. Er kann gar nicht anders, als lieben.

 
 

Die zweite Frucht, die in unserem Evangelium genannt wird, die wächst, wenn wir mit Christus verbunden sind, ist die Freude. Es ist der gesagte Wille Gottes, dass unser Leben voll ist von einer überschäumenden und überströmenden Freude, dass wir randvoll frohe Menschen sind. Nicht umsonst heißt die Botschaft, die wir alle zu verkünden haben, nicht „Liebesbotschaft“, obwohl die Liebe ganz wichtig ist, sondern sie heißt „Frohe Botschaft“. Es ist eine Nachricht der Freude.

Rein statistisch gesehen kommt das Stichwort „Freude“ in der Bibel viel häufiger vor als das Stichwort „Liebe“. Unser Leben soll geprägt sein von einer ganz tiefen Freude.

Aber damit wir uns nicht missverstehen: Freude, die hier gemeint ist, ist etwas anderes als Lustigkeit. Manche Menschen sind nicht froh, sie sind nur lustig. Manche Menschen können sich freuen, wenn zum Beispiel Verl beim Fußball gewinnt, oder Sie können sich freuen beim Karneval, wenn sie reichlich getrunken haben. Dann kann man leicht froh sein. Aber die Freude, die Jesus meint, die Frucht, die aus der und Nähe mit Jesus wächst, die existiert auch dann noch, wenn es – menschlich gesehen – nichts Frohes mehr gibt in unserem Leben. Wenn man vielleicht von Sorge niedergebeugt ist, wenn man Lasten zu tragen hat, wenn man kaputt und krank ist, dann gilt diese Freude Jesu immer noch. Denn diese Freude hat ihre Wurzeln nicht im Verler Fußballspiel, nich in oberflächlichem, diese Freude hat ihre Wurzeln in Jesus Christus.

 

Der Apostel Paulus, der weiß Gott genug Sorge zu tragen hatte, sitzt einmal im Gefängnis. Er muss damit rechnen, dass sein Prozess mit dem Todesurteil endet, dass er den wilden Tieren vorgeworfen wird. Er schaut dem Tod ins Auge. Und aus dem Gefängnis heraus schreibt er einen Brief an seine Lieblingsgemeinde in Philippi, im Norden Griechenlands. Dieser Brief aus dem Gefängnis strotzt nur so von Freude. Aus diesem Brief ist die berühmte Adventslesung genommen: „Freut euch allezeit im Herrn! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ „Und selbst wenn ich jetzt als Opfergabe dargebracht werde, dann sollt ihr euch mit mir freuen.“

 
 

Wo her kommt diese Freude? Paulus schreibt nicht: Freut euch „über“ den Herren. Er schreibt: Freut euch „im“ Herrn. Wenn ein Mensch in Christus ist, mit Christus verbunden ist, dann wächst diese Frucht der Freude.

Und das Tiefste bei dieser Freude ist dies: Das ganz große Fragezeichen hinter jeder menschlichen Freude ist ja der Tod. Der Tod scheint nur noch Schmerz, Mühsal und Trauer. Aber die christliche Freude, die aus der Verbundenheit mit Jesus wächst, die bleibt auch dann noch, wenn Menschen dem Sterben in ins Auge sehen müssen. Ich habe das schon oft erlebt, wie Menschen, bei aller menschlichen Trauer einen tiefen Frieden hatten, ja sogar Freude. Diesen Glauben und diese Hoffnung wünsche ich auch für mich.

 
 

Schließlich eine dritte Frucht die wächst, wenn man mit Christus verbunden ist. Diese Frucht ist die Freundschaft mit Jesus Christus. Jesus sagt heute im Evangelium: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, ich nenne euch Freunde.“

 
 

Das typische Kennzeichen von Freunden ist, dass sie keine Geheimnisse vor einander haben. Jesus sagt: „Ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ Ich habe keine Geheimnisse vor euch. Jesus nimmt uns mit hinein in die ganz tiefe Beziehung, die zwischen ihm und seinem Vater besteht. Und wenn jemand für sich entdeckt: Mein Leben ist eine Freundschaft mit Christus, dann hat das Auswirkungen auf ganz viele praktische, christliche Lebensbereiche. Das hat Auswirkungen auf unser Beten. Dann ist Beten nicht mehr eine Pflichtübung, dann wird Beten eine Art „Freundschaftsverkehr mit Gott“, wie Theresa von Avila einmal sagt. Wie ein Freund mit seinem Freund redet. Eine Freundschaft muss man auch pflegen, sonst geht das nicht. Auf dem Weg zu seinem Freund darf man kein Gras wachsen lassen.

 

Jesus erwartet nicht, dass wir einen Katalog von religiösen Pflichten erfüllen. Nein, Jesus bietet uns seine Freundschaft an, einfach so. Und er wirbt, er bittet darum, dass wir uns auf seine Freundschaft einlassen.

Im Evangelium sagt Jesus heute: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben hingibt für die Freunde.“ Jesus hat sein Leben in den Tod gegeben für uns, für seine Freunde. Sein Tod am Kreuz ist gleichsam das Siegel, der Stempel auf die Freundschaft, die er uns anbietet. Wenn wir in jeder Heiligen Messe den Leib Christi in die Hand gelegt bekommen, und wenn dann der Pastor oder ich sagen: „Der Leib Christi“, und wenn wir dann unser deutliches „Amen“ dazu sagen, dann ist es gleichsam das Amen zu der tollen Freundschaft, die Jesus uns anbietet.

Dieses Amen bedeutet dann: Ja Jesus, ich will, ich will auch dein Freund sein. 

Amen.

 

6. So. Osterzeit – Lj. C (Joh 14,23-29)

6. Sonntag der Osterzeit – Lesejahr C (Joh 14,23-29)

Sie wollten im Garten spielen, die beiden Sprösslinge der Familie. Sie hatten sich zwei kleine Schwerter aus Holz gebastelt und die mussten doch nun auch ausprobiert werden. Also stürmten die beiden Helden davon, um sich draußen auszutoben. Und eine ganze Zeitlang scheint es ihnen auch wirklich Spaß gemacht zu haben. Die Eltern begannen sich schon zu wundern: wie ruhig es doch bei den beiden war – ein ganz ungewohntes Gefühl. Dann aber, nach einer guten Viertelstunde, da konnte man von draußen plötzlich lautstarkes Geschrei hören, und ganz deutlich war dann bald darauf lautes Weines zu vernehmen.

„Jetzt ist aber Schluss!“ sagte die Mutter bestimmt, ging zu den beiden, drohte ganz eindringlich mit dem Zeigefinger und nahm ihnen ganz einfach die Schwerter weg. Mit halboffenem Mund, aber mucksmäuschenstill sahen die beiden der Mutter nach, und ganz besonders ihren beiden Schwertern. Die Mutter nahm sie einfach mit.

Die Stille hielt denn auch einen ganzen Augenblick lang an. Keine zwei Minuten später aber war das Geschrei wieder da. Nein, Schwerter hatten die beiden jetzt keine mehr, aber sie hatten nun damit begonnen, sich mit Steinen zu bewerfen.

Liebe Schwestern und Brüder,

die Mutter dieser beiden Kinder, war nicht die erste, die diese Erfahrung machen musste.

Zwei Streithähnen die Schwerter aus der Hand zu nehmen, das reicht eben noch lange nicht aus um den Frieden wiederherzustellen. Wer keine Schwerter hat, der kann sich auch mit Steinen den Schädel einschlagen, wer keine Schwerter hat, der muss noch lange nicht im Frieden leben.

Diese Mutter war nicht die erste, die das entdecken musste. Was hier für diese Kinder gilt, gilt schließlich überall im Leben.

Über 40 Jahre lang hat man zum Beispiel die zerstrittenen Volksgemeinschaften auf dem Balkan, daran gehindert aufeinander loszugehen, hat sie mit viel Härte und Unterdrückung gezwungen in einem Staat, in Jugoslawien, zu leben und miteinander auszukommen.

Sie haben das hingenommen. Wie wenig sich die Menschen dort dadurch wirklich nähergekommen sind, das hat der schreckliche Balkan-Krieg vor einigen Jahren nur zu deutlich gemacht. Frieden gewachsen ist dort nicht.

Und auch wer sich ausgerechnet hatte, dass das militärische Eingreifen im Zweistromland , bei Euphrat und Tigris den Frieden dort sichern würde, der muss sich wohl eines besseren belehren lassen.

Sicher, wir können mit Gewalt für Ruhe sorgen, wir können Aufruhr und Unruhe unterdrücken, wir können mit Gewalt gegen Unruhestifter einschreiten; Frieden machen, ich fürchte, das können wir nicht.

Bei all den Anstrengungen, die mir aus der Geschichte bekannt sind, angefangen von den sogenannten Befriedungen bei den Römern bis hin zu den gegenwärtigen verzweifelten Versuchen im Nahen Osten,egal ob Irak oder Israel und Palästina, bei all diesen Anstrengungen ist selten ein Friede entstanden, ein Friede, der diesen Namen auch wirklich verdient, ein wirklicher Friede, einer, der mit Zufriedenheit zu tun hat.

Menschenmachbar ist der Friede nicht, machbar ist bestenfalls ein Zustand, wie er auf unseren Friedhöfen herrscht. Der Friede der Friedhöfe, der ist machbar.

Einsicht aber, etwas, was für echten Frieden unerlässlich ist, Einsicht, das ist etwas, was ich nicht herstellen kann.

Vernunft, ohne die eine solche Einsicht nie zu erreichen ist, Vernunft, das ist etwas, was ich nicht erzwingen kann.

 

 

 

Und wirkliches Umdenken, neues Denken über andere, und ganz besonders über die, die früher Gegner waren, wirkliches Umdenken das kann ich nicht produzieren. Ich kann Hilfestellungen geben, ich kann vielleicht versuchen zu vermitteln, aber Sie wissen ja selber, wie schwer es ist, allein schon im eigenen Bekanntenkreis, Menschen die sich zerstritten haben, dazu zu bewegen, wieder aufeinander zuzugehen.

Es ist notwendig, dass wir Brücken bauen, ohne Brücken kann ich einen Graben nicht überqueren, aber die schönsten Brücken helfen nichts, wenn diejenigen, die sie überschreiten sollen, sich einfach weigern solche Brücken zu betreten.

Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird es mir, dass es keine hohle Formel ist, wenn wir im Hochgebet der Versöhnung hören: „Dein Geist bewegt die Herzen, wenn Feinde wieder miteinander sprechen, Gegner sich die Hände reichen und Völker einen Weg zueinander suchen. Dein Werk ist es, wenn der Wille zum Frieden den Streit beendet, Verzeihung den Hass überwindet und Rache der Vergebung weicht.“

Da, wo verhärtete Fronten plötzlich weich und fließend werden, da, wo Menschen wirklich aufeinander zugehen, da ist mehr im Spiel als einfacher plötzlicher Sinneswandel, viel mehr als bloße menschliche Diplomatie oder gar reines taktisches Verhandlungsgeschick.

Für mich wird da konkret, was Jesus Christus im heutigen Evangelium verheißt, was es bedeutet, wenn er sagt: „Meinen Frieden gebe ich Euch. Ich gebe Euch Frieden, und zwar nicht einen Friede der Friedhöfe sondern den Frieden, der von innen kommt, den Frieden der Versöhnung und der Zufriedenheit. Ich gebe ihn Euch“, sagt Jesus, und es ist bitter notwendig, dass er es tut, denn machen können wir diesen Frieden nicht!

Amen.

2. Advent 2005

PREDIGT 2. Advent 2005

 

Was tun wir, wenn wir Besuch erwarten? Ganz egal, ob es willkommener Besuch ist, oder solcher, auf den wir gerne verzichtet hätten? Wir bereiten uns irgendwie darauf vor. Das sieht sicher bei jedem etwas anders aus, aber es gehören doch die einfachsten Dingen dazu: Ich werde dafür sorgen, dass der Kommende überhaupt den Weg zu mir findet. Wenn es Abend ist, werde ich für ihn ein Licht anmachen. Ich werde dafür sorgen, dass etwas zu trinken bereit steht. Ich werde etwas zu essen richten. Vielleicht ein Bett zum Schlafen.
Doch nicht nur äußerlich will ich vorbereitet sein, sondern auch innerlich: Ich
werde mir meine Arbeit und meine Vorhaben rechtzeitig so einteilen, dass ich für den Gast auch Zeit und innere Aufmerksamkeit übrig habe. Der Gast, der da kommt, wird es spüren.

Und nun heißt Advent: Gott kommt. Gott kommt mich besuchen. Er begegnet mir. „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?“ So fragt das Adventslied. Wo und wie könnte er mir begegnen? Still und unaufdringlich durch die Antwort auf ein Gebet, durch eine Ermutigung, indem mir ein Weg gezeigt wird, indem ich ihn spüren kann in Glücksmomenten meines Lebens. Oder deutlich spürbar durch die Hilfe und Anwesenheit eines anderen Menschen. Oder aber auch herausfordernd, indem er mir selber in einem Hilfsbedürftigen begegnet, indem er mir auf einmal Grenzen aufzeigt, oder mich auf meiner Lebenswanderung an eine Weggabelung oder gar in eine Sackgasse führt.

Wenn nun also Gott kommt, bei einem jeden auf seine Weise, muss ich mich vorbereiten wie auf eine beliebten oder auch ungebetenen Gast.
Er kommt, ganz gewiss. Das hängt nicht von mir ab. Aber vielleicht nehme ich ihn gar nicht wahr, wenn ich nicht auf ihn vorbereitet bin?

Johannes rechnete damals wie viele seiner Zeitgenossen ungeduldig damit, dass Gott bald für alle sichtbar kommen werde. Er empfand es als seine Lebensaufgabe, als seine Sendung, die Menschen radikal darauf vorzubereiten. Eine Taufe der Buße, also eine Taufe zur Vorbereitung und Reinigung im Blick auf den kommenden Herrn.


Etwas vereinfacht gesagt: Wenn jemand zum Zahnarzt geht, putzt er sich zuvor die Zähne. Wenn jemand zum Friseur geht, wäscht er sich zuvor die Haare. Wenn jemand zum Arzt geht, wäscht er sich zuvor die Füße. Und vielleicht noch ein wenig mehr – je nach Untersuchung. Und wenn nun jemand seinem Schöpfer begegnet, der ganz tief in ihn hineinschauen kann, und vor dem er daliegt wie ein aufgeschlagenes Buch, sollte der sich nicht zuvor den inneren Menschen reinigen lassen?

Es gibt diese Reinigung des inneren Menschen nach Aussage der Kirche nur durch „Buße“. Umdenken steht da im Griechischen, umkehren. Also nicht nur Umkehr mit den Füßen, sondern mit der ganzen Person, mit der ganzen Lebensrichtung.

Das Krumme im Leben eines Menschen soll gerade werden und das Unebene eben: Wenn Jesus im Advent als Friedensbringer einzieht: Kann er mir begegnen, wenn ich nicht, soweit es an mir liegt, Frieden mache zwischen mir und anderen in diesen Tagen? Wenn Jesus als der Sanftmütige einzieht: Kann er mir begegnen, wenn ich selber die Ellenbogen für das wichtigste Werkzeug im Alltag halte?
Wenn er einzieht als der Heiland: Kann er mir überhaupt begegnen, wenn mir mein inneres Heil, meine seelische und geistliche Gesundheit gar nicht wichtig sein sollten?

Glaubt nicht, sagt Johannes an anderer Stelle, Ihr könnt euch darauf berufen, dass Ihr Juden seid, dass euch Gottes Verheißungen an Abraham automatisch gelten, wenn Ihr Euch nicht im täglichen Leben danach ausrichtet. Der Name allein tuts nicht, nur Christ heißen reicht nicht, wenn nicht euer Verhalten dazu passt.
Johannes staucht die Menschen die zu ihm kommen richtig zusammen.

Darf man Menschen, die freiwillig kommen, um einer Predigt zuhören, so unbarmherzig fertig machen?
Sollte er nicht froh sein, dass sie überhaupt da sind?
Aber andererseits: Muss man nicht manchmal so unbarmherzig und unmissverständlich sein, wenn es um Sein oder Nichtsein geht?

Darf z.B. ein Arzt, der sieht, dass ein Mensch durch seine Lebensweise eindeutig auf einen Herzinfarkt zusteuert, oder der seine Lebensweise partout nicht seiner Zuckerkrankheit anpassen will, noch abwiegelnd und zögerlich reden?

Muss er nicht klar und unbarmherzig sagen, was Sache ist?

Es gibt im Leben Situationen, würde Johannes vielleicht mit den Worten des Volksmunds sagen, wo es spitz auf Knopf steht, oder wo es um die Wurst geht.
Radikal ist dieser Johannes im wahrsten Sinne des Wortes: „Radikal“ kommt nämlich aus dem lateinischen und bedeutet: an die Wurzel gehend. Und so muss wohl manchmal auch eine Drohung im Dienste des Lebens stehen: Es geht manchmal nicht ohne eine schmerzhafte Wurzelbehandlung. Alles andere wäre nur quacksalbern oder Herumdoktern.

Kein Wunder, dass die Zuhörer des Johannes, derart verunsichert, am Ende fragen: „Was sollen wir denn nun tun?“ „Gibt es überhaupt noch eine Rettung bei diesen radikalen Maßstäben?“ Höre ich aus dieser Frage heraus. Oder: „Ist denn von einem jeden die radikale Wende gefordert?“
Nein, offensichtlich ist nicht bei jedem und nicht zu jeder Zeit eine radikale Wende angesagt: Der Soldat darf Soldat bleiben. Der Zöllner muss seinen Beruf nicht aufgeben. Doch beide sollen in Zukunft ihre Grenzen respektieren, da wo sie sie vorher überschritten haben. Sie sollen das rechte Maß finden und beachten, wenn sie vorher maßlos waren. Und sie sollen bei allen Kompromissen, die ihr Beruf ihnen abverlangt, dem Mitmenschen dienen.

Aber, bevor wir uns hier alle nach dem ersten Schreck wieder erleichtert zurücklehnen. Ohne innere adventliche Unruhe lässt Johannes doch niemand nach Hause gehen: Wer zwei Hemden hat sagt Johannes, braucht sie nicht beide hergeben. Aber doch eines dem, der keines hat. Und wir haben alle eine ganze Menge Hemden und alle möglichen anderen Dinge. … Da müsste jetzt die Predigt noch einmal ganz von vorne losgehen. Aber die muss sich jeder im Stillen selbst halten. …

2. Adventsso. – Lj. B (Mk 1,1-8) 08.12.02

2. Adventssonntag – Lesejahr B (Mk 1,1-8) 08.12.02

Liebe Schwestern und Brüder,

 

das muss ein verdorbenes Volk gewesen sein, die Einwohner von Jerusalem damals.

Die müssen es notwendig gehabt haben!

Man muss sich das nur einmal vorstellen: Da kommt ein einziger Mann und predigt ihnen etwas vor von Schuld und Bekehrung, und plötzlich rennt alles los, um sich im Jordan taufen zu lassen, plötzlich strömt alles und bekennt seine Schuld!

Die müssen einiges auf dem Kerbholz gehabt haben, wenn die Menschen so in Scharen zur Bußtaufe kamen.

Ein verdorbenes Volk muss das gewesen sein!

 

Das wäre heute mit Sicherheit anders. Nehmen Sie nur mal an, der Johannes würde heute predigen. Und jetzt nicht etwa am Jordan, nein, sagen wir ganz einfach drüben am Ölbach.

Ich denke, wir könnten die Leute, die ‚rüber gingen, um sich taufen zu lassen, ich denke, wir könnten sie an einer Hand abzählen!

Johannes hätte heute – und da bin ich mir sicher – er hätte heute kaum den gleichen Erfolg wie damals.

Denn allem Anschein nach haben die Menschen heute so etwas nicht mehr nötig.

Scheinbar hat sich das Problem mit der Schuld längst erledigt.

 

Wenn Sie sich heute durchfragen – und da ist es egal, ob sie jetzt junge oder ältere Menschen nehmen – wenn Sie heute irgend jemanden fragen: Haben Sie denn noch so etwas wie persönliche Schuld?

Ich nehme an, das Ergebnis wird recht einheitlich ausfallen.

Wer von uns hat denn heute noch Schuld?

Wer wäre denn ein schlechter Mensch?

Ich denke, Sie kennen das: Ich habe keinen umgebracht, und irgendwo eingebrochen bin ich auch nicht!

Ich wüsste gar nicht, was ich an Schuld haben soll!

Wenn man Umfragen trauen darf, dann hat sich das Problem mit der Schuld anscheinend längst erledigt.

An den Jordan zu ziehen und dort seine Sünden zu bekennen, scheinbar hat das von uns heute niemand mehr nötig.

Scheinbar haben wir das nicht mehr nötig!

Denn wenn ich genauer hinschaue: zumindest bei mir stelle ich da anderes fest.

Wenn ich mich ehrlich frage: Wie sieht es denn tatsächlich bei mir aus?

Wie bin ich denn, zum Beispiel dem anderen gegenüber?

Gehe ich denn wirklich auf ihn zu, oder warte ich nicht viel zu oft, dass der auf mich zukommt?

Wie viel Zeit schenke ich dem anderen wirklich?

Wie vielen begegne ich ablehnend, misstrauisch, kühl und berechnend?

Wie viele habe ich – ohne es vielleicht zu wissen – verletzt?

Wie viele Menschen gibt es, denen ich nicht verzeihe, wie viele, gegen die ich Vorurteile habe?

Wie oft habe ich über andere geredet, was bei anderen schief gelaufen ist weitergetratscht?

Und bin ich überhaupt dankbar dafür, dass ich hier bin und leben darf?

Wann habe ich Gott zum letzten Mal „Danke“ dafür gesagt?

Wie oft bin ich nur zu ihm gekommen, wenn ich etwas von ihm wollte?

Wie selten hab‘ ich ihm eigentlich gedankt?

Oder überhaupt erst an ihn gedacht?

Wie viele Stunden habe ich ihn gar vergessen?

Nein, nicht dass Sie jetzt meinen: ich möchte hier niemandem etwas vorhalten.

Ich frage mich nur selber!

Und ich stelle fest: je länger ich mich frage, desto länger wird die Liste, die ich am Ölbach aufsagen könnte!

Und vielleicht fragen Sie sich auch wieder einmal.

Wenn Sie Zeit haben, dann fragen Sie sich ruhig auch wieder einmal.

 

Das heißt: Nein, warten Sie nicht erst bis Sie Zeit haben.

Nehmen Sie sich die Zeit!

Sie tun es für sich.

Wie viele psychosoziale Beratungsstellen müssen noch gegründet werden, wie viele psychische Krankheiten müssen noch entstehen, bis wir endlich begreifen, dass man Schuld nicht vergraben kann; bis wir endlich einsehen, dass man sie unter keinen Umständen dadurch los wird, dass man sie einfach nicht wahrhaben will.

 

Das Volk von Jerusalem hat es noch gewusst.

Ein kluges Volk!

Es ist an den Jordan gezogen.

Und diese Menschen sind dazu gestanden, dass sie Schuld auf sich geladen haben.

Sie haben sie nicht verdrängt!

Nein, sie haben sie bekannt.

Denn sie wussten: so konnten sie Vergebung finden.

Kluges Volk von Jerusalem…


2. Adventsso. – Lj. A (Mt 3,1-12)

2. Adventssonntag – Lesejahr A (Mt 3,1-12)

Liebe Schwestern und Brüder,

… und dann plötzlich sind die Kinder aus dem Haus! Vorbei die Zeiten, als das Haus voller Trubel war, als immer eines der Kinder irgendetwas wollte und das Leben rund um die Uhr pulsierte. Es wird ruhig im Haus…

Wie oft hat man sich nach solcher Ruhe gesehnt, früher, als die Kinder klein gewesen sind! Mal wieder einen Abend nur zu zweit, einen Abend Ruhe… Damals hat man von all dem geträumt, was jetzt wieder möglich ist: Von den neuen Freiräumen für Zweisamkeit, von der Zeit, die man neu füllen kann, Zeit, die dem Leben eine ganz neue Qualität geben kann, wenn man sie denn zu füllen in der Lage ist. Es stecken schließlich ganz neue Chancen in diesem Lebensabschnitt, wenn man ihn als Chance begreift.

Aber – und daran lässt sich eben nichts wegdiskutieren – es bleibt ein fahler Beigeschmack. Denn so manches Loch tut sich ja auf, und manch wehmütige Erinnerung bleibt zurück.

Aus den kleinen Kindern, die man tragen und so manches Mal wieder aufheben musste, sind gestandene Männer und Frauen geworden. Sie gehen nun ihren eigenen Weg, leben ihr eigenes Leben, und nach Hause kommen sie nur noch ab und an.

Aber sie kommen! Und das ist das entscheidende. Sie kommen immer wieder – und nicht etwa, weil sie müssten, sondern weil sie irgendetwas nach Hause zieht, weil es einfach etwas Schönes ist, wieder einmal zuhause zu sein, und weil es eine Beziehung gibt, die sie ganz fest miteinander verbindet, eine Beziehung, die in all diesen Jahren gewachsen ist, die sich immer wieder verändert, aber eigentlich jedes Mal nur noch tiefer eingegraben hat.

Ich könnte mir vorstellen, dass es sich bei den allermeisten von Ihnen genau so entwickelt hat. Und das ist Ihnen auch zu wünschen! Nicht immer aber läuft es so. Manchmal gehen Kinder auch ganz aus dem Haus, und manchmal erkalten Beziehungen auch. Manchmal verkommt der Kontakt zu den Eltern zur gesellschaftlichen Konvention und zur Pflichterfüllung.

Solch eine verkommene Beziehung hat ganz offensichtlich Johannes der Täufer vor Augen, wenn er den Menschen seiner Zeit den Spiegel vorhält. Da sind Menschen, die sagen: „Wir haben doch Abraham zum Vater!“ – genauso wie man heute sagen würde: „Es kann uns doch gar nichts passieren, wir sind doch alle Kinder Gottes!“ So sagen die Menschen – und ansonsten lassen sie den lieben Gott ’nen guten Mann sein, den man, wie einen altgewordenen Vater, ab und an eben in treuer Pflichterfüllung am Wochenende, im Gottesdienst, wie in einem Altersheim besucht. Eine Haltung, die in Israel zur Zeit Johannes des Täufers genauso stark verbreitet war, wie sie unsere christliche Praxis tagtäglich prägt. Eine Einstellung, die die Menschen in Israel damals als genauso ausreichend empfanden, wie viele Christen unserer Tage.

Als ob Eltern davon begeistert wären, wenn Kinder den Kontakt zu ihnen nur noch als Pflichtübung halten. Gott träumt von etwas anderem. Er träumt davon, dass da im Laufe der Jahre zwischen uns und ihm wirklich etwas gewachsen ist, etwas, was uns immer wieder zu ihm zieht, was uns seine Hand suchen lässt. Er träumt davon, dass wir seinen Rat suchen, wenn es darum geht, unsern Alltag zu gestalten, und dass wir verstehen, wenn er uns Grenzen aufzeigt, weil das, was dahinter liegt, eben nicht gut für uns wäre. Davon träumt dieser Gott: von einer wirklichen, einer lebendigen und tiefen Beziehung zwischen ihm und seinen Kindern.

Er ist Vater und Mutter, und diejenigen von Ihnen, die selbst Kinder haben, wissen ganz besonders gut, was das heißt! Gott ist wie Vater und Mutter. Er empfindet genauso wie Eltern. Und Eltern verstehen deshalb vielleicht auch am Besten, wovon dieser Gott träumt. Von allem, nur nicht von Pflichterfüllung – denn um Pflichterfüllung geht es Eltern nicht.

So. nach Allerheiligen und Allerseelen 2005

Sonntag nach Allerheiligen und Allerseelen 2005

Die Feiertage dieser Woche und dieses Monats lassen mir noch keine Ruhe. Allerheiligen und Allerseelen, Volkstrauertag, Toten- oder Ewigkeitssonntag. Ich kenne im Moment zu viele, die so schwer krank sind, dass sie bald zu Heiligen werden, zumindest werde ich an den nächsten Allerseelen traurig an sie denken. Liebe Leute, wertvolle Menschen, vermisst von Kindern, Freunden und Nachbarn, viele werden an sie denken, glaube ich.

Fahren Sie doch mal wieder nach Paderborn. Wir brauchen nur einen unserer Dome zu besuchen. Wenn Sie dort die Seitenschiffe entlanggehen oder um den Chor herum, dann fallen eine Fülle von Kapellen auf. Meist sind sie ganz prächtig ausgestattet, mit großartigen Altären und bedeutenden Kunstwerken. Stiftungen sind es in aller Regel; Stiftungen von vornehmen und reichen Leuten, die sich hier – nein, nicht etwa ein Denkmal setzen wollten, die sich vielmehr eine Stätte geschaffen haben, an der man an sie denkt.

Diese Kapellen waren ja in aller Regel mit bedeutenden Mess-Stiftungen versehen. Meist wurde auch ein eigener Priester bezahlt, der da manchmal sogar täglich eine Messe für den Verstorbenen zu feiern hatte – und das über Jahre hinweg.

Wir haben es hier mit Zeugnissen einer ungeheuren Sorge für das eigene Seelenheil zu tun – und das weit über den eigenen Tod hinaus.

Dem Zufall wollte man das nicht überlassen. Darauf zu vertrauen, dass da schon jemand an einen denken würde und vor allem für einen beten würde, wenn man dann von der Bühne dieser Welt abgetreten ist, das war viel zu unsicher. Darauf wollte man nicht bauen.

Nicht auszudenken, wenn am Ende niemand für einen beten würde wenn man tot ist, wenn keiner an einen denkt.

Liebe Schwestern und Brüder,

ja was ist, wenn nach dem Tod keiner an einen denkt?

Diese Angst treibt ja auch heute viele Menschen um. Immer mehr stehen im Alter ja ganz alleine da. Ein schönes Leben gehabt aber keine Kinder, warum auch immer. Die Zahl derer, um die sich zum Ende der Lebzeit kaum einer kümmert, wird immer größer. Und wer soll dann nach dem Tod an mich denken – geschweige denn für mich beten?

So mancher und manche machen sich da ja schon ihre Gedanken. Wenn man keine Angehörigen hat, die dann alles auch wirklich für einen regeln… Wenn die Kinder möglicherweise sagen: „Ach das mit den Messen, das brauchen wir nicht!“

Da wird bei dem einem alles genau bis ins i-Tüpfelchen vorbereitet und gestaltet, und alle paar Wochen eine Messe gefeiert, oft auch bestellt von den Nachbarn. Und bei mir dann möglicherweise gar nichts? Kein Gebet, keiner Allerheiligen an meinem Grab, keine Messe an meinem Todestag, alles Wichtige versäumt und vergessen?

Was ist dann mit mir? Was wird aus mir? Gibt’s also auch beim Start in die Ewigkeit keine Chancengleichheit? Die, die Glück haben, für die wird gebetet, und die, an die niemand mehr denkt, die schauen in die Röhre?

Wäre ja schlimm, wenn es so wäre.

Aber Gott sei Dank ist das eine Angst, die völlig unbegründet ist. Als ob es Gott darauf ankäme, was Menschen nach meinem Tod für mich tun.

Gott schaut auf mein Leben und auf meinen Glauben und auf mich. Ich bin ihm wichtig. Er hat mich ins Dasein gerufen, er kennt mich schon seit vor der Geburt, er hält mein Leben in der Hand und er trägt mich auch durch den Tod hindurch in ein neues Leben. Und er tut dies, weil er mich liebt.

Ich habe mir mein neues Leben nicht erst verdienen müssen, ich kann mir den Himmel nicht kaufen und ich brauche keine Seelenämter und Jahrestagsstiftungen, um am Ende gut vor ihm dazustehen.

Manche von den Großen der Vergangenheit werden am Ende recht schmerzhaft einsehen haben müssen, dass sie sich jämmerlich verrechnet haben. Wer im Leben ein Schweinehund war, der macht seine Taten auch durch noch so große Kapellenbauten und noch so viele Messstipendien nicht besser.

Gott schaut auf den Menschen – nicht auf die Zahl der Messen, die für ihn gefeiert werden.

Es wundert mich immer wieder, wenn Menschen sich vorstellen, als würde Gott so etwas wichtig sein. Als würde er all dies für die Verstorbenen sogar brauchen.

Gott braucht das nicht – wirklich nicht. Das was wir miteinander tun, all unser gemeinsames Beten, all unser Erinnern, all unser Feiern, alle Sakramente, sie sind Geschenke für uns – Gottesdienst: Gottes Dienst an uns Menschen. Denn wir Menschen brauchen das.

Die Pflege der Gräber, die Feier der Messe, das gemeinsame Denken an die Verstorbenen – in erster Linie geht es da doch um uns: und zwar um die, die zurückgeblieben sind, um die Angehörigen, mit denen wir uns verbunden wissen, um die Trauernden, die wir in unserer Gemeinschaft tragen wollen, denen wir zeigen möchten, dass niemand von uns alleine dasteht.

Zu spüren, dass da Menschen mit mir beten und singen, vor allem da, wo mir die Worte versagen, wo mir nichts mehr einfällt. Von Gott und der Gemeinschaft Trost zu erfahren, das ist das tiefste Geheimnis einer Messe im Umfeld einer Beerdigung.

Und das ist ja auch der Sinn dieser Feiertage: All denen, die einen lieben Menschen verloren haben, allen, die trauern sei die Frohe Botschaft mitgegeben, dass Gott keines seiner Kinder fallen lässt. Uns hält er an seiner Hand, uns führt er in Freud und Leid durch dieses Leben und unsere Verstorbenen fängt er auf. Sie sind in seiner Hand geborgen.

Diese wahrlich frohe Botschaft schenkt uns Gott. In diesen Wochen feiern wir sie. Wir feiern unseren Glauben, uns und untereinander geschenkt zum Trost.

Amen.

16. So. Jk. 2004 – Reif für die Insel-

 

 

 

Predigt zum Evangelium 16. Sonntag im Jahreskreis

Reif für die Insel

Ausruhen, sich erholen, ist gerade jetzt in der Sommerzeit, wo die Kinder Schulferien und viele Erwachsenen Urlaub haben, der Wunsch vieler.

„Kommt mit an einen einsamen Ort und ruht ein wenig aus!“ könnte auch ein Werbeslogan sein, der gestresste Manager oder vielleicht auch Pastöre in das Urlaubsparadies lockt.

Weg von der Arbeit, von den Mitarbeitern, Chefs und Kunden, die einem schon auf die Nerven gehen.

Nichts tun, keinen Druck, keine Hektik, es sich gutgehen lassen.

 

Auch die Jünger Jesu haben eine spannende aber genauso anstrengende Zeit hinter sich. Jesus hat sie ausgesandt, das zu tun, was auch er tat: von einem Dorf zum andern ziehen, die Kranken heilen, Dämonen austreiben und die Menschen zu Gott hinführen.

Die Erfahrungen und Begegnungen dieses Abenteuers waren sicher einschneidend für die Jünger.

Auf der einen Seite die Menschen, denen sie helfen konnten, auf der anderen Seite Misstrauen und Neid der Pharisäer und anderer, schließlich die Römer als Besatzungsmacht, die für „Ordnung“ sorgen und nicht zuletzt das Wissen, dass so unendlich viele Menschen Hilfe brauchen würden, all das brachten sie mit, als sie zu Jesus zurückkehrten.

Es ist notwendig, darüber zu reden, die Erfahrungen auszutauschen, vielleicht ein wenig Lob und Anerkennung zu bekommen, heraus aus dem Trubel, ein bisschen in Ruhe mit Jesus reden.

Jesus weiss, dass seine Jünger das nötig haben und er lädt sie ein: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus!“

Und sie fahren mit dem Boot weg.
Aber aus dem Urlaub wird nichts.

Die Menschen verfolgen sie, eilen ihnen voraus und mit der Ruhe ist es wieder vorbei.


Etwas, was uns selber nur allzu bekannt vorkommt.

Gerade dann, wenn man dringend eine kleine Pause nötig hätte ruft jemand an, wollen die Kinder etwas, ist noch dringend was zu erledigen . . .

 

Ich bin mir sicher, dass es nicht der Sinn dieser Erzählung ist, Aufopferung bis zum Letzten zu fordern.

Im Gegenteil habe ich eher den Eindruck, dass die Jünger an die Grenze ihrer Möglichkeiten stoßen sollten.

Mit der Vollmacht Jesu handeln zu können, hat auf alle Fälle tiefen Eindruck auf die Jünger gemacht und vielleicht auch den Wunsch hervorgerufen, jetzt gleich „die ganze Welt in Ordnung zu bringen“.

Die Sehnsucht nach Heilung und nach Hilfe ist groß.

Die Erzählung endet nicht da, wo Jesus die Menschen lehrt.

Nicht nur für den Geist, für die Seele braucht der Mensch Nahrung, sondern für den ganzen Leib.

Ehe sich die Jünger auf ihren Taten ausruhen können, stellt Jesus sie vor die nächste unlösbare Aufgabe: Sie sollen für die vielen Leute, die ihnen gefolgt sind, etwas zu essen beschaffen.

 

Aussichtlos nach menschlichem Ermessen.

Es sind nicht die Jünger oder wir Menschen, die aus eigener Kraft die Welt retten.

Gott ist es, der schenkt, so wie bei der Brotvermehrung, die alle Menschen die dort bei Jesus sind satt macht und noch viel mehr Brot als notwendig gibt.

Natürlich sind wir als Christen aufgerufen zu helfen, wo wir können, aber nicht bis zum Umfallen, nicht so, dass wir meinen: ich allein werde es schaffen.

Wir dürfen und wir sollen uns auch beschenken lassen, von anderen und nicht zuletzt von Gott, dessen Handeln keine Grenzen kennt.

 

Ausruhen können, vor allem dann, wenn ich sagen kann: ich hab mein Bestes versucht, heißt sich dem Wirken Gottes anvertrauen, auch anderen Menschen etwas zuzutrauen, anstatt sich unentbehrlich zu machen.

Die Orientierungslosigkeit und Bedürftigkeit der Menschen sind heute sicher nicht geringer als damals, vielleicht brauchen die Menschen heute sogar noch dringender einen Hirten.

 

Auch wenn wir nur bruchstückhaft zum Heil anderer beitragen können oder manchmal sogar dagegen arbeiten, trotzdem dürfen wir die Hoffnung und die Zuversicht haben, dass unser Tun nicht umsonst ist.

1. 11.1004 – Allerheiligen (1 Joh 3,1-3)

1. November – Hochfest Allerheiligen (1 Joh 3,1-3)

Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es. Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so wie Er heilig ist. (1 Joh 3,1-3)

Es gibt keinen Papst, der so viele Menschen heilig gesprochen hat, wie gerade der jetzige. Manchmal hat es gar den Anschein, als wolle er am Ende die ganze Welt heilig sprechen.

Das wäre ja was – dann müssten wir uns ja einfach nur hinsetzen und darauf warten, dass er es irgendwann einmal auch mit uns tut. Denn wenn er so weiter macht, dann wird er über kurz oder lang auch Sie und mich heilig sprechen.

Liebe Schwestern und Brüder,

natürlich ist das Blödsinn. Das wissen Sie genauso gut wie ich, dass wir auf diesen Tag vergeblich warten würden. Von einem Papst wird wohl kaum jemand von uns einmal heiliggesprochen werden.

Aber es geht ja auch anders. Wir brauchen nämlich gar keinen Papst, der uns heilig spricht. Das können wir selbst. Und das ist jetzt kein Blödsinn. Denn das steht genau so in der Bibel.

Wir brauchen gar niemand anderen, um zu Heiligen zu werden. Wir können uns selbst heilig sprechen. Im ersten Johannesbrief steht das ausdrücklich drin. Gerade eben haben wir es gehört:

„Wir wissen, dass wir Gott ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehn, wie er ist. Jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so wie Er heilig ist.“

Das ist alles! Mehr braucht es nach biblischem Ausweis gar nicht dazu, um heilig zu sein. Wir müssen lediglich hoffen – auf Gott hoffen, von ihm erhoffen, einmal zu sehen, wie er ist.

D’rauf zu vertrauen einmal bei ihm zu sein, das ist alles, was Not tut. Denn dann gehören wir schon zu ihm. Und weil er, weil Gott der Heilige ist, sind alle, die zu ihm gehören, heilig.

„Jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so wie Er heilig ist.“

Fast alle Christen und selbst die meisten christlichen Handbücher und viele Theologen und Kirchenmänner haben nach Ausweis des ersten Johannesbriefes eine ganz falsche Vorstellung von der Heiligkeit.

Heilig wird man nicht zuerst durch eigene Leistung, nicht durch ein tolles Leben und nicht einmal durch heroische Taten. Heilig wird man zu aller erst weil man zu Gott, dem Heiligen, gehört.

Das ist wie in einer Familie. Meinen Namen habe ich bekommen, weil ich in diese Familie hineingeboren bin. Diesen Namen habe ich mir nicht verdient, meinen Namen habe einfach deshalb, weil ich zu dieser Familie gehöre. Ich kann mich dieses Namens als würdig erweisen, ich kann aber genau so zum schwarzen Schaf der Familie werden. Ich gehöre trotzdem zu ihr und den Namen trage ich auch dann.

Christ zu heißen, das ist wie mein Name, und heilig zu sein, das ist, wie zu einer Familie zu gehören, zu Gottes Familie, zur Familie des Heiligen schlechthin.

Sein Kind zu sein, Gottes Kind, Kind des Heiligen – das bedeutet heilig zu sein.

Ob ich mich seiner Familie als würdig erweise, steht auf einem ganz anderen Blatt. Zu ihm gehöre ich. Schon wenn ich von ihm erhoffe, ihn einmal zu sehen, so wie er ist, schon dann gehöre ich zu seinen Heiligen.

Deshalb verstehe ich die Aufregung auch nicht, wenn wieder einmal eine etwas zweifelhafte Persönlichkeit vom Papst heiliggesprochen worden ist. Ganz egal, wie zweifelhaft deren Ruf auch sein mag. So heilig wie Sie und ich sind die allemal, denn heilig ist jeder, der von Gott erhofft, ihn einmal zu sehen wie er ist.

Das sage nicht ich, das sagt die Heilige Schrift, das sagt uns Gott selbst: Und deshalb dürfen wir uns gerade heute an solch einem Festtag gegenseitig regelrecht willkommen heißen: willkommen nämlich in der Schar aller Heiligen.

Amen.

Pastoralverbund 2006 – Jetzt sind wir zu dritt-

Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. (Mt 18,15-20)

 

Jetzt sind wir zu dritt – schon länger. Kein Zweifel – wir sind jetzt drei. Nein – Vater bin ich nicht wieder geworden, ich meine auch keine 3 Menschen, nein drei Gemeinden meine ich: St. Marien, St. Anna und St. Judas Thaddäus. Eben haben wir gehört, dass Jesus sagt:“ wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

 

Liebe Gemeinde

 

als der Pastor mir das Evangelium für den heutigen Sonntag gab, fiel mir der Zusammenhang sofort ein. Es ist so, als ob Jesus uns, den drei Gemeinden dieses mit auf den Weg geben wollte: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen!“

 

Das ist nicht nur ein Bibelwort, gerade wo unser Pastor uns bald verlassen wird, klingt das für mich wie ein Leitwort, wie eine Überschrift über all das, was dann auf uns zukommt.

Und Jesus sagt, egal was kommt, egal wie ihr es anpackt, egal was sich ändert bei Euch dreien: „Ich bin dabei!“ Und das tut gut!

 

Seit Monaten frage ich mich und habe eigentlich noch keine Antwort, wie es denn wohl werden wird, was ist mit den Erwartungen unserer Gemeinde, welche Anforderungen werden an uns gestellt?

Auf Anordnung von Paderborn haben wir uns gerade dran gewöhnen müssen, dass wir nun in einem Boot sitzen, dass wir Dinge gemeinsam anpacken müssen, läuft ja auch schon, und jetzt wo der Pastor bald geht, müssen wir uns auch auf neue Leute einstellen, vielleicht noch mehr zurückstecken oder auf liebgewordene Gewohnheiten verzichten.

 

Judas Thaddäus hat den eigentlichen Pastor nicht mehr vor Ort, den zuständigen Pfarrer oder Vikar wird man weniger sehen als den Meisten lieb ist, und einige von uns haben von der neuen Situation einiges gehört oder ahnen einiges, so dass man kaum noch unvoreingenommen der Zukunft ins Auge schauen kann.

 

Dazu kommt noch, dass sich eigentlich niemand – ich auch nicht – richtig vorstellen kann, wie denn dann die Seelsorge hier bei uns an der Front in echt laufen soll.

Wer setzt die Schwerpunkte, wer packt die Dinge und Themen an die zu bearbeiten sind.

Wo behalten wir unsere Eigenständigkeit und wie können wir die gemeinsam leben?

 

All das sind Fragen, die ich bis heute mehrheitlich nicht geklärt sehe.

Da gilt es dann auszuprobieren, Lehrgeld zu bezahlen und auch Unsicherheiten auszuhalten.

Und alles was unsicher ist wirkt bedrohlich und macht auch ein Stück Angst.

 

Was auf uns zu kommt ist schon kompliziert und verlangt von jedem von uns eine ganze Menge. Nicht zuerst Arbeit – das nicht, was letztendlich viel schwerer wiegt nämlich: Bereitschaft.

 

Es geht um die Bereitschaft sich aufeinander einzulassen – auf das Neue, dem ganzen überhaupt eine Chance zu geben.

 

Wenn sich die Art unserer Erstkommunionfeiern etwa verändert – und es wird ganz zwangsläufig so sein, dass sie nicht so bleiben können, wie es früher gewesen ist – wer sagt uns aber, dass am Ende nicht etwas dabei herauskommt, was für unsere Kinder auch gut und hilfreich ist.

 

Wenn Verantwortlichkeiten, Kommunikationswege, Strukturen in unseren Gemeinden anders und auch unmittelbarer werden, wer sagt uns denn, dass dadurch das Leben vor Ort möglicherweise nicht sehr viel mehr gestärkt werden wird, als jemals zuvor.

Wir brauchen ganz einfach die Bereitschaft, uns auf das Neue einzulassen.

 

Aber jetzt nicht nur irgendeine theoretische Bereitschaft – so im Sinne von: Im Prinzip ist mir völlig klar, dass sich vieles ändern wird, und das ist auch notwendig so – außer wenn es mich betrifft!

Vor allem, wenn es mich betrifft: die Erstkommunion unseres Kindes, unsere Hochzeit, den geplanten Tauftermin oder auch die Trauerfeier und die Beerdigung eines lieben Angehörigen, vor allem da, wo es mich selbst betrifft, braucht es das Verständnis und die Bereitschaft, mich auf Veränderungen, zunächst einmal Ungewohntes und Neues wirklich einzulassen.

Dafür kann ich eigentlich nur werben und Sie alle ganz dringend darum bitten.

 

Wir müssen uns hier bei Thaddäus alle neu klar machen, warum wir bestimmte Dinge so tun, wie wir sie angehen, warum wir sie in der Vergangenheit so und nicht anders angepackt haben und weshalb manches davon auch anders geregelt werden kann und manches eben auch nicht.

 

Nur so sehen wir wirklich, woran wir bei uns unter keinen Umständen rütteln sollten und was für unseren Glauben unverzichtbar ist und was eben auch anderes werden kann und deswegen morgen auch anders geordnet werden muss.

 

Eine Antwort suchen auf all die Fragen wird für mich in den kommenden Monaten ganz sicher ein ganz großer Schwerpunkt in meinem Denken sein.

Und ganz sicher wird das auch für den Pfarrgemeinderat, den neuen Kirchenvorstand aber ebenso für Kolping, Frauengemeinschaft und andere Gruppen gelten.

Aber mit der Zusage im Hintergrund, die uns Jesus selbst heute gibt, habe ich da eigentlich gar keine Angst davor.

 

Wenn alle drei, St. Judas Thaddäus, St. Marien und St. Anna wirklich in Jesu Namen diesen Weg gemeinsam beschreiten, dann dürfen wir sicher sein, das der Herr selbst diesen Weg mit uns geht.

Er ist mitten unter uns und nimmt uns an die Hand.

Und wenn wir uns von ihm wirklich leiten lassen, wenn wir seinem Geist den Raum bieten unter uns anzusetzen, dann werden wir vielleicht in wenigen Jahren schon feststellen, dass es alles andere als schlimm war, als er uns zu dieser Zeit zusammen in ein Boot gesetzt hat.

Alles andere als schlimm – ganz im Gegenteil!

 

Vielleicht werden wir über kurz oder lang sogar entdecken, dass eigentlich alles ganz gut, dass es so wie es geworden ist, eigentlich ganz gut geworden ist.

 

Amen.