Wort zum Sonntag 15./16.03.08 „Der Müll stinkt (fast) zum Himmel“
Ich liebe den Frühling! (meine Frau natürlich auch) Alles wird wieder grün, die Erde bricht auf, was tot schien, erwacht zum Leben. Ich kenne Länder, da ist nie Frühling, nicht wirklich, da ist immer Sommer, die Bäume blühen immer, immer frische Blätter an den Sträuchern, dazwischen auch ein paar verwelkte. Frühling bedeutet sichtbar und spürbar neues, frisches Leben, Frühling bedeutet einen neuen Anfang machen. Frühling heißt, das Alte und Tote hinter sich lassen. Frühling ist immer wieder die neue Chance. Finde ich eine tolle Idee, dass in diesen Wochen Schulen und Bürgerinitiativen starten, die Umwelt zu säubern, den Müll einsammeln, den Andere ohne Verstand aus dem Autofenster werfen. In mir steigt der Zorn auf (heiliger natürlich) wenn ich die zugemüllten Gräben und Autobahnausfahrten sehe. Meine Zigarettenkippen lösen sich da doch wenigstens auf, will ich jedenfalls glauben. Schon dieser „ungebildete“ Indianerhäuptling Seathl sagte vor über 150 Jahren: „Ihr Weißen werdet in Eurem Müll noch ersticken!“ Dank an Alle, die unseren Müll einsammeln, Danke auch an die, die unseren Müll jede Woche zu Hause abholen. Ist doch toll, wenn der Müll verschwindet, wenn man ihn nicht mehr sieht, wenn es nicht mehr zum Himmel stinkt. Wobei Müll und Himmel wohl nichts gemeinsam haben. Also Müll im Himmel kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen. Aber wo bleibt dann all der Dreck, der Schmutz, die kaputten Dinge, die zerstörten Körper, die Schuld, die unanständigen Gedanken? Wohin mit allem Unfertigen, Halbherzigen, wohin mit all den Verletzungen, Lügen und Unbarmherzigkeiten. Wo ist dann die Deponie für Schmerz und Angst, Trauer und Unrecht, für tote Kinder, zerbombte Menschen und verhungerte Stämme? Wie soll da Frühling werden? Wie geht da ein neuer Anfang? Wer weiß den Weg? „Kommt alle zu mir, die ihr es schwer habt!“ steht auf einer Batik aus Indien bei uns zu Hause. „Kommt alle zu mir, die ihr euern Müll nicht mehr tragen könnt!“, könnte das auch heißen und über dem Text schaut mich ein Bild von dem an, dem wir am heutigen Sonntag mit Palmstöcken zujubeln. Auf dem Bild hängt er schon am Kreuz, die Schultern hängen durch von dem Müll der Menschen. Schwer trägt er an der Last und dennoch schaut er mich freundlich und auffordernd an und sagt auch mir: „Arthur, pack Deinen Müll ruhig noch drauf. Wird schon noch gehen. Ich schaffe das. Alles was Dich runter drückt und kleinmacht darfst du mir auf die Schultern packen“. „Nur darum bin ich geboren, nur deshalb ist es wichtig, dass Du mich kennst. Du musst nur den ersten Schritt tun. Du musst aus dem Weg räumen, was zwischen uns steht. Bring es mir, ohne Verpackung, ohne große Worte, ohne Ent-schuldigung – das ist mein Teil, dann kannst Du wieder atmen. Dann kannst Du neu beginnen und wachsen. Trau es mir zu, ich kann Dir die Jahreszeiten neu schenken, einen neuen Frühling und einen neuen Anfang. Ich will, dass es Dir gut geht!“ Es ist not-wendig am heutigen Palmsonntag alle Türen zu öffnen, damit der Herr einziehen kann. Er ist der Spezialist für Recycling, damit wir an unserem Müll nicht ersticken. Er wandelt unser Versagen in Gnade und Freude, damit unser Halleluja an Ostern ehrlich sein kann. Ich freue mich jedes Jahr neu, wenn wir dann in der Osternacht zusammen singen dürfen (mit hoffentlich fröhlichem, erlösten Gesicht): „Frohlocket, ihr Chöre der Engel, preiset den Sieger, den erhabenen König! Lobsinge, du Erde, siehe, geschwunden ist allerorten das Dunkel. Der Glanz dieser heiligen Nacht nimmt den Frevel hinweg, reinigt von Schuld, gibt den Sündern die Unschuld, den Trauernden Freude.“
Ich liebe den Frühling! Ich liebe Ostern! Alles wird wieder neu, die Erde bricht auf, was tot schien, erwacht zum Leben. Wie könnten wir leben, hätten wir die Müllsammler nicht!
Ihnen und Ihren Familien einen frohen Palmsonntag, eine gute Karwoche auf dem Weg zum Platz für Ihren Müll, und dann – Halleluja – gesegnete Ostern!
Ihr Arthur Springfeld (Diakon)