Verler Diakon: „Es ärgert mich, wenn Kirchenaustritte einfach hingenommen werden“
Arthur Springfeld ärgert sich darüber, dass Kirchenaustritte oft einfach akzeptiert werden. Er meint: „Tatenlos zuzusehen, wie die Zahlen sinken, das wäre ja so, als wenn Kirche auf der Palliativstation liegt.“
Karin Prignitz WESTFALEN-BLATT 11.02.2019
Herr Springfeld, ich habe entdeckt, dass Sie eine eigene Homepage unter dem Stichwort „Du bist mein geliebtes Kind!“ haben, auf der Sie die Leser mit „Moin, Moin“ begrüßen. Wie kam es dazu?
ARTHUR SPRINGFELD: Die Homepage habe ich vor vier Jahren mit Hilfe meiner Schwiegertochter eingerichtet. Auf der Seite sind unter anderem meine Predigten nachzulesen. Etwa 50 bis 60 Menschen pro Tag schauen auf die Seite, insgesamt sind es bereits mehr als 20.000.
Arthur Springfeld plädiert dafür, dass sich Kirche den steigenden Austritten mit neuen Angeboten entgegenstellt.
Sie sind seit 34 Jahren Diakon im Nebenberuf. Andachten und Predigten zu halten, das gehört dazu. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
SPRINGFELD: Natürlich muss ich mir ständig Gedanken darüber machen. Den Aufhänger finde ich während der Vorbereitung oft im Internet. Dort habe ich aber noch nie etwas entdeckt, was ich vollständig hätte übernehmen können. Ich habe Texte, Ideen, Passagen und Gebete immer meinem Glauben und meiner Sprache angepasst, damit ich sie für mich ehrlich weitersagen kann. Ich habe meinen eigenen Stil entwickelt, meine eigene Sprache. Manchmal gehört es dazu, Dinge direkter anzusprechen. Meistens zeige ich die Texte vorher meiner Familie, die einen besonders kritischen Blick darauf wirft.
Was ist Ihnen in ihren Predigten besonders wichtig?
SPRINGFELD: Großartige theologische Interpretationen – das kann ich nicht, aber ich kann den Bezug zum Alltag der Menschen herstellen. Das zu tun, liegt mir besonders am Herzen. Mit der Sprache von Moses können wir kein Kind und keinen Jugendlichen in die Kirchen holen, wir müssen sie da abholen, wo ihre Sorgen sind.
Denken Sie, dass damit den sich häufenden Kirchenaustritten ein Stück entgegengewirkt werden kann?
SPRINGFELD: Auf jeden Fall. Es ärgert mich, wenn Kirchenaustritte einfach hingenommen werden. Wer aufgibt, hat schon verloren. Tatenlos zuzusehen, wie die Zahlen sinken, das wäre ja so, als wenn Kirche auf der Palliativstation liegt. Kirche ist auch deshalb auf dem sterbenden Ast, weil an vielen Orten an uralten Traditionen, inklusive der Sprache, der Gebräuche und der Kleidung festgehalten wird. Das kommt bei der jungen Generation nicht an, weil sie es nicht versteht.
Über weite Strecken ist versäumt worden, junge Menschen abzuholen und Angebote zu schaffen. Bei uns in Sürenheide herrscht eine lockere Atmosphäre in der Kirche. Das wirkt sich offensichtlich aus, denn wir haben die besten Besucherzahlen im gesamten Pastoralen Raum. Neben Familien- werden Krabbelgottesdienste angeboten. Kinder stören nicht, sondern gehören dazu. Die durchschnittlichen Kirchenbesucherzahlen liegen bei sechs bis sieben Prozent, wir liegen mit zwölf Prozent an der Spitze.
Sie haben selbst vier Kinder und sieben Enkel. Macht es das leichter als für einen unverheirateten, kinderlosen Priester?
SPRINGFELD: Natürlich macht es das leichter. Man ist einfach näher dran an Familie. Unsere eigenen Kinder waren Messdiener und alle waren in der Jugendarbeit engagiert. Das heißt aber nicht, dass sie jeden Sonntag in der Kirche waren.
Diakon waren Sie im Nebenberuf und sind es nach Ihrer Pensionierung weiterhin. Wie hat Ihr Berufsalltag ausgesehen?
SPRINGFELD: Ich bin in Papenburg aufgewachsen, habe Krankenpfleger gelernt, eine Zusatzausbildung zum Pflegedienstleiter absolviert und schließlich im St.-Anna-Krankenhaus gearbeitet. 1980 hat mich Pfarrer Hans-Hermann Wibbe gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Verwaltungsleiter zu werden. Mit meinem gesunden Selbstbewusstsein habe ich zugesagt. Ich war Ende der 80er Jahre noch dafür verantwortlich, dass das St.-Anna-Haus in eine Altenpflegeeinrichtung umgewandelt worden ist. 1990 habe ich die Leitung dreier Reha-Kliniken in Bad Oeynhausen übernommen.
Wie kam es dazu, dass Sie schon währenddessen die Aufgaben eines Diakons übernommen haben?
SPRINGFELD: Ganz einfach, ich hatte den Eindruck, dass der damalige Pastor in der Sürenheide Hilfe gebrauchen könnte. Deshalb habe ich mich ausbilden lassen und mache es nach wie vor gerne. Ich war ja zuvor schon in Kirche und bei Kolping aktiv – und eine große Klappe habe ich auch.
Welches sind die Hauptaufgaben eines Diakons?
SPRINGFELD: Die Hauptaufgabe ist es, Menschen in den Randgebieten zu besuchen, Kranke und Flüchtlinge. Aber auch in den Kindergarten gehe ich liebend gerne.
Sie sind besonders engagiert in der Flüchtlingsarbeit. Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt?
SPRINGFELD: Ich erlebe in erster Line, dass man viel mehr zurückbekommt, als man investiert. Zu unseren Eritreern habe ich den besten Draht. Einer von ihnen hat sogar bei uns gewohnt. Seine Abschiebung konnte verhindert werden. Er hat seinen Hauptschulabschluss geschafft und arbeitet mittlerweile in der Altenpflege. Die Arbeit, auch die im Kindergarten, macht besondere Freude, weil so viele Menschen in der Gemeinde, aber auch in ganz Verl, sich einbringen und engagieren und man nicht alleine ist.
Sie haben vor einiger Zeit den sogenannten Kreuzberg an der Pfarrkirche St. Judas Thaddäus initiiert. Wie viele Kreuze befinden sich dort zurzeit?
SPRINGFELD: Im Schatten der Kirche haben die alten Kreuze einen würdigen Aufbewahrungsort gefunden. Derzeit sind es bereits mehr als 150. Nahezu jede Woche liegen ein bis zwei Kreuze in der Kirche.
Bleibt bei so viel Engagement noch Zeit für Hobbys?
SPRINGFELD: Na klar. Mein größtes Steckenpferd ist die Pseudokunst. Ich arbeite vor allem gerne mit altem Holz, restauriere alte Möbel. Aus einem alten Balken der St.-Anna-Kirche habe ich mir sogar schon meinen eigenen Grabstein gestaltet. Dort fehlt nur noch das Datum – momentan habe ich allerdings weniger Zeit, denn meine Frau und ich kümmern uns viel um die Enkel. Und dann gibt es ja auch noch 1.000 Quadratmeter Garten.