Wort zum Sonntag – Volkstrauertag – 16.11.08 „Gegen das Vergessen“
„Was wäre eigentlich, wenn?“ Was wäre eigentlich, wenn niemand an die Gedenkfeiern des heutigen Tages erinnert hätte? Was wäre, wenn es nicht in den Zeitungen von heute oder im Kalender gestanden hätte? Wer würde denn dann wohl an den Volkstrauertag denken? Für die Meisten wäre es wahrscheinlich ein ganz normaler Tag, wenn nicht gerade Sonntag wäre oder sie wären höchstens sauer, weil das Ordnungsamt verhindert, dass heute bestimmte Veranstaltungen stattfinden, die nicht zum Charakter des Tages passen.
Es werden immer weniger Menschen, die einen der beiden Kriege erlebt haben, die unser Land im letzten Jahrhundert durch litten hat, die Eltern, Kinder, Geschwister oder Kameraden dadurch verloren haben. Auch die Zeitzeugen in Verl sterben aus. Wir haben noch Denkmäler für unsere Toten und Gefallenen auch in Verl, die versuchen sollen die Erinnerung wach zu halten, auf denen aber oft Kinder spielen, weil junge Erwachsene keinen Bezug mehr dazu haben . Der heutige Tag wird immer wichtiger, denn die Gefahr des Vergessens macht sich breit. Meine Generation und die Generationen danach, können sich nur noch anlesen, welcher Horror passierte und welches Elend über Millionen Menschen einbrach. Was Krieg bedeutet, was Krieg anrichtet ist für viele nicht mehr präsent. Die Filmsequenzen im Fernsehen dauern bestenfalls wenige Minuten und werden durch Tore der Bundesliga und ähnliche Meldungen fast verniedlicht. Schmerz, Hunger, Bomben und Tränen werden nur noch in der Ferne, weit weg von unserer Heimat registriert. Nur manchmal ahnen wir die Nähe, bei Angriffen auf Touristenzentren in Ägypten oder der Türkei, oder am 11. September 2001, wenn diese Bedrohungen auch für uns ein Gesicht bekommen. Die Medien bringen uns vorsichtig und sensibel nahe, dass die Gefährdung unterschätzt wird. Manch politischer Cowboy glaubte, dass all diese Ängste, Bedrohungen und Probleme durch schnellen militärischen Einsatz zu lösen sind. Ich bin erschrocken, wenn grauenvolle, furchteinflößende Bilder aus dem Irak, aus Israel und Palästina, aus Afghanistan oder Georgien zur Selbstverständlichkeit unserer Nachrichtenkonsumierung gehören, und bei uns – bei mir auch nicht – keine ernsthaften und dauerhaften Gespräche und Konsequenzen auslösen. Was wir – jeder von uns – tut, was und wie wir reden und selbst was wir in unserem Innersten denken, trägt einen wichtigen Teil zum großen Geschehen in dieser Welt bei. Das galt für die Zeit damals, an die der heutige Tag erinnert und es gilt kein bisschen weniger für heute. Stammtischparolen und Sündenböcke suchen helfen uns da nicht weiter. Nichts ist böser und schlimmer als all die anderssprachigen und andersgläubigen Menschen in Deutschland in eine Ecke zu stellen mit Bedrohung, Gewalt und Terrorismus. Kein anständiger gläubiger Muslim liebt Gewalt, Krieg, Unfriede und Tod. Sie möchten bei uns und mit uns in Frieden leben und ihrem Gott die Ehre erweisen. Wo das hinführt, wenn Menschen nur wegen Ihrer Herkunft oder Religion eingeordnet werden, zeigt uns auch das Denkmal der Familie Hope in unserem Ort, das unserer aller besonderer Wertschätzung bedürfte. Alle Menschen guten Willens gilt es zu sammeln, gleich welchen Geschlechts, gleich welcher Religion, um sie für die Sache des Friedens und der Freiheit zu gewinnen, damit uns hier Friede und Freiheit auf ewig erhalten bleiben und in der Welt verbreitet werden. Heute ist ein Tag, an die Opfer von damals und heute zu denken, damit es zukünftig keine mehr geben muss, damit alte Fehler nicht noch mal gemacht werden. Der heutige Tag war noch nie so wichtig wie in dieser Zeit. Aber wie immer, wenn wir nicht weiter wissen, wenn wir Hilfe und Unterstützung für unsere Bemühungen brauchen, wenn keine Lösung sich abzeichnet, brauchen wir eine Kraft die uns die Augen öffnen kann, die hilft und den richtigen Weg uns weist und mit uns gehen will. Um diese Hilfe beten wir seit dem unmenschlichen Terroranschlag in Amerika jeden Mittwochabend um 19.15 in Kaunitz. Jeder, gleich welcher Konfession ist dazu gebeten und eingeladen. Wir beten für die Betroffenen des Unfriedens auf der Welt, und dass dieser Friede auch in uns greift. Wir brauchen viel mehr Gebete, Zeichen und Handlungen, die endlich Frieden stiften, die zur Versöhnung helfen, die Gerechtigkeit verbreiten, die Mut machen, die Freundschaft streuen und Verletzungen heilen – Worte zum Leben gegen den Tod. Hände die zum Beten ruhen, haben die Kraft und sind auch bereit Zeichen des Friedens und der Versöhnung zu geben. Lassen sie uns doch einfach jetzt und hier gemeinsam anfangen: Vater unser im Himmel, ……
Den Frieden unseres Herrn und Bruders Jesus Christus wünsche ich uns allen, für die Welt, im Miteinander und Füreinander, vor allem aber zunächst in uns selbst.
Einen gesegneten friedvollen und nachdenklichen Sonntag. Ihr Arthur Springfeld (Diakon)