- Advent 2017 B „Seid wachsam“
Waren Sie schon mal in Rothenburg ob der Tauber? Ein herrliches mittelalterliches Städtchen. Wunderschöne Fachwerkhäuser. Und da hängt im Museum eine Urkunde von 1694. „Rheingräfliche Ordnung gegen den Kirchenschlaf“!
Dort heißt es in etwas schwierigem Deutsch:
„Wenn einer schläft, so sollen die Benachbarten auf beiden Seiten ihn von dem Schlafe erwecken und in Unterlassung dessen, wenn nämlich der Schlafende schnarcht und mit dem Kopf und Leib hin- und her wanket, jeder gleichergestalt drei Albus (eine alte Währung) zur Strafe geben. Damit aber einer sich des Schlafes besser enthalten könne, soll derselbe, den der Schlaf ankommen will, sich aufrichten und der Predigt stehend zuhören.“
Schlafen ist ja wirklich was gesundes und Gutes. Einen guten Schlaf – den gönne ich ihnen allen. Aber warum eigentlich in der Kirche nicht mal während einer Predigt schlafen? Ausruhen beim Herrn!
Vielleicht ist der Kirchenschlaf ja nicht das schlechteste Geschenk, das der Prediger den müden Gläubigen machen kann!?
Mal im Ernst –
In so vielen Gemeinden sieht man schlafende Christen und Christinnen.
Man erlebt im Dauerschlaf liegende Kirchengemeinden mit ihren Gremien.
Bei den Bischöfen und seinen vielen Mitarbeitern halte ich mich mal zurück.
Eine schlafende Kirche – das ist doch ein tiefer Widerspruch in sich? Oder?
Christinnen und Christen, Gemeinden, Kirchen, Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände, die die Augen geschlossen halten, sich die Ohren zustopfen und die Bettdecke über den Kopf ziehen – wozu sind die dann noch nütze?
Ich danke mit ihnen allen unserem Gott, dass es das Ganze so nun doch nicht so oft gibt.
Im Gegenteil, es gibt so viele wache und aufmerksame Christen um uns herum.
Es gibt so viele wache Gemeinden und es gibt auch an vielen Orten wirklich eine hellwache Kirche.
Aber, die Gefahr lauert jeden Tag! Sie ist da! Aber der eigentliche tiefe Schlaf ist nicht die wirkliche Bedrohung.
Die wirkliche Bedrohung ist diese Art Dämmerzustand, eine Art Lethargie – eine Bewusstseinsstörung, in der ich viele Dinge gar nicht mehr wahrnehmen kann. In meiner alten Heimat im Emsland früher hätte man gesagt: Is me doch shitegal!
Da ist bei uns Christen oft eine
- Unaufmerksamkeit,
- Unsensibilität,
- Zerstreutheit,
- Gleichgültigkeit,
- Im wahrsten Sinne auch eine Geistesabwesenheit,
die mit unserem Glauben nicht übereinstimmen kann. Diese Haltung hat nichts, gar nichts von den christlichen Werten, wie wir sie gelernt haben.
Wie oft klopfen doch Menschen, die in der Gemeinde wohnen, Menschen aus unserer Siedlung, Menschen, die mit uns zusammenleben, ja selbst die Menschen, die wir lieben, bei uns offen oder auch schüchtern, zurückhaltend und fast verschämt an?
Und wir – Wir merken das gar nicht!
Wir hören sie gar nicht.
Wir sind nicht da mit dem Ohr und dem Herzen.
Wir sind nicht anwesend, ja nicht wirklich gegenwärtig.
Aber was kann man dagegen tun?
Gottes Geschenk nutzen – und nachdenken!
Sich selbst mal wieder Ruhe, Raum und Zeit schenken!
Eine Stille finden, in der wir bei uns selbst ankommen!
Eine Stille, in der wir frei sind für seine Gedanken, seine Hilfe, seine Botschaft.
Für Gedanken, die uns die Chance geben uns wirklich erstmal selbst zu begegnen.
Und wenn wir vor uns selbst keine Angst haben, können wir auch seine Worte wahrnehmen!
Und dann fängt der Advent schon an!
Eine neue Zukunft wird geschenkt – seine Ankunft wird uns geschenkt!
Denn unser Gott will immer wieder neu bei uns ankommen.
- in seinem Wort
- in unserm Nächsten
- er will „Gestalt“ annehmen – ja „Fleisch“ werden für uns
- mit uns eins sein
damit unser Leben wieder eine neue tiefe Qualität bekommt.
Eine Qualität, nach der wir uns doch alle sehnen, von der wir im Schlaf träumen.
Und dann erreicht unser Leben –
- eine Größe, die alle Gebrochenheit, und alle Hindernisse überwindet.
- eine Größe, die alles was wir kaputt oder krank gemacht haben, wieder heilt.
- eine Größe, die alle Schuld und allen Streit hinwegfegt
- eine Größe, die auch alle Sinnlosigkeiten und Ängste verschwinden lässt.
- eine Größe, die unser Tun wieder stimmig macht und Heilung bringen wird, ganz tief in der Seele.
Wer diesen Advent erlebt, diesen neuen Advent
- der schläft nicht,
- der ist wach,
- der ist lebendig und aufmerksam –
- ja der hat auch keine Angst vor der letzten Stunde des Lebens.
Das will uns auch dieser Advent wieder schenken, mir, den Pastören und Bischöfen, der Gemeinde, den Mitgliedern der christlichen Gemeinschaften, auch den Kolpingfamilien, die in diesen Tagen den Kolpinggedenktag begehen. Das ist der wahre Advent – die immer wieder neue Ankunft unseres Gottes in unserem Leben.
Und dieser Gott, der aussehen kann,
- wie mein Nachbar,
- mein Partner
- oder ein Flüchtling,
will mit uns in eine Zukunft gehen, die wir uns oft erträumen, vor allem aber auch ein ganzes Stück erarbeiten müssen – darum: „Seid wachsam!“