4. Dezember 1999 – Kolping-Gedenktag Predigt

4. Dezember – Kolping-Gedenktag

 

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitglieder der Kolpingsfamilie,

 

es ist ein Millionengeschäft. Tausende von Computern müssen umgerüstet werden. In der Nacht vom 31.12.1999 auf den 1. Januar 2000 werden auf unzähligen Computern die Betriebssysteme oder einzelne Programme zusammenbrechen. Alle müssen umgerüstet werden, und das für sehr viel Geld. Ein Millionengeschäft! Eine ganze Branche lebt davon.

 

Und wie immer, wenn mit einer Sache viel Geld verdient werden kann, überschlagen sich die Angebote, rennen, gerade den kleineren Firmen auch den Pfarrbüros, Fachleute und Vertreter geradezu die Türen ein. Und je mehr Unsicherheit herrscht, je mehr ausgemalt wird, was alles passieren kann, desto mehr Geld läßt sich damit verdienen. Und dementsprechend werden die Folgen dieser Computergeschichte überall in den schrecklichsten Farben ausgemalt.

 

Ohne dieses Problem jetzt kleinreden zu wollen – bei aller angezeigter Vorsicht: im Letzten ist das, was hier geschieht, trotz allem wieder einmal ein ganz großes Geschäft mit der Angst. Denn womit läßt sich sonst so gut Geschäfte machen, wie mit der Angst der Menschen?

 

Und wovor hätten die Menschen im letzten mehr Angst als vor all dem, was unbekannt ist, was auf einen zukommt, was einen irgendwie überraschen könnte; kurz: vor allem was Zukunft heißt? Das Jahr 2000, das ist der Inbegriff der Zukunft überhaupt. Und es ist deshalb auch der Inbegriff vieler Ängste der Menschen. Und das nicht nur im Computerbereich.

 

Zukunft heißt, sich auf Neues einzustellen und von manch Altbewährtem verabschieden zu müssen, mit einer Umgebung konfrontiert zu werden, in der man sich nicht mehr auskennt und in der die bisherigen Erfahrungen nicht mehr ausreichen, um sich wirklich sicher zu bewegen. Das ist nicht nur unbequem, das macht Angst, denn es geht mit der bangen Frage einher, wie es denn werden wird, und vor allem, wie man sich selbst darin zurechtfinden wird. Und ganz besonders unangenehm werden solche Fragen erlebt, wenn es um Bereiche geht, die einen persönlich, die mein Innerstes betreffen.

 

Glaube und Kirche sind solche Bereiche. Gerade von meinem Glauben und von meiner Glaubenspraxis in der konkreten Kirche, verspreche ich mir ja einen Halt und eine Sicherheit im Leben, und wenn sich die Dinge in diesem Bereich so stark verändern, wie das im Augenblick der Fall ist, wenn in Kirche und Glaube die Dinge so im Fluß sind, wie sie es seit Jahrzehnten nicht mehr waren, dann bringt das eine Unruhe in mein Leben hinein, die Angst macht.

 

Nicht umsonst reden im Augenblick immer mehr in unserer Kirche, auch in unserer Gemeinde von der sogenannten „guten alten Zeit“, erzählen fast wehmütig davon, wie anders alles doch früher gewesen sei, klammern sich an überkommene Formen und Althergebrachtes,

und sprechen von manchem alten Zopf, als ob er das wichtigste von der Welt wäre.

 

Wer Angst vor dem Neuen hat, klammert sich an das Alte. Wer sich vor dem fürchtet, was auf ihn zukommt, hält fest an bereits Vergangenem. Und er übersieht dabei, daß man nur untergehen kann, wenn man sich an Dinge klammert, die schon jetzt im Wasser der Geschichte zu versinken drohen.

 

Adolph Kolping war da anders gestrickt. Wo wäre er geblieben, wenn er nicht auf Neues gesetzt hätte? Was hätte er den Gesellen seiner Zeit zu bieten gehabt, wenn er lediglich die Antworten gegeben hätte, die alle seine Kollegen gaben, die man schon immer gegeben hat? Wer würde heute noch von ihm sprechen, wenn er nicht neue Lösungen für eine veränderte Zeit gesucht hätte, wenn er nicht die Chance im Neuen und die Notwendigkeit des Wandels entdeckt hätte?

 

„Die Zukunft gehört Gott und dem Mutigen!“ Dieser Satz stammt von ihm. Und diesen Mut hat er gelebt, und diesen Mut hinterläßt er seiner Kolpingsfamilie, als Vermächtnis und als Auftrag.

 

Im Sinne Adolph Kolpings Kirche zu leben, heißt alles andere, nur nicht mit dem Rücken zum Straßenrand zu sitzen. Im Sinne Adolph Kolpings Kirche zu gestalten, das heißt mutig auf die Zukunft zuzugehen, nicht nur zu warten, was auf uns zukommt, sondern der Zukunft auch noch einen Schritt entgegenzugehen.

 

Es wird vieles anders werden: Wenn in Verl in drei Pfarreien, irgendwann nur noch zwei oder sogar nur ein Pfarrer übrigbleiben, wenn die Christen, was sich heute schon abzeichnet, zur Minderheit werden, und wenn die Anforderungen unserer Zeit nach immer neuen Antworten aus unserem Glauben heraus verlangen, dann wird sehr vieles ganz anders werden, ganz anders als das, was wir gewohnt waren und liebgewonnen hatten.

 

Ich habe absolut keine Angst davor. Denn wenn wir nicht dauernd zurückschauen, wenn wir es endlich fertigbringen, über den Tellerrand von St. Judas Thaddäus hinauszuschauen, wenn wir nicht zu den ewig gestrigen gehören, die lamentieren, was man denn mit den anderen zu tun habe, wenn wir den Mut haben, so manchen alten Zopf abzuschneiden, und Dinge auf ihren Sinn hin abzuklopfen und zu hinterfragen, und wenn wir dann hinschauen, wie Jesus Christus auf die neue Situation reagieren würde, wenn wir einfach nach vorne schauen, dann gehören wir zu den Mutigen, denen mit Gott zusammen die Zukunft gehört.

 

Lust auf die Zukunft bekommt der, der die Chancen entdeckt, die darin liegen. Lust auf die Zukunft bekommt die, die begreift, daß wir herausgefordert sind, diese Zukunft zu gestalten, Lust auf die Zukunft bekommt der, der spürt, daß es ein Abenteuer ist, das Abenteuer Zukunft, das wie ein unerforschtes Land, von uns ausgelotet werden möchte.

 

Adolph Kolping hatte keine Angst vor diesem Abenteuer, er hat sich mutig hineingestürzt, und hat die Zukunft gestaltet. Die Zukunft gehört Gott und dem Mutigen, auch den mutigen Kolpingssöhnen und Kolpingstöchtern unserer Tage. Lassen wir uns anstecken, von dieser Lust auf die Zukunft, denn nur den, der zu spät kommt, nur den bestraft das Leben.

 

Amen

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