3. Fastensonntag – Jakobsbrunnen – Predigt

3. FASTENSONNTAG – 19. März 2017 –

JOHANNES 4,5-15.19b-26.39a.40f – Jakobsbrunnen

(Brunnen (blaue Tüte) – jede Menge Müll)

Liebe Gemeinde,
Jesus kommt zu einem Dorf in Samarien. Er setzt sich dort an den Brunnen, der vor dem Dorf gegraben ist.
Eine Frau kommt, und Jesus bittet sie um Wasser. Daraus entwickelt sich ein Gespräch, in dem Jesus der Frau lebendiges Wasser anbietet.
Die Frau bittet ihn: gib mir davon, dann habe ich keinen Durst mehr!
Und da geschieht etwas Merkwürdiges. Jesus fragt die Frau nach ihrem Mann.
Und sie antwortet: Ich habe keinen Mann. Und Jesus sagt ihr auf den Kopf zu: Richtig, du hattest fünf Männer und auch der jetzige ist in Wirklichkeit nicht dein Mann.
Damit trifft Jesus das Thema dieser Frau: ihren großen Durst nach Liebe, Anerkennung und Zuwendung.
Ist es Zufall, dass dies alles an einem Brunnen geschieht?
Brunnen sind ein uraltes Symbol für Menschen. Menschen sind auch wie Brunnen. Menschen haben auch Zugang zum Wasser in ihrer Tiefe, zum Grund ihres Lebens, zu ihren Gefühlen.
Und auch da werden Brunnen gegraben: Dass wir daraus leben und überfließen können.

Und dann – kommt die Welt:
Die Eltern. Die Großeltern. Die Geschwister, Nachbarn Freunde, Lehrer, Erzieherinnen… Und dann kann es passieren, dass unsere Tiefe verstopft, verschmutzt, verschüttet wird.

Das Tragische ist: Wir haben es sicher alle erlebt und geben es weiter. Unbewusst. Wir können nicht anders. Wenn wir mit dem Begriff Erbsünde überhaupt noch etwas anfangen können, dann hier. Wir erleiden Einschränkungen und geben sie oft automatisch weiter.

Ich will dieses am Bild des Brunnens deutlich machen. (Müll in den Brunnen)

Wir hören als Kinder zum Beispiel:
-Ein Junge weint nicht. -Du hast hier nichts zu sagen.
-Du bist zu dumm. -Dafür bist du noch zu klein.
-Grins nicht so unverschämt. -Halt die Klappe. – ein Mädchen macht so was nicht
-Solange du deine Füße unter meinen Tisch steckst, machst du, was ich sage. (Fällt Gemeinde was ein!?)
Natürlich gehören auch Streit und Prügel und Schlimmeres zu dem Abfall, der sich auf dem Grund unseres Brunnens ablagert.

Schlimm ist das, was da geschieht. Wir haben es alle erlebt als Kinder und es setzt sich bei den Erwachsenen fort, nur meist etwas verdeckter und versteckter.

Tragisch ist auch, dass nicht immer eine Kleinigkeit nur eine kleine Wirkung hat. Ein für meine Ohren oft unbedachtes harmloses Wort kann schlimme Wirkung bei einem Kind oder einem Erwachsenen haben. Umgekehrt mag eine für mich furchtbar klingende Sache bei einem anderen vielleicht nur eine geringe Wirkung haben. Wir haben´s oft nicht in der Hand und können´s nicht voraussagen.

Es trommelt im Leben so viel auf uns ein, dass wir keine Möglichkeit haben, es zu verarbeiten.
Es bleibt im Brunnen liegen und verstopft, verschüttet, vergiftet den Zugang zu meiner Tiefe, zu meinen Gefühlen, zum Wasser des Lebens. Mehr oder weniger.

Das Wasser will aber nach wie vor heraus. Es gehört zu unserem Lebensprinzip, dass Gefühle fließen wollen, ob ich das will oder nicht.
-Ich will meine Freude zeigen.
-Ich will meine Angst ausdrücken.
-Ich will meiner Trauer freien Lauf lassen.
-Ich will meine Wut herauslassen.

Kinder tun dies immer wieder, spontan, überraschend und unverkrampft, bis sie auf die Erwachsenen treffen.
Und je nachdem, was ich erlebe, habe ich mehr und mehr Mühe mit meinen Gefühlen oder einem Teil damit.


Später, wenn wir größer sind gibt es zwei Möglichkeiten, mit dem stärker werdenden Druck umzugehen.

Der Druck will irgendwann raus.
Er sucht sich schließlich seinen Weg zwischen dem Abfall und schießt mit Schärfe heraus.
Dann sprechen wir von Gewalt – oder ein Mensch brüllt laut – oder Kinder werden verhaltensauffällig genannt.
Oder es geht an einer Stelle nichts mehr durch, der Abfall wiegt einfach zu schwer.
Dann sucht der Druck sich seinen Weg in Krankheiten.
Was wir im Leben erlebt haben, das drücken wir aus.
In unserer Haltung. – Unserem Gesichtsausdruck. – Unserer Gestik. – unseren Worten

Die Frau in der Geschichte hat Durst nach einer verlässlichen Beziehung zu einem Mann. Fünf hat sie gehabt und der momentane ist auch nicht richtig ihr Mann, d.h. mit ihm erlebt sie auch nicht, was sie sucht.
In ihrem Leben sind sicher Dinge geschehen, die diese Frau unfähig gemacht haben, zu lieben.
Vielleicht war die Angst zu vertrauen, zu groß. Vielleicht hat sie nie gelernt Freude auszudrücken.

Jesus sieht auf den Grund der Seele dieser Frau wie in einen tiefen Brunnen.
Das bist du jetzt, sagt er, und das ist dein Problem.
Und ich biete dir lebendiges Wasser an. Komm, wag einen Schritt. Sag ja!
Da ist keine Forderung. Da ist kein erhobener Zeigefinger von Jesus!

Sondern es fließt von Jesus etwas über zu der Frau. Und sie erhält dadurch Zugang zu einem Teil ihrer verschütteten Gefühle in der Tiefe. Doch zugleich geschieht noch mehr. Es geht noch eine Stufe tiefer.

Denn wenn ich es wage, mich dem zu stellen, was in mir ist, dann kommt die Angst in mir wieder hoch. Die Angst, die ich damals hatte, als ich meine Gefühle zeigen wollte und auf die Erwachsenen traf. Vielleicht spüre ich noch sehr deutlich die ausholende Hand des Vaters hinter mir.

Jesus sagt: Gott will Dir lebendiges Wasser anbieten. Gott will, dass du hindurchdringst zum Grund deiner Selbst“.
Das Fundament Deines Lebens ist Gottes Zusage: Ja, und so bist du. Und so bist du angenommen!“

Und vermittelt wird dies durch Menschen. Damals durch Jesus. Heute Menschen in seiner Nachfolge. Menschen die es mir erlauben, mich meinen Gefühlen zu stellen und sie herauszulassen, sie aus-zu-drücken und die dabei glaubwürdig vermitteln, dass Gott hinter und unter mir steht, immer, absolut und sicher.

In der Geschichte hat Jesus eine Tür geöffnet. Die Frau hat einen ersten Schritt getan. Doch der Schutt liegt noch drin. Aber sie hat Vertrauen gefasst. „Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe. Doch es muss weiter gehen. Der Abfall muss heraus. Schritt für Schritt“. – (Müll aus Brunnen holen)
Damit lässt der Druck nach. Das Wasser kann wieder fließen.

Wie das gehen kann, ist ganz unterschiedlich sein. Durch Gespräche. Durch Schreiben. Durch Lachen und Weinen. Durch Malen. Durch Singen und Musizieren. Durch Tanzen. Durch Stille. Durch beten …..

So können wir Menschen unser Leben verändern. Es ist möglich!
Jesus sagt: Komm, wag es! Du fällst nicht ins Bodenlose! Gott steht unter dir! Absolut und sicher!
Aber: Es ist nicht möglich, alles aus-zu-drücken und zu beseitigen, was da so in uns ist.
Das ist uns in dieser Welt nicht vergönnt.
Und:
Das Aus-ge-drückte ist nicht ganz weg! Es bleibt sichtbar auf dem Brunnenrand oder dicht daneben.
Aber es drückt nicht mehr! Es tut nicht mehr weh!

Und dann können wir es schaffen und auch erleben, dass wir mit Gottes Hilfe beginnen, überzufließen und andere, auch unsere Kinder und Enkelkinder, unsere Kommunionkinder und Firmlinge so zu begeistern und anzustecken, dass auch sie sich auf den Weg machen. So wie in der Geschichte die Frau zu ihren Nachbarn geht und sie zu Jesus bringt.
Denn: Wes das Herz voll ist, fließt der Mund über.
Amen.

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