PREDIGT 29. Sonntag i.Jk. B – 18-.10.09 – „Dienen“
Unübersehbar groß war die Zahl, die ich in Indien gesehen habe. Männer und Frauen, Kinder – oft noch im Kindergartenalter, darunter offensichtlich Kranke aber ebenso scheinbar Gesunde und dann wieder ausgemergelte Typen, aber wahrscheinlich auch Professionelle und wohl jede Menge Alkoholiker. Ein typisches Bild an jeder Straßenecke, vermutlich in allen armen Ländern der Welt so anzutreffen. Seit Jahren finden sie diese Menschen auch in Deutschland. Nicht in Verl, aber schon in Gütersloh, Paderborn und Bielefeld. Sie sitzen bei Wind und Wetter in den Fußgängerzonen, manchmal an Kircheneingängen, bei Frauen oft augenscheinlich keine in Deutschland geboren, bei Männern häufig das gleiche Outfit – abgetragene Hosen, etwas schäbiger Pullover. Neben ihnen steht ein kleiner schäbiger Rucksack, zwei Plastiktüten und vor ihnen liegt eine Kappe mit der Öffnung nach oben und davor ein krakelig geschriebenes Schild, oft einfach mit dem Wort „DANKE!“
Ich weiß nichts, gar nichts von dieser Person. Wo und wie sie lebt, welches Schicksal sie auf die Strasse gebracht hat. Meistens schaut sie die Vorbeigehenden nicht an, bettelt nicht aggressiv, sitzt einfach nur da, irgendwie schicksalergeben.
Und dann komme ich – seit der Euroumstellung trage ich mein Kleingeld immer lose in der Tasche, werfe im Regelfall auch immer eine Münze in die Kappe – und gehe dann wieder weiter. Und wahrscheinlich – doch das ist so – finde ich mich ganz toll dabei. Ich Arthur, habe dieser armen Person ja etwas gegeben. Wie viele – die Meisten – laufen einfach vorbei und sehen nicht mal hin, nehmen diese Person scheinbar gar nicht wahr.
Wenn Jesus vom „Dienen“ spricht, meint er etwas ganz anderes. Es geht nicht um die netten Almosen von oben herab, aus der Position des Sicheren, des Besitzenden, des Habenden. Dieser gegebene Euro tut mir nicht weh, Kleinkram, Peanuts, lächerlich! Entschuldigung bitte – aber mir geht es wirklich gut! Bin gesund, arbeite wieder und werde jeden Tag satt!
Aber ich habe auch Jesus verstanden, ich weiß genau was er sagen will. Solange ich von oben herab freundlich gebe hat das mit „Dienen“ nichts zu tun. Ich sonne mich in dem Bewußtsein und der Macht, etwas geben zu können.
Ein solches Geben aber meint nicht wirklich den Anderen. Ein solches Geben meint eigentlich mich. Mir soll es ein wenig besser gehen, ich – manchmal betrifft das auch eine Kirchengemeinde – ich will ein gutes Gefühl haben, geholfen zu haben. Ob es dem Anderen mit dem einen Euro, meinem Euro wirklich besser geht, interessiert mich eigentlich nicht wirklich.
Gott meint es anders – und er macht es uns vor. Er, der große Gott, macht sich klein, um in unser Verstehen hineinzupassen – er wird Mensch, ein kleines Kind.
Und dann – Mutter Teresa hat das auch getan – kniet sich unser Gott in unserem Bruder Jesus vor seinen Jüngern hin, um ihnen die Füße zu waschen. Er dient, er dient auf „Augenhöhe“, nicht im Vorbeigehen, nicht von oben herab. Ihm geht es an keiner Stelle um die Plätze rechts und links von ihm, ihm geht es nicht darum, dass wir uns gut fühlen – auf Kosten anderer. Ihm geht es darum, dass andere in unserer Nähe aufleben können. Es geht Jesus nie um das „Oben“. Jesus geht es immer um das „Unten“!
Das ist schwer, wahnsinnig schwer – viel schwerer als Almosen geben von oben herab.