Christi Himmelfahrt 2009

Predigt Christi Himmelfahrt 2009

Also das kann ich Ihnen schon jetzt am Anfang sagen. Noch mal muss ich das nicht haben. Es ist wohl schon 15 Jahre her, da sitze ich, angeschnallt auf ergonomisch geformten Sitzen. Mit mir vielleicht noch 50 Leute. Sie schreien alle schon um dann mit tierischem Gekreische vornüber in die Tiefe zu stürzen.

Eine der größten Achterbahnen Europas, damals im Heidepark. Ich brauchte schon ganz schön Mut um mich in die Schlange der Wartenden einzureihen. Und da sitzt man dann, wahrscheinlich schon käsebleich, der Puls auf 150 und ganz langsam werden die Wagen erst nach oben gezogen. Und es geht höher und höher bis auf fast 70 Meter und dir wird bewußt, so geht es auch wieder runter. Warum tue ich mir das an? 70 Meter hochziehen lassen um dann mit 100 Stundenkilometern in die Tiefe zu rasen. Warum? Kaum ist die Fahrt zu Ende – möchte man sich am liebsten wieder anstellen. Gleich noch mal das Ganze, es war ja so toll.

Da kann nur mitreden, wer das schon mal erlebt hat. Wahnsinnsgefühl! Diese Kurven, dieses immer wieder rauf und runter und Looping, von unten mag man sich das ja vorstellen können, aber in echt weiß man das nur, wenn man es erlebt hat.

Erzählen sie mal jemanden, der noch nie Achterbahn gefahren ist wie toll das ist. Begreift der nie. Man kann ihm auch nicht die Angst nehmen, man kann es nicht echt beschreiben, erst wenn man selbst gefahren ist, weiß man wie das wirklich ist.

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil Himmelfahrt ist natürlich. Natürlich geht die Achterbahn nicht bis zum Himmel, aber so ganz anders ist Himmelfahrt vielleicht gar nicht. Nein, ich meine nicht die von Jesus. Unsere eigene meine ich, deine, unsere Himmelfahrt. Wir alle hier, selbst die Kinder, gehen jeden Tag einen Schritt näher. Hoffentlich dauert es noch – manche Leute im Altersheim, oder die schwer krank sind, meinen es würde ewig dauern. Aber, je näher es darauf zu geht, um so komischer wird es doch einem im Bauch. Manchmal hat man unsägliche Angst, manchmal ist einem zum Schreien zu Mute, und manchmal kribbelt es auch so komisch in der Magengegend. Und niemand kann einem das Gefühl nehmen.

Was einen wirklich erwartet, wie genau es dann sein wird, wenn es dann so weit ist, wenn es ans Sterben geht, wenn diese Schwelle überschritten wird, das weiß keiner von uns zu sagen. Ich muß es wohl erst selbst erlebt haben, um wirklich begreifen zu können, wie das ist. Kann sein, dass ich dann nicht mehr davon lassen kann. Mag sein, dass ich dann alles möchte, nur nicht zurück. Hier jetzt, im Augenblick hilft mir das wenig, denn momentan graut es mir eher davor.

Und selbst Christus kann da noch so begeistert berichten, er kann noch so viele Bilder verwenden, in noch so vielen Gleichnissen ausmalen, wie toll es sein wird, dass wir auf die Fülle des Lebens zugehen, dass es ein Fest sein wird, eine turbulente Feier, wie eine rasante, aufregende, begeisternde Fahrt – am bedrängenden Gefühl in meiner Magengegend ändert das nichts. Da ist Christus wie jemand, der mir ganz begeistert berichtet – und ich stehe nur da und mache ein Gesicht wie ein Fragezeichen.

Bei einer Achterbahn hilft da nur eines: mich an der Hand nehmen und einfach mit mir gehen.

Und vielleicht ist das auch das einzige, was man überhaupt machen kann, was Christus tun kann.

Er wird mir die Angst vor dem Sterben kaum nehmen können, er wird es kaum fertig bringen, dass ich mit fliegenden Fahnen und riesiger Begeisterung diesem Tag entgegeneile.

Aber vielleicht braucht es das auch gar nicht. Bei der Achterbahn hilft es schon, wenn einer mitgeht, wenn einer neben mir sitzt und mir das Gefühl gibt, nicht allein zu sein. Dann verliert die Zeit davor etwas von ihrer Bedrohung und leichter ist es dann auch.

Der heutige Tag will vielleicht genau das tun. Christi Himmelfahrt feiern, das heißt vielleicht nichts anderes, als sich vor Augen zu führen, dass Jesus Christus selbst zu uns sagt: Ich bin diesen Weg schon gegangen, ich habe es erlebt, ich weiß, wie es ist. Und komm, ich geh mit dir, ich nehm‘ dich an der Hand, und wir gehn den Weg zusammen.

Das Kribbeln ist dadurch nicht weg, die Beklemmung wird dadurch nicht kleiner, und die Begeisterung hält sich in Grenzen. Aber manch einer hätte den Weg wohl nicht gehen können, nicht zu seiner ersten Achterbahnfahrt, und erst nicht den Weg durch die noch vor uns liegende Lebenszeit, wenn er nicht genau so ganz einfach an die Hand genommen worden wäre.

Amen.

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