09.10.11 „Erntezeit ist immer“

Wort zum Sonntag, 8./9.10.2011 – „Erntezeit ist immer“

Gartenarbeit mache ich richtig gerne. Aber mein Einsatz dort ging letztes Jahr haarscharf an einem Streit vorbei. Bei meinen Aktivitäten im Garten ist mir das schon öfter passiert. Ich hatte unsere Sträucher und vor allem unseren wunderschönen Amberbaum radikal zurückgeschnitten. Meine Frau und die Kinder glaubten nicht, dass sie das überleben. Und dabei wusste ich genau was ich tat. Ich hatte noch den Satz von Schwester Christophera, der Gartenschwester aus Varensell im Ohr: Haben Sie beim Beschneiden kein Erbarmen, schneiden Sie alles Verblühte tief ab, dann kommt das Neue umso besser. Kein Erbarmen, nicht zimperlich sein, kein Mitleid mit dem Gewächs. Keine Schonung, so wie wir Christen das sonst von der Bibel her kennen. Geduld wird dort gepriesen als wunderbare Tugend, es heißt: ein Geduldiger ist besser als ein Starker. Selbst Jesus ergreift Partei für einen Feigenbaum der keine Früchte bringt. Jesus sagt: Gib ihm noch ein Jahr, schenk ihm Geduld.

Der Rat von Schwester Christophera ist ein anderer: Loslassen, einen Schnitt machen damit das Neue kommen kann. Sich trennen von dem, was seine Zeit gehabt hat. Meine Sträucher und mein Baum hatten ihre Zeit. Sie haben toll geblüht, sie haben ihre Aufgabe erfüllt. Jetzt müssen die alten Äste weg, damit das Neue kommen kann und im kommenden Jahr neu und besser blüht.

Als Pensionär, als Rentner – oder einfach, fast alt geworden – frage ich mich auch, wo sind die Blüten von denen ich mich trennen muss in meinem Leben. Die Erfolge, die Höhepunkte, das Schöne? Eben meine Blüten, die verwelkt sind. Auch die muss ich abschneiden, von denen muss ich mich trennen, damit Neues wachsen kann.

An anderer Stelle der Bibel sagt Jesus auch zu uns: Lasst die Toten ihre Toten begraben, du aber gehe hin und verkünde das Reich Gottes. Wende dich der Gegenwart zu, dem Leben heute und schau, was jetzt, was heute dran ist, was Gott jetzt in dein Leben legt an Gaben, und auch an Aufgaben.

Bei ersten Lesen klingt das vielleicht kalt und herzlos, wenn einer seinen Partner schon loslassen musste, mit dem er noch gerne viele Jahre gegangen wäre. Ein gewaltiger Einschnitt, der viel Zeit zur Verarbeitung braucht.

Beim nochmaligen Lesen und tiefer hinein hören in die Aussage, ist es aber ein hilfreicher Satz, ein Trost und neue Motivation. Er meint nämlich: Orientiere dich nicht nach rückwärts. Was gewesen ist, ist vorbei. Du darfst alles in guter Erinnerung behalten. Du darfst dankbar sein für die Blüten und Früchte, die im Garten deines Lebens gewachsen sind. Aber all das soll dich nicht vom Jetzt und vom Heute abhalten. Frag dich immer wieder: Was ist heute wichtig? Was will in deinem Leben noch wachsen und reifen – vielleicht sogar noch blühen? So wie meine Rosen, die manchmal bis spät in den November noch kurze Zeit blühen, selbst wenn es gefroren oder geschneit hat. Ich freue mich auf diese Zeit.

Ihnen und Ihren Familien noch einen schönen und langen Herbst und einen gesegneten Sonntag. Vielleicht schauen Sie sich mal meinen Amberbaum an, er lebt noch und Sie werden staunen.

Arthur Springfeld (Diakon)

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