Friedensgebet St. Marien Kaunitz 09.09.2015 – Flüchtlinge 2 –
Begrüßung/Kreuzzeichen
„Gott gab uns Füße, dass wir fest stehn.“ Ich lade Euch ein, Euch noch einmal hinzustellen, Eure Füße bewusst wahrzunehmen – und unter Euren Füßen den Boden, auf dem Ihr steht. Und dann kehrt in Eure Erinnerung zurück auf den Boden Eurer Kindheit, in Eure Heimat. Spürt Ihr den Mutterboden unter Euren Füßen – den Boden, auf dem Ihr Eure ersten Schritte gegangen seid, der Euch in Eurer Kindheit getragen hat, die Erde, in der Ihr verwurzelt wart– und vielleicht auch noch seid?
Stille
Unser Mutterboden gibt uns Sicherheit. Aus ihm schöpfen wir Kraft. Viele Menschen haben
erfahren, dass ihnen diese Sicherheit genommen wurde. Sie mussten ihre Heimat verlassen,
den Boden, der sie trägt, der ihnen vertraut und lieb ist. Freiwillig, beruflich oder familiär
bedingt. Unfreiwillig, durch Vertreibung oder Flucht.
Das freiwillige oder unfreiwillige Verlassen der Heimat ist zu einem zentralen Problem
unserer Zeit geworden. Nie waren so viele Menschen davon betroffen.
Gedicht:
„Dort unten schläft die Stadt! Nun sind wir frei,
nach bangen Wochen frei, nach Angst und Schauern;
an schönen Villen fahren wir vorbei
und mondbeglänzten, stillen Gartenmauern.
Hier wohnt der Reichtum, Glück und Frieden hier!
Sieh diesen Garten mit den dunklen Bäumen;
Cypressen sind es, fast zu dunkel mir,
darunter weiße Marmorgötter träumen.
Welch schönes Friedensbild! O, sei uns mehr,
künd‘ uns die Wonnen, die auch unser warten!“ –
Da sprach mein Leidgenoss‘ und seufzte schwer:
„Schau hin! Ein Friedhof ist der schöne Garten!“
Gedicht von Hugo Salus (1866 – 1929) um 1900
STILLE
Gott des Erbarmens,
du hast dein Volk begleitet
auf dem Weg durch die Wüste
und ins Exil.
An dich wenden wir uns
angesichts des Leids unzähliger Menschen,
die ins Ungewisse aufbrechen,
um Armut, Verfolgung und Gewalt zu entfliehen.
Die hohen Flüchtlingszahlen
machen uns Sorgen;
aber was wiegen sie
gegen den Schmerz derer,
die alles Vertraute verlassen mussten,
und Unsägliches durchgemacht haben.
Du hast ein Herz für alle Menschen,
du hast Ohren für ihre Wehklagen,
du siehst auch ihr verborgenes Leid.
Wir bitten dich für die Familien,
die alle Ersparnisse dafür geben,
damit ihre Söhne und ihre Töchter es in der Fremde
einmal besser haben,
damit sie dem Grauen des Krieges entkommen,
damit sie ohne Angst leben können.
Gott, höre ihre Gebete!
Wir bitten dich für die Frauen,
die auf der Flucht vergewaltigt werden
und für die Männer,
die ihre Würde verlieren,
weil sie sich und andere nicht schützen können
vor den Übergriffen der Schlepperbanden.
Gott, höre ihre Gebete!
Wir bitten dich auch für die vielen Kinder,
die fliehen müssen.
Sie haben oft viel mehr gesehen und erlebt
als ihre Kinderseelen verkraften,
und wenn sie ihre Eltern verlieren
ist niemand ist da, der sie in den Arm nimmt.
Gott, höre ihre Gebete!
Gott, du weißt,
es gibt viele, die helfen,
und Hoffnung schenken,
auch hier bei uns
in unserer Kirche.
Lass sie nicht resignieren,
oder zynisch werden
angesichts der Schwierigkeiten,
mit denen sie zu kämpfen haben.
Gott, höre ihre Gebete!
Wecke Weisheit und Erbarmen in allen,
die Verantwortung tragen
für das Geschick der Flüchtlinge
hier in Europa
und in den anderen Kontinenten.
Lass die Regierenden
Gastfreundschaft beschließen,
und mach uns bereit,
von dem, was wir haben
mit Fremden zu teilen.
Gott, höre unsere Gebete! Amen.
LIED: Der mich atmen läßt
Schon immer waren Menschen auf der Flucht. Das Volk Israel flieht vor der Gewaltherrschaft
der Pharaonen in Ägypten und zieht 40 Jahre in der Wüste umher. Als Nebukadnezar
Jerusalem erobert hatte, wurden viele Menschen nach Babylon verschleppt. Das Volk Gottes
lebt im Exil – fern von Jerusalem, fern vom geliebten Berg Zion, fern der Heimat. An Euphrat und Tigris, den Füssen in Babylon, sitzen sie und weinen.
Psalm 137 Heimweh nach dem Zion in der Verbannung
An den Strömen von Babel, /
da saßen wir und weinten, / wenn wir an Zion dachten.
Wir hängten unsere Harfen / an die Weiden in jenem Land.
Dort verlangten von uns die Zwingherren Lieder, /
unsere Peiniger forderten Jubel: / «Singt uns Lieder vom Zion!»
Wie könnten wir singen die Lieder des Herrn, /
fern, auf fremder Erde?
Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, /
dann soll mir die rechte Hand verdorren.
Die Zunge soll mir am Gaumen kleben, /
wenn ich an dich nicht mehr denke, /
wenn ich Jerusalem nicht zu meiner höchsten Freude erhebe.
LIED: By the river of Babylon
Hinführung zum Evangelium:
Menschen sind auf der Flucht. Weil sie Hunger haben. Weil ihnen Gewalt droht oder bereits
angetan wird. Weil sie keine Zukunft sehen. Der Evangelist Matthäus berichtet uns, dass auch
Jesus auf der Flucht war:
Evangelium: Mt 2,1315a.
Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des
Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort
bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu
töten. Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach
Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. … Als Herodes gestorben war, erschien dem
Josef in Ägypten ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Steh auf, nimm das Kind und
seine Mutter und zieh in das Land Israel; denn die Leute, die dem Kind nach dem Leben
getrachtet haben, sind tot. Da stand er auf und zog mit dem Kind und dessen Mutter in das
Land Israel. Als er aber hörte, dass in Judäa Archelaus an Stelle seines Vaters Herodes
regierte, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und weil er im Traum einen Befehl erhalten
hatte, zog er in das Gebiet von Galiläa und ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder.
Gedanken:
Wenn wir dieses Evangelium heute hören, tut sich ein ganz anderer Blick auf das Ereignis
von Weihnachten auf. Wir hören meist die Idylle: „Ein Kind ist uns geboren.“ Das Baby liegt
geborgen in den Armen der Mutter. Hirten und Weise kommen und beten an.
Idylle war es aber nicht. Die Geschichte der Geburt Jesu ist auch eine Geschichte von Flucht
und Migration. Josef erfährt es im Traum: „Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.“
Josef steht auf und flieht mit dem Kind und seiner Mutter nach Ägypten. Er übernimmt die
Verantwortung des Vaters. Das Wohl des Kindes liegt ihm am Herzen. Als die Gefahr vorbei
ist, plant Josef die Rückkehr in die Heimat. Doch Judäa und Betlehem scheinen nach wie vor
gefährlicher Ort zu sein. So geht Josef mit Frau und Kind nach Galiläa – und Nazaret wird
neue Heimat für die kleine Familie. Josef, der oft im Hintergrund steht – er handelt.
Er nimmt Mutter und Kind – und flieht.
Das kleine Kind in den Armen des Vaters – unser Gott ist Flüchtling geworden. Flucht nach
Ägypten. Jesus hat in der Fremde gelebt. Als Fremder unter Fremden. Als Ausländer hat er
sprechen gelernt. Hat er mit fremden – mit ägyptischen – Kindern gespielt?
Unser Gott ist Flüchtling geworden – und Migrantenkind. Der Rückweg von Ägypten führt
nicht in die Heimat. Erneut ist die Fremde das Ziel. Galiläa wird Heimat. Gott sein Dank.
Was Gott geteilt hat, teilt er weiter. Er bleibt auf der Seite der Flüchtlinge, der Migrantinnen
und Migranten, der Heimatlosen, der Fremden im fremden Land. Jesus Christus geht an ihrer
Seite – ob sie es spüren oder nicht, brauchen tun es alle. Der geflohene Gott flieht nicht sondern sucht die Nähe der Menschen, die ihn brauchen.
LIED: 425 1-5
Großer Gott,
sprachlos vor Entsetzen wollen wir Worte finden, wenn wir Dich nun anrufen:
In diesen Wochen sind wieder hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer und mitten in Europa gestorben. Diese Menschen starben nicht nur, weil ihre Boote zu alt und die Schlepper zu skrupellos sind – sondern letztlich auch deshalb, weil ihnen ein sicherer Weg nach Europa verwehrt bleibt. Wir bitten um Vergebung für die Menschen und Institutionen, die vor Flüchtlingen die Tür verschließen.
Für all die Toten dieser Wochen möchten wir beten – auch für die, von denen wir noch nichts wissen, die unbemerkt „verschwinden“. Stehe den Angehörigen und Freunden bei, die nun diesen schweren Verlust verarbeiten müssen. Begleite auch diejenigen, die in den Heimatländern voll Ungewissheit auf Nachrichten von ihren geflüchteten Angehörigen warten.
Herr, dein Sohn Jesus Christus war nach seiner Geburt selbst ein Flüchtling. Du kennst die Situation der Millionen Menschen, die auf der Flucht vor Gewalt, Verfolgung und Hunger sind. Beschütze sie und sei ihnen Zuflucht und Heimat, wenn sie nicht mehr weiter wissen. Gewähre allen Geflüchteten, dass sie ihr Ziel in Dir finden.
Wir möchten auch für uns und unsere Mitmenschen beten: Wir danken für alle, die sich für Flüchtlinge einsetzen und ihnen in der Liebe Jesu begegnen. Gib uns und allen Gläubigen Kraft und Mut, den Heimatlosen eine Heimat und den Stummen eine Stimme zu geben. Öffne unsere Herzen für all jene, die bei uns ihre Zuflucht suchen. Bewirke eine Veränderung bei uns und unseren Politikern, damit wir bessere Wege des Zusammenlebens in der Einen Welt finden.
Denn es gibt keine Fremden in Deiner Familie, nur Brüder und Schwestern, die füreinander Verantwortung tragen.
Amen.
VATER UNSER
SEGEN
LIED: 430 1+7
Für uns und die Menschen auf der Flucht bitten wir um Gottes Segen:
Segne uns, Gott, du mitgehender Gott,
Gott in Ägypten und in Babylon, Gott in Afrika und im Irak,
in Afghanistan und in Syrien.
Segne uns, Jesus Christus, Kind auf der Flucht, heimatlos, Flüchtling, Migrantenkind.
Segne uns, Heiliger Geist,
du Tröster und Kraft.
Segne uns, du Gott, Vater und Sohn und Heiliger Geist. Amen.
ABSCHIED: