22. 06. 14 – 12. Sonntag A – MATTHÄUS 10,26-33 – „Spatzen“ – PREDIGT
Mal ne Frage am Anfang – Für wen schlägt Ihr Herz?
Warum sind Sie heute hier in die Kirche gekommen?
Für wen gehen Sie?
In der Stadt, wo Rabbi Naftali lebte – so beginnt eine chassidische Erzählung – pflegten die Reichen, deren Häuser einsam oder am Stadtrand lagen, Männer anzustellen, die nachts über ihren Besitz wachen sollten. Als Rabbi Naftali eines Abends spät spazieren ging, begegnete er solch einem Wächter, der auf und nieder ging. „Für wen gehst du?‘ fragte er ihn. Der gab bereitwillig Bescheid, fügte aber dann die Gegenfrage dran: „Und du, Rabbi, für wen gehst du?“
Das Wort traf diesen wie ein Pfeil: „Noch gehe ich für niemanden“, brachte er nur mühsam hervor. Dann schritten beide langsam schweigend nebeneinanderher. Schließlich fragte der Rabbi den Wächter: „Wärest du bereit, mein Diener zu werden?“ „Das will ich gerne tun“; antwortete der Wächter, „aber was habe ich zu tun?“ – „Mich zu erinnern“; sagte der Rabbi, „mich daran zu erinnern, dass ich mich regelmäßig frage, für wen ich gehe.“
Man kann jahrelang seinen Dienst tun zu Hause, seinen Job machen, sich einsetzen, und auf einmal kommt die Frage in den Kopf: Für wen machst du das überhaupt? Für wen gehst Du?
Liebe Mitbeter heute, für wen gehen Sie eigentlich? Für wen sind Sie heute hier hingegangen?
Vielleicht für sich selbst, um einen Moment für sich zu haben?
Vielleicht weil Sie nicht wussten, wo sie sonst hingehen sollen um Ruhe zu finden um dem Trubel zuhause zu entgehen?
Vielleicht für Ihren Partner, um mit ihm zu gehen – das gehört sich so?
Vielleicht aber auch für ein Anliegen, für Ihre Sorgen, die Sie mit in den Gottesdienst gebracht haben?
Für wen gehen Sie, wenn Sie über Jahre einsetzen in der Frauengemeinschaft, bei den Schützen, im Bürgertreff, beim FC Sürenheide, Kolping, Politik, Caritas, wo auch immer?
Für wen gehen Sie, wenn Sie Ihre ganze Kraft lassen im Job oder sich den Hintern aufreißen für Ihre Familie?
Manchmal fragt man sich doch – wie blöd bin ich eigentlich?
Warum tue ich das alles? Wer bin ich denn?
Das ist genau die Frage! Wer bin ich und für wen gehe ich?
Diese Frage kommt immer wieder, und zwar ein Leben lang.
Diese Frage holt uns auch nach 25 oder 50 Jahren immer wieder ein, auch an einem Tag wie heute.
In der Regel gehen wir nicht für die ganz großen Ziele, sondern weil jeder Tag einfach gegangen werden muss, – mit den alltäglichen und gewöhnlichen Freuden und Sorgen.
Im Evangelium heißt es, nicht einmal ein gewöhnlicher Spatz fällt ohne den Willen seines Vaters zur Erde. Ich liebe Spatzen, weil sie so gewöhnlich sind.
Sie treten meistens in Gruppen auf, sie sind munter, sie sind quirlig und frech und laut.
Ich sehe ihnen gerne zu, wenn ich im Wintergarten sitze.
Dabei sind Spatzen nicht einmal etwas Besonderes.
Sie schreiten nicht wie die Pfauen – sind nicht so schön und kreischen nicht wie die Papageien, gleiten nicht am Himmel wie die Adler. Ihr Gefieder gibt auch nichts Überragendes her. Tolle Vögel. Ich liebe Spatzen. Weil sie so gewöhnlich sind.
Jesus mochte die Spatzen auch.
Ja, sie werden sogar von ihm namentlich erwähnt. Wofür fliegen Spatzen?? – sie fliegen einfach! „Und doch fällt kein Spatz zur Erde ohne den Willen des Vaters“, sagt Jesus.
Ein Satz nur. Mehr muss auch nicht sein. Aber der eine Satz reicht, die Bedeutung klar zu machen: Selbst – ja sogar Spatzen – von Gott gehalten!
Und dann wieder das gleiche Thema: Die Furcht, die Menschen haben!
Jesus spricht wieder mal die Jünger – und so auch uns an. „Fürchtet euch nicht!“, sagt er.
Haben Sie Angst? Wovor? Die Angst vor der Zukunft vielleicht:
die Angst, einen Menschen zu verlieren, die Arbeitsstelle oder die Wohnung – die Angst, vor Entscheidungen gestellt zu werden, die weh tun – die Angst, allein zu bleiben ohne Partner, noch schlimmer – ohne Kinder, die Angst krank zu werden.
Das Evangelium holt uns da ab, wo wir Angst haben.
Jesus sagt: „Leute, habt doch nicht so einen Schiss! Ihr seid doch viel mehr wert als alle Spatzen.“
Wann begreifen wir das endlich?
Mit Gott an der Seite brauchen wir keine
Angst zu haben.
Natürlich müssen wir nicht blöd sein.
Natürlich müssen wir unseren Verstand einschalten.
Natürlich müssen wir die Ärmel aufkrempeln – und dann einfach gehen und ER
geht mit!
Manchmal überkommt uns sogar die Angst vor dem Himmel, der mit Leichtigkeit die Spatzen trägt, weil er uns zu groß, zu weit, zu frei und zu glücklich sein könnte.
„Fürchtet euch nicht“, sagt Jesus immer und immer wieder – er hört nicht auf damit.
Und was Jesus zu sagen hat, sollen wir leben, weiter erzählen, will leuchten und soll die Welt hell machen auch für andere.
„Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag, und was man euch ins Ohr flüstert, das
verkündet von den Dächern.“ – wahrscheinlich würde Verl schon reichen.
Leute – Ich liebe Spatzen!! – Nicht, weil ein Spatz in der Hand besser ist als die Taube auf dem Dach – nein, weil sie so gewöhnlich sind und doch einen Ehrenplatz bei Jesus bekommen.
Spatzen – quirlig, lebendig – und jeder kleine Spatz ist in Gottes Hand!
Und er hält sie nicht zum Festhalten – nein ER hält sie, dass sie fliegen können!
„Das will ich gerne tun“; antwortete der Wächter, „aber was habe ich zu tun?“ – „Mich zu erinnern“; sagte der Rabbi, „mich daran zu erinnern, dass ich mich regelmäßig frage, für wen ich gehe.“