07.06.13 „Sommerferien“

Wort zum Sonntag 07.06.13 „Sommerferien“

Bald ist es soweit. Dann heißt es auch bei uns: Sommerferien oder Urlaub! Endlich. An dieses Gefühl erinnere ich mich noch ganz gut. Wenn wir mit unseren Kindern unsere drei Wochen Urlaub machten, die letzten Tage davor musste man noch mal die Zähne zusammenbeißen. Ich hatte den Eindruck, wenn jetzt die Ferien oder der Urlaub nicht anfangen, ich breche zusammen. Als wenn alle Kräfte nur bis zum letzten Schul- oder Arbeitsalltag programmiert wären. Und es kam im Urlaub wie immer, alle Pläne und Vorhaben, Besichtigungen und Gesellschaftsspiele waren noch nicht ansatzweise umgesetzt, und die Ferien oder der Urlaub waren schon zu Ende. Und heute, als Rentner kommt mir die ganze Zeit auch fast wie eine einzige Sommerferienzeit vor. Immer schneller rast die Zeit. Wenn ich bedenke, was ich mir noch alles vorgenommen habe, wie viel an Plänen und Ideen noch in der Schublade sind, da fällt die Prognose nicht schwer, dass ich am Ende auch nicht fertig werde. Wie die drei Tanten meiner Frau (99, 92 und 90 Jahre), die am letzten Sonntag zu Besuch waren. Entweder der 100. Geburtstag, die Einschulung des Enkelkindes, der Besuch der Kinder, zwar alle etwas gebremst, aber dennoch haben sie Pläne im Kopf, für die unkalkulierbare Zeit die noch vor ihnen liegt. Das erlebe ich ähnlich bei meinen Krankenbesuchen, wenn ich auf Menschen treffe, die seit Jahren im Bett liegen und sich auf die wenigen Highlights der Woche freuen. Sie können nicht mehr wegfahren, werden keinen Strand und keine Berge mehr erleben, aber meistens sind sie nicht deprimiert, blicken oft verklärt auf die zurückliegende Zeit, und dennoch schauen sie auch hoffnungsvoll und gottvertrauend nach vorne, in einen eher kurzen Zeitraum – wie er auch auf jeden von uns zutreffen könnte. Gott ruft nicht der Reihe nach.

Ich habe ein beeindruckendes Gedicht von Rose Ausländer gelesen. Sie schildert eine Urlaubsreise, allerdings vom Bett aus, das sie ihre letzten zehn Jahre nicht verlassen konnte. 10 Jahre lebt sie schon in einem kleinen Zimmer im Altersheim und trotzdem diese Weite und Weltoffenheit: „Ich gehe im Bett spazieren. Am Ufer des Ganges und zur Mauer Abazzia. Mein Herz liegt in der rostigen Hülle der Trauer. Meine Wege führen ins Wunder.“

Ich gehe im Bett spazieren ..! Ich will die Traurigkeit darüber, nicht mehr selbständig und mobil zu sein, nicht klein reden. Wer verreisen will und es nicht mehr kann, ist zu recht traurig. Nicht nur die Dichterin, viele Menschen haben einen anderen Weg gefunden zu verreisen. Sie reisen nach innen. Sie holen sich die Bilder ihrer Erinnerungen hervor und genießen sie ganz bewusst.

„Vergiss nicht, es gibt ja das Licht!“ sagt Rose Ausländer in einem anderen Gedicht. Vielleicht ist das ja auch für alle, die nicht mehr verreisen können, eine Hilfe. Das wünsche ich mir auch, wenn ich mal nicht mehr verreisen kann, dass ich dann immer noch genügend Licht auf meinem inneren Weg sehen kann. Und dass Menschen mich dann besuchen, die mir von ihren Urlaubsreisen erzählen. Aber für alle gilt, wie es sinngemäß in der Bibel heißt (Psalm 90): Gott, lehre uns rechtzeitig bedenken, dass die Sommerferien einmal zu Ende sind, damit wir klug werden.

Ihnen und Ihren Familien einen gesegneten Sonntag und einen schönen Urlaub, wie auch immer sie ihn verbringen. Ihr Arthur Springfeld (Diakon)


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