18. Sonntag B – Predigt über Exodus 16,2-4,12-15 und Johannes 6,24-35
Liebe Kinder, Schwestern und Brüder im Glauben,
Menschen, die in der Gefangenschaft leben müssen; Menschen, die keine Freiheit haben, die unterdrückt und versklavt werden, – wenn diese Menschen sich die Freiheit erzwingen, wenn sich ihnen das Tor in die freie Welt öffnet, dann kann es schnell Probleme geben.
Und das waren die Erfahrungen der Israeliten, als sie sich auf den Weg machen aus der Gefangenschaft, aus der Knechtschaft heraus, durch die endlose Wüste ins Gelobte Land.
Da hab ich noch die Lesung aus der Osternacht im Ohr – nur Jubel – Hurra – wir haben es geschafft! Hurra – wir sind entkommen aus der Hand der Ägypter! Singt dem Herrn ein Loblied!
Und heute in dieser Lesung: die Angst! Blanke Angst!
Die Angst vor der eigenen Courage.
Die Angst vor der Wüste.
Die Angst vor dem Weg.
Die Angst vor dem Neuen, vor der Zukunft.
Die Israeliten, sie murren und murren und murren! –
Sie protestieren gegen den Herrn – gegen Mose – gegen Aaron.
Werden wir das Gelobte Land überhaupt erreichen?
Werden wir uns in der Wüste nicht verirren und vielleicht elendig zugrunde gehen?
Ja, sind wir überhaupt auf dem richtigen Weg?
Ach – wären wir doch in Ägypten geblieben, dort gab’s Fleisch und Brot.
So schlecht war es früher doch auch nicht.
Und jetzt hier in der Wüste: nur Sand, Steine, Hunger – kein Horizont in Sicht!
Wollen wir nicht umkehren? Wieder zurück?
Ein Aufbruch, ein neues Ziel, ein neuer Anfang – dann kommt die Angst!
Viele kennen das aus der Nachkriegszeit aus der eigenen Flucht.
Die meisten der Asylbewerber werden diese Angst und Sorge sicher bestätigen nicht nur auf dem Boot im Mittelmeer, nein auch hier in Verl.
Angst, Sorge, Ungewissheit – so geht es auch nicht wenigen unserer Mitglieder hier in der Thaddäusgemeinde heute
– war doch alles so schön hier in der Kirche
– hier hab ich doch geheiratet
– 50 Jahre war es gut genug
– und alles ist doch bezahlt
– und die Bänke sind doch so bequem
– dieses schöne eichene Kreuz und der stabile Altar
– was soll dieser Quatsch überhaupt?
Andere aus unserer Gemeinde wollen einfach nur anfangen, losgehen, renovieren, bauen, ändern, alles soll schöner werden, besser und vor allem zeitgemäßer! Aber für wen?
Liebe Gemeinde!
Ich sag Ihnen mal meine Meinung, so als gelernter Krankenpfleger.
Wir liegen hier in der Sürenheide praktisch auf der Intensivstation. Die Zunge hängt uns aus dem Hals, wir kriegen kaum noch Luft und wir pumpen Geld in unsere Kirche – den Tod vor Augen.
Das Ende unserer Gemeinde ist fast greifbar und wir strampeln um unseren Glauben, mit immer wieder den gleichen Ritualen und Versuchen. Um uns herum stirbt der Glaube aus – zumindest der, den wir aus unserer Geschichte kennen.
Wenn die Friedrichsdorfer jetzt nicht kämen, blieben immer mehr Bänke frei.
Wenn der traditionelle Glaube so weiter stirbt, braucht kein Mensch in Verl drei Kirchen und ne schöne Kapelle.
Darum lasst uns doch die alten bequemen Bänke wieder hinstellen und warten, bis der letzte das Licht ausmacht. Schluss und Ende und das war’s dann!
Und genau das will ich nicht! So kleingläubig ist mein Glaube nicht! Ich hab keine Angst vor der Zukunft. Ich will leben und glauben mit Euch, ich will meinen Glauben teilen mit euch, ich will meinen Glauben leben für meine Kinder und Enkel. Ich will das Lob Gottes singen aus vollem Hals und frohem Herzen. Ich möchte weiter hier Kinder taufen, Liebenden helfen, wenn sie sich trauen und ich möchte mit Euch dem Herrn danken für die Menschen, die wir von hier beerdigen müssen.
Aber dafür brauche ich erst mal keine neue Kirche, keine neuen Bänke.
Dafür brauche ich Menschen, die mit mir gehen,
Menschen, die Gott suchen
Menschen, die seine Botschaft leben
Menschen, die mich tragen und annehmen
Menschen, denen ich helfen kann.
Menschen, die einen starken Glauben wünschen und an unseren gemeinsamen Gott glauben,
an den Gott der will, dass wir das Leben in Fülle haben
den Gott der will, dass wir als Schwestern und Brüder zusammen kommen
den Gott der will, dass es uns gut geht und das wir leben können.
Wir brauchen wieder Menschen, die Andere anstecken durch ihre Taten, durch ihre Begeisterung.
Menschen, denen man ansieht, dass Gott sie liebt und sie auch an die Zukunft mit unserem Gott glauben.
Selten waren so viele Kinder im Gottesdienst wie am letzten Sonntag.
Kinder – voller Begeisterung, die sich freuen und lachen in der Kirche
Kinder – die sich anstecken lassen
Kinder – die nicht alleine, sondern mit uns beten und singen wollen
Kinder – von denen wir lernen können – so unendlich viel
Von 9 Kommunionkindern aus unserer Gemeinde dieses Jahr, werden 8 Messdiener.
Die brauchen uns. Die müssen wir an die Hand nehmen.
Die müssen von unserem Glauben angesteckt und am Leben, im Glauben gehalten werden.
Darum müssen wir auch in der Sürenheide neue Wege gehen.
Müssen den alten Muff unseres Glaubens verlassen.
Müssen auch unsere Türen öffnen und Wind, den Wind des Heiligen Geistes reinlassen,
Müssen Ideen entwickeln, die andere anstecken und neugierig machen.
Müssen erzählen über die Freude unseres Glaubens.
Und das muss man uns ansehen!
Das muss jeder spüren, dass unser Gott, der Gott unserer Eltern und Großeltern, und das ist der gleiche Gott wie heute, dass dieser Gott uns die Kraft gibt, die Zukunft anzupacken.
Wir dürfen unseren Glauben nicht hier aussitzen – dann bringen wir ihn um.
Und da ist jeder gefragt, jeder von Euch gefragt.
Die Alten und die Jungen, die Männer und die Frauen, die Starken und die Schwachen.
Jeder der nicht mit anpackt, der nicht seinen Teil beisteuert, wird zum Bestatter unserer Gemeinde und unseres Glaubens – der dreht denen die leben und glauben leben wollen die Luft ab.
Liebe Freunde guten Willens – Erst wenn wir das wollen, erst wenn wir das schaffen, dürfen wir darüber nachdenken ob wir die Bänke im Oval oder im Kreis oder im Rechteck stellen. Ich möchte das so gerne.
Denn mit unserem Gott können wir über Mauern springen,
mit unserem Gott können wir die Wüste durchqueren,
mit unserem Gott können wir auch die Zukunft unserer Gemeinde hier in der Sürenheide meistern.
Aber er tut es nicht für uns – wenn wir nicht losgehen, wenn wir nicht anfangen, verrecken wir in der Wüste unserer Glaubensunfähigkeit.
Und unser Gott gibt uns die Kraft, er gibt uns das Brot vom Himmel, das uns den Willen und den Glauben geben kann sein Reich hier zu gestalten und zu bauen –
wenn wir das wollen, und dann möchte ich gerne mit Ihnen und mit allen, die diesen Glauben haben, unsere Kirche neu gestalten.
Amen – mit Gottes Hilfe will ich das!