Wort zum Sonntag, 20.10.2007 „Kein Nobelpreis für Verl!“
Wow, das hätte was! Jo – das wäre wirklich mal eine Sensation! Die ganze Welt würde auf uns schauen. Der diesjährige Nobelpreis geht nach ……… geht nach ……….. geht nach Veeeerrrrllll! Das wäre der Hammer! Der Nobelpreis nach Verl, die bis dahin kaum bekannte Stadt (noch Dorf) in Ostwestfalen. Nobelpreis für Verl – nicht wegen der günstigen Gewerbesteuersätze, nicht wegen der vielen Firmen die tausendenden Arbeitsplätze und Familien sicheres Einkommen bieten sogar teilweise weltweit innovativ tätig sind, nein auch nicht an den Architekten der „Black Boxes“ des neuen Rathauses. Aber an wen denn dann? Wen oder was hätten wir denn der Welt zu bieten? Welche Leistung ist denn solch einer Prämie wert? Na gut, vielleicht denkt ja einer an mich, aber das ist eher unwahrscheinlich. Obwohl? Ich denke da eher einfacher, nämlich an ganz Andere. Vielleicht an die Frau und Mutter, die trotz Arbeitslosigkeit des Ehemannes, seinem deutlich überhöhten Alkoholkonsum und dem damit verbundenen Streit, die Familie liebend zusammenhält und nicht wegläuft, obwohl sie mit den Nerven am Ende ist und niemanden hat, mit dem sie darüber sprechen kann.
Ich denke da an die Schwiegertochter, die ihrem demenzkranken Schwiegervater liebevoll zum hundertsten Mal erklärt, warum er heute nicht arbeiten braucht und warum er die Wohnung alleine nicht verlassen darf und, dass seine Frau nun wirklich vor Jahren schon gestorben ist.
Ich denke da eher an den schon älteren Arbeitslosen (vielleicht 51Jahre), der für einen Euro die Stunde trotzdem eine gute Arbeit abliefert, obwohl er in jüngeren Jahren gutes Geld für seine Familie verdient hat, bevor seine Firma Konkurs ging.
Ich denke da an die engagierten Erzieher und Lehrer, die sich jeden Tag neu mit unseren oft nicht einfachen Kindern rumplagen um ihnen das Rüstzeug mit auf den Weg in die unsichere Zukunft zu geben.
Oder Annemarie, erst 57, die Wochen vor ihrem Tod diese Woche, endlich Frieden macht mit sich, mit Gott und der Umwelt.
Ich denke da an unsere Gäste in Verl (wir sagen schnell ganz schlicht Asylanten) aus fernen Ländern, die ihre Hoffnung auf Deutschland gesetzt haben, und alles, das Geld ihrer Familie und oft auch ihr Leben riskierten weil zuhause Hunger und Krankheit grassieren und nun wieder auf ihre Abschiebung warten – und viele Zurückgebliebene daheim enttäuscht haben.
Ich denke an die Pflegenden zuhause, in Heimen und Krankenhäusern, die sich jeden Tag aufmachen und mit Freude, gut gelaunt und voll motiviert, Alten und Kranken Mut machen, sie liebevoll pflegen und lebenswerte Stimmung verbreiten, trotz mancher Berichte in den Medien, die nicht immer fair sind.
Ich denke an die, die nach Jahren die Kraft finden, Gräben zu überwinden, einen neuen Anfang machen und endlich die Hand zur Versöhnung reichen, weil Streit krank macht und unser Leben nur endlich ist.
Ich denke an die, die nicht mehr zum Bruttosozialprodukt beitragen können, die im Rollstuhl sitzen oder im Bett liegen, die wohlwollend im Gebet und in Gedanken ihr Umfeld begleiten und stärken, auch mich.
Ich denke an die arbeitslosen Jugendlichen, oft keine Ureinwohner aus Verl, die nicht abgleiten in Drogen und Gewalt, sondern sich ihre Hoffnung bewahren auf Ausbildung und Einkommen.
Ich denke an die Kinder, die keine Designerklamotten tragen können und deren Eltern sich die Lebensmittel am „Warenkorb“ holen, die trotzdem gute Leistungen in der Schule bringen, gut gelaunt sind und gute Freundschaften pflegen.
Ich denke an die Eltern, die Verantwortung für neugeborene Kinder übernehmen, weil sie an Liebe, Treue und die Zukunft glauben und Gottvertrauen haben.
Versteht jetzt noch Einer oder Eine warum der Nobelpreis nun doch nicht nach Verl gegangen ist? Diese und viele andere noch hätten den Preis doch wirklich verdient. Sie alle kennen Menschen denen der Preis gut angestanden hätte. Sie alle wissen um Frauen, Männer und Kinder, die weltbewegende Leistungen vollbringen, na ja, vielleicht nicht weltbewegend, vielleicht nur verlbewegend oder auch nur in der Familie, zuhause, im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz. Gratulieren sie ihnen doch einfach mal, oder sagen schlicht danke, oder danken einfach – ganz still, einfach nur Gott für so viele wunderbare Menschen.
Vielleicht klappt es dann ja nächstes Mal mit dem Nobelpreis, oder auch nicht, brauchen wir auch nicht, wollen wir auch nicht – wir tun es gerne und machen einfach so weiter. Und das ist gut so.
Ihnen allen einen schönen, gesegneten und preiswürdigen Sonntag.
Ihr Arthur Springfeld (Diakon)