2. Advent 2005

PREDIGT 2. Advent 2005

 

Was tun wir, wenn wir Besuch erwarten? Ganz egal, ob es willkommener Besuch ist, oder solcher, auf den wir gerne verzichtet hätten? Wir bereiten uns irgendwie darauf vor. Das sieht sicher bei jedem etwas anders aus, aber es gehören doch die einfachsten Dingen dazu: Ich werde dafür sorgen, dass der Kommende überhaupt den Weg zu mir findet. Wenn es Abend ist, werde ich für ihn ein Licht anmachen. Ich werde dafür sorgen, dass etwas zu trinken bereit steht. Ich werde etwas zu essen richten. Vielleicht ein Bett zum Schlafen.
Doch nicht nur äußerlich will ich vorbereitet sein, sondern auch innerlich: Ich
werde mir meine Arbeit und meine Vorhaben rechtzeitig so einteilen, dass ich für den Gast auch Zeit und innere Aufmerksamkeit übrig habe. Der Gast, der da kommt, wird es spüren.

Und nun heißt Advent: Gott kommt. Gott kommt mich besuchen. Er begegnet mir. „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?“ So fragt das Adventslied. Wo und wie könnte er mir begegnen? Still und unaufdringlich durch die Antwort auf ein Gebet, durch eine Ermutigung, indem mir ein Weg gezeigt wird, indem ich ihn spüren kann in Glücksmomenten meines Lebens. Oder deutlich spürbar durch die Hilfe und Anwesenheit eines anderen Menschen. Oder aber auch herausfordernd, indem er mir selber in einem Hilfsbedürftigen begegnet, indem er mir auf einmal Grenzen aufzeigt, oder mich auf meiner Lebenswanderung an eine Weggabelung oder gar in eine Sackgasse führt.

Wenn nun also Gott kommt, bei einem jeden auf seine Weise, muss ich mich vorbereiten wie auf eine beliebten oder auch ungebetenen Gast.
Er kommt, ganz gewiss. Das hängt nicht von mir ab. Aber vielleicht nehme ich ihn gar nicht wahr, wenn ich nicht auf ihn vorbereitet bin?

Johannes rechnete damals wie viele seiner Zeitgenossen ungeduldig damit, dass Gott bald für alle sichtbar kommen werde. Er empfand es als seine Lebensaufgabe, als seine Sendung, die Menschen radikal darauf vorzubereiten. Eine Taufe der Buße, also eine Taufe zur Vorbereitung und Reinigung im Blick auf den kommenden Herrn.


Etwas vereinfacht gesagt: Wenn jemand zum Zahnarzt geht, putzt er sich zuvor die Zähne. Wenn jemand zum Friseur geht, wäscht er sich zuvor die Haare. Wenn jemand zum Arzt geht, wäscht er sich zuvor die Füße. Und vielleicht noch ein wenig mehr – je nach Untersuchung. Und wenn nun jemand seinem Schöpfer begegnet, der ganz tief in ihn hineinschauen kann, und vor dem er daliegt wie ein aufgeschlagenes Buch, sollte der sich nicht zuvor den inneren Menschen reinigen lassen?

Es gibt diese Reinigung des inneren Menschen nach Aussage der Kirche nur durch „Buße“. Umdenken steht da im Griechischen, umkehren. Also nicht nur Umkehr mit den Füßen, sondern mit der ganzen Person, mit der ganzen Lebensrichtung.

Das Krumme im Leben eines Menschen soll gerade werden und das Unebene eben: Wenn Jesus im Advent als Friedensbringer einzieht: Kann er mir begegnen, wenn ich nicht, soweit es an mir liegt, Frieden mache zwischen mir und anderen in diesen Tagen? Wenn Jesus als der Sanftmütige einzieht: Kann er mir begegnen, wenn ich selber die Ellenbogen für das wichtigste Werkzeug im Alltag halte?
Wenn er einzieht als der Heiland: Kann er mir überhaupt begegnen, wenn mir mein inneres Heil, meine seelische und geistliche Gesundheit gar nicht wichtig sein sollten?

Glaubt nicht, sagt Johannes an anderer Stelle, Ihr könnt euch darauf berufen, dass Ihr Juden seid, dass euch Gottes Verheißungen an Abraham automatisch gelten, wenn Ihr Euch nicht im täglichen Leben danach ausrichtet. Der Name allein tuts nicht, nur Christ heißen reicht nicht, wenn nicht euer Verhalten dazu passt.
Johannes staucht die Menschen die zu ihm kommen richtig zusammen.

Darf man Menschen, die freiwillig kommen, um einer Predigt zuhören, so unbarmherzig fertig machen?
Sollte er nicht froh sein, dass sie überhaupt da sind?
Aber andererseits: Muss man nicht manchmal so unbarmherzig und unmissverständlich sein, wenn es um Sein oder Nichtsein geht?

Darf z.B. ein Arzt, der sieht, dass ein Mensch durch seine Lebensweise eindeutig auf einen Herzinfarkt zusteuert, oder der seine Lebensweise partout nicht seiner Zuckerkrankheit anpassen will, noch abwiegelnd und zögerlich reden?

Muss er nicht klar und unbarmherzig sagen, was Sache ist?

Es gibt im Leben Situationen, würde Johannes vielleicht mit den Worten des Volksmunds sagen, wo es spitz auf Knopf steht, oder wo es um die Wurst geht.
Radikal ist dieser Johannes im wahrsten Sinne des Wortes: „Radikal“ kommt nämlich aus dem lateinischen und bedeutet: an die Wurzel gehend. Und so muss wohl manchmal auch eine Drohung im Dienste des Lebens stehen: Es geht manchmal nicht ohne eine schmerzhafte Wurzelbehandlung. Alles andere wäre nur quacksalbern oder Herumdoktern.

Kein Wunder, dass die Zuhörer des Johannes, derart verunsichert, am Ende fragen: „Was sollen wir denn nun tun?“ „Gibt es überhaupt noch eine Rettung bei diesen radikalen Maßstäben?“ Höre ich aus dieser Frage heraus. Oder: „Ist denn von einem jeden die radikale Wende gefordert?“
Nein, offensichtlich ist nicht bei jedem und nicht zu jeder Zeit eine radikale Wende angesagt: Der Soldat darf Soldat bleiben. Der Zöllner muss seinen Beruf nicht aufgeben. Doch beide sollen in Zukunft ihre Grenzen respektieren, da wo sie sie vorher überschritten haben. Sie sollen das rechte Maß finden und beachten, wenn sie vorher maßlos waren. Und sie sollen bei allen Kompromissen, die ihr Beruf ihnen abverlangt, dem Mitmenschen dienen.

Aber, bevor wir uns hier alle nach dem ersten Schreck wieder erleichtert zurücklehnen. Ohne innere adventliche Unruhe lässt Johannes doch niemand nach Hause gehen: Wer zwei Hemden hat sagt Johannes, braucht sie nicht beide hergeben. Aber doch eines dem, der keines hat. Und wir haben alle eine ganze Menge Hemden und alle möglichen anderen Dinge. … Da müsste jetzt die Predigt noch einmal ganz von vorne losgehen. Aber die muss sich jeder im Stillen selbst halten. …

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