29. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C (Lk 18,1-8)
Glauben Sie es bloß nicht!
Glauben Sie bitte nicht, man müsse nur genügend beten, und dann wird einem schon nichts passieren. Es stimmt nämlich nicht.
Sie können beten so viel Sie wollen – das wird nichts daran ändern, dass Sie trotzdem immer wieder auf die Nase fallen werden.
Sie können so viele Christopherusplaketten ins Auto hängen wie Sie möchten, das wird nichts daran ändern, dass Ihnen bei jeder Fahrt, die Sie unternehmen, ein Unfall passieren kann.
Auch die Schutzengelfiguren, die Sie an jeder Ecke kaufen können, werden Sie nicht schützen, keine Litanei und kein Rosenkranz werden Sie dauerhaft vor Krankheit bewahren und kein Gebet der Welt wird dafür sorgen, dass vor Lampedusa keine Menschen mehr elendig ertrinken.
Liebe Kinder, liebe Schwestern und Brüder (evtl. Kommunionkinder),
das zu erwarten, das hieße nämlich, Gott völlig falsch zu verstehen.
Sicher – auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde uns Jesus mit dem heutigen Evangelium sagen: Ihr müsst nur richtig glauben, ausdauernd beten und alles ist in Ordnung.
Aber ich glaube, dann würde er nicht von einem Richter erzählen.
In seiner kleinen Geschichte geht es ja um eine Witwe und einen Richter, wie wir eben gehört haben.
Und wenn Jesus Gott hier mit einem Richter vergleicht, dann ist das ein Beispiel.
Ein Richter, das ist nämlich keiner, der vor Not und Elend bewahrt.
Ein Richter, das ist jemand, den man zurate zieht, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, wenn man allein keinen Ausweg mehr findet, keinen Ausweg aus Spannungen, Schwierigkeiten oder Not.
Ein Richter hilft in solchen Situationen, bewahren kann er vor ihnen nicht.
Richter waren besonders damals Männer, die sehr viel mehr taten, als nur Recht zu sprechen oder Urteile zu verkünden.
Ein Richter, das steckt ja noch in unserem deutschen Wort drin, das war jemand, der das Volk wieder neu ausrichtete, der ihm wieder die Richtung anzeigte, wenn es sich plötzlich auf einem falschen Weg vorfand.
Und dann war der Richter auch jemand, der Gefallene, oft Ausgestoßene wieder aufrichtete, sie wieder zu rechten – zu richtigen – Gliedern der israelitischen Gesellschaft machte.
Dass Gott wie so ein Richter für die Menschen sei, das erhoffte sich Israel.
Darum bat man auch in den Psalmen: „Richte mich, Herr.“
Und man verstand darunter: „Richte mich wieder auf dich aus! Und richte mich auf, wenn ich gefallen bin, wenn ich wieder einmal zusammengebrochen bin.“
Denn das wusste Israel: der Glaube an Gott war keine Garantie dafür, nicht mehr auf die Nase zu fallen.
Gott ist kein vorbeugender Unfallverhinderer.
Gott ist alles andere als eine Garantie kein Unheil, kein Leid und keine Not mehr zu erleben. Das zu glauben, das hieße den Gott, der in Jesus Christus selbst dreimal unter dem Kreuz zusammengebrochen ist und gelitten hat, gründlich miss zu verstehen.
Gott bewahrt nicht vor dem Hinfallen, zumindest hat er uns das nie versprochen.
Aber er ist Richter, er richtet auf, er kann das was wir kaputt gemacht haben, wieder heil machen.
Er ist der, der beim Aufstehen hilft, den Gefallenen wieder aufrichtet, und ihm neu das Gehen lehrt.
Das zu sehen ist für unseren Glauben ganz wichtig.
Wenn man sich hier falsche Vorstellungen macht, kann man schnell in Gefahr kommen an unserem Gott zu zweifeln: zu fragen, wo denn Gott gewesen sei, als ich krank geworden bin, wie er hat zulassen können, dass mir dieses oder jenes Unglück zugestoßen ist, und warum er nichts unternommen hat, als meine Kinder anders wurden, als ich wollte.
Diese Fragen führen uns nicht weiter und helfen uns nicht.
Der Gott, der am Kreuz für uns gestorben ist, hat uns nämlich nie zugesagt, dass er uns vor dem Leiden bewahrt.
Etwas anderes hat uns unser Gott versprochen: Er sagt uns zu, dass er uns aufrichten wird, dass er all denjenigen, die zu Boden gedrückt werden, wieder auf die Beine verhilft.
Keiner von uns ist davor geschützt auf den Boden zu fallen.
Nicht einmal der Glaube und das immerwährende Gebet bewahren uns davor.
Aber wir dürfen und können wieder aufstehen.
Wir werden immer wieder auf die Beine kommen.
Wenn wir uns selbst nicht aufgeben, steht Gott uns zur Seite, nimmt uns an die Hand und richtet uns auf.
Und er tut es, darauf können wir uns verlassen, ganz sicher und immer wieder – er tut es mit Sicherheit zumindest immer einmal mehr als wir hingefallen sind.
In der 1. Klasse einer Grundschule fing mitten im Unterricht ein kleiner Junge an zu weinen. Vom Lehrer nach dem Grund gefragt, antwortete er zögernd, „Ich habe das Gesicht meiner Mutter vergessen!“
Die anderen Kinder lachten.
Der Lehrer aber verstand und schickte den jungen nach Hause, um seine Mutter anzusehen. Zufrieden kam er bald darauf wieder und fuhr fort, seine Buchstaben zu malen.
Beten ohne Unterlass heißt, auch im Alltag, während der Arbeit, bei alltäglichen Dingen das Angesicht Gottes vor Augen zu haben und es nicht zu vergessen.
Das tut gut und hilft wirklich.
So kann mein Gott mich auch heute,
was ich auch gerade tue,
wo auch immer ich bin,
sicher führen und notfalls wieder aufrichten.
Amen.