21.01.06 „Joseph Beuys – Unschlitt“

Wort zum Sonntag 21.01.06 „Joseph Beuys – Unschlitt“

„Ich begreif es nicht!“ „Ich versteh es nicht!“ „Ich will es verstehen!“ „Ich hab keine Antenne dazu!“. „Ich erkenne nichts!“ Tonnen von Unschlitt – Unschlitt kennen Sie auch nicht – vielleicht Tallow?, auch nicht? – das tut gut. Jedenfalls Tonnen davon liegen da rum, scheinbar gegossen und nachgeformt, scheinbar wahllos auf dem Boden abgelegt. Es fällt bald auseinander, zum Teil gehalten von schweren Stahlbändern, angeschlossen an elektronische Geräte zur Überwachung. Gruppen stehen drum rum, unterhalten sich, diskutieren – scheinbar Fachleute aus der ganzen Welt. Ich hab keine Idee, ich verstehe es nicht, warum hilft mir denn keiner – und das ganze kostet Millionen. „Unschlitt/Tallow“ ein Kunstwerk von Joseph Beuys von 1977, gesehen, erlebt in Berlin im Deutschen Museum, eine ganze Halle voll, Talg mit Stearin soll es sein. Die ganze Welt spricht darüber und ich – ich verstehe nichts, erkenne nichts und begreife nichts. Joseph Beuys, weltweit anerkannt, ist seit 1986 tot, aber ich kenne den jetzigen Besitzer dieses Kunstwerks, er hat viele davon. Gerne spricht er nicht mit mir über Kunst, überhaupt nicht, lieber mit Fachleuten, aber wenn er anfängt leuchten seine Augen, sein Herz läuft über und Tonnen von Talg, bieten Stunden von Erklärung, Stürme von Begeisterung und nicht enden wollende Faszination und er könnte den Rest seines Lebens erzählen. Kunst muss man nicht nur anschauen, Kunst muss man lieben, erleben, ertasten, erklärt bekommen, mit dem Auge und Herzen fühlen. Ich hab es nicht begriffen. Worte, endlose Worte, unverständliche Worte, Worte aus einer anderen Welt, Worte, die ich höre und die nicht ankommen. Schwerverständliche Worte, Worte die mein Herz nicht erreichen.

Und dann hörten wir in diesen Tagen diese Worte – „Und das Wort ist Fleisch geworden!“ und hat unter uns gewohnt. Jetzt habe ich es verstanden. Endlich, natürlich, so ist es gewesen. Jetzt ist es mir gesagt. Er ist einer von Uns, keine fremde Welt – unverständlich und unbegreiflich, nein ganz nahe, neben mir, hinter mir und in mir. Einer von uns. Jetzt versteh ich ihn, jetzt erst kann ich ihn verstehen. So ist das gemeint: „Das WORT ist Fleisch geworden“, nicht mehr nur theoretisch, nicht mehr nur Klang, kein Kunstwerk, nein wirklich, lebendig, ein Mensch, einer von uns. Warum hat das keiner gesagt. Warum hat mir das keiner erklärt. Es ist doch so einfach. Er ist Mensch geworden, einer von uns. Jetzt habe ich es begriffen, jetzt ist mir das Ganze nahe, endlich ist es bei mir angekommen. Lasst es doch so, so kann ich damit leben, so hilft es mir wirklich. So kann ich es anpacken und es mir zu Eigen werden. Lasst doch das Wort bei den Menschen. Lasst ihn doch selbst sprechen, dann kann ich es spüren, dann erahne ich den Menschen im Wort. Versucht nicht das Fleisch wieder zum Wort zu machen. Keiner wird es begreifen. Keiner wird es lieben, keiner wird es suchen und auch nicht finden. Es ist gut so – das Wort ist Fleisch geworden und wohnt bei den Menschen. Mehr Erklärung braucht keiner, der verstehen will. Ob ich das WORT verstanden habe? – wahrscheinlich nicht, aber das was ich verstanden habe, erreicht mein Herz. Das was ich verstanden habe kann ich weitererzählen. Das was mein Herz erreicht hat, damit kann ich leben. „Jeder Mensch ist ein Künstler“ hat Beuys gesagt. So kann und will ich an dieser Welt mitgestalten und auch wenn ich es doch nicht ganz begriffen habe weitersagen „Das Wort ist Fleisch geworden!“

Wer nicht will, wird es nie begreifen, nie erfahren und spüren – schade eigentlich.

Ihr Arthur Springfeld, Diakon (oder Künstler?)


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