22. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B (Mk 7,1-8. 14-15. 21-23)
Da ist schon was dran an diesem alten Gebot, dass man sich kein Bildnis machen dürfe. Im Judentum und auch bei den Gläubigen des Islam hält man sich ja bis heute an diese Anordnung.
Jeder von uns weiß, dass Bilder zwar helfen, sich Dinge besser vorstellen zu können: Aber Bilder haben auf der anderen Seite auch eine ungeheure Macht. Sie setzen sich in unserem Kopf so fest, dass wir uns eine Sache oder eine Person am Ende fast gar nicht mehr anders vorstellen können, dass das Bild geradezu zum Ersatz für die Wirklichkeit wird.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich habe mir gerade in Vorbereitung zu dieser Predigt viele Bilder, Gemälde und Figuren aus der Entstehung der Christenheit angesehen. Und dabei habe ich mir immer wieder gesagt, dass kein einziges dieser Bilder wirklich zeigt, was sich damals ereignet hat.
Kein einziges Gemälde zeigt die Gottesmutter oder Johannes den Täufer so, wie sie wohl ausgesehen haben.
Kein Bild zeigt Jesus so, wie sein Äußeres damals war.
Keine Krippe zeigt, wie die Geburt Jesu wirklich war.
Vom Heiligen Geist brauchen wir gar nicht zu reden.
Aber all diese Darstellungen haben unsere Vorstellung so geprägt, dass sie uns unwillkürlich einfallen, wenn wir an diese Personen oder die entsprechenden Ereignisse denken.
Und was sich einmal in unserer Vorstellung, in unserem Kopf festgesetzt hat, das ist nur ganz schwer wieder da ‚raus zu bekommen.
Natürlich wusste man immer auch im Christentum um diese Gefahr.
Aber man wusste auch darum, dass man ihr mit einem bloßen Verbot von Bildern nicht wirklich bei zu kommen ist.
Auch Israel damals hatte – trotz allem Bilderverbot – mit Vorstellungen zu kämpfen, die offenbar nicht dem entsprachen, was Gott eigentlich wollte.
Man hatte zwar kein echtes Bild von Gott, aber man hatte trotzdem seine ganz festen Vorstellungen. Man glaubte ganz genau zu wissen, wie Gott war, was er wollte – und vor allem, was er nicht wollte.
Und dafür wurden bis heute Regeln aufgestellt.
Jesus hatte offenbar seine liebe Not mit diesen „Satzungen und Geboten von Menschen“, wie er sagt. Und er versucht den Menschen seiner Zeit klar zu machen, dass sie zwar glauben, Gottes Gebote zu befolgen, dass sie dabei aber darauf reinfallen auf die Vorstellungen, die sich Menschen gemacht haben, Vorstellungen, die mit der Wirklichkeit Gottes aus der Sicht Jesu offenbar nur wenig zu tun hatten.
Davor sind wir Menschen nie geschützt. Die Geschichte ist voll von zum Teil grausigen und schrecklichen Beispielen dafür.
Am deutlichsten wird das am Beispiel der Kreuzritter, die mit dem Ruf „Gott will es!“ in ihre Schlachten geritten sind und zig- tausende im Namen Gottes erschlagen haben. Folter und Hexenverbrennungen im Auftrag der Kirche können das kaum noch toppen.
Dabei will Gott – nach all dem, was wir von Jesus von Nazareth wissen – nichts weniger, als das.
Aber wie oft hat man Gott und seinen vermeintlichen Willen für Kriege missbraucht oder damit gerechtfertigt, anderen Menschen das Leben schwer zu machen und unendliches Leid zuzufügen.
Wie oft schon wurde mit „Vorgaben und Satzungen von Menschen“ die Wirklichkeit Gottes ganz einfach verstellt, schlicht weg verfälscht – oft aus lauter Eigennutz.
Darum ist es wichtig, die eigenen Vorstellungen immer wieder zu überprüfen.
Sind es Bilder, sind es Vorstellungen die ich von den Generationen vor mir einfach übernommen habe, sind es meine eigenen Gedanken, mein selbstgestrickter Glaube, alles Bilder, die sich in meinem Kopf zur Wahrheit, zur Wirklichkeit verfestigt haben, aber dennoch nichts anderes sind als eben meine Phantasien und „Satzungen von Menschen“ – hier auch von unserer Kirche?
Wo ist wirklich das zu spüren, was Gott eigentlich möchte? Auch von mir? Und wo gehe ich, gehen viele von uns – im besten Glauben – aber nichtsdestoweniger meilenweit an ihm, unserem Gott vorbei?
Ich muss mir in meinem Glauben und dem was ich tue, dieser Frage immer wieder stellen und wir als Kirche – unten und ganz oben – müssen es genauso tun.
Und immer dort, wo mit Behauptungen, mit Lautstärke, Dominanz und wenig Toleranz immer wieder ganz fest behauptet wird, dass es so, aber auch nur so ginge und dass Gott dies und auch nur dieses wolle und dass er unter keinen Umständen jemals etwas anderes gewollt hätte, dort sind meist ganz besonders große Fragezeichen mehr als nur angebracht.
Eins hat Jesus uns immer wieder, in allen möglichen Variationen gesagt: Liebt einander, wie ich Euch geliebt habe.
Das ist mein Gebot! Und danach kommt lange nichts!
(Liebe Messdiener und Kinder, wenn Ihr das behaltet: Liebt einander, wie ich Euch geliebt habe, dann habt Ihr von der Predigt, von dieser Messe und überhaupt von Eurem Glauben das Wichtigste verstanden!)
Und was Gott angeht, sein Reich und die Zukunft, die er für mich und für Sie und für alle bereitet, was Gott angeht ist – denke ich – nur eines ist wirklich ganz, ganz sicher:
Die Begegnung mit ihm, jene andere Größenordnung von Wirklichkeit, die wir Reich Gottes nennen, all das wird ganz anders sein, ganz anders, als wir uns das vorstellen.
Ich freue mich trotzdem, – nein ich freue mich genau deswegen darauf.